Die Gemeindeverwaltung mit Bürgermeister Josef Alber an der Spitze gratulierte zum besonderen Ehrentag (von links): Gustav Tappeiner, Rita Kaserer, Josef Alber, der Jubilar Alois Raffeiner und seine Frau Hanni, Reinhard Verdross und Kathi Donà.

„Kellergueter“ in Tschars feiert 100. Geburtstag

Publiziert in 34 / 2009 - Erschienen am 30. September 2009
Tschars – Am 8. September feierte der älteste Gemeindebürger von Kastelbell-Tschars, Alois Raffeiner aus Tschars, seinen 100. Geburtstag. Er hat sein langes, arbeits- und erlebnisreiches Leben in Tschars hinter sich. Beim „Kellergueter“ herrschte an diesem Tag viel Betrieb. Zahlreiche Gratulanten gaben sich ein Stelldichein. Erfreut und überrascht war der Jubilar, als Bürgermeister Josef Alber und die Gemeindereferenten plötzlich vor ihm standen und zum besonderen Ehrentag herzlich gratulierten. Glückwünsche überbrachten auch der Vizeobmann Hans ­Viertler und der Vizedirektor Peter Tappeiner der Raiffeisenkasse Tschars und eine Abordnung des Südtiroler Frontkämpfer- und Kameradenverbandes mit Karl Lösch an der Spitze. Stimmungsvoll ging es am Abend auf dem „Learerplatzl“ vor dem Haus weiter. Der ­Kirchenchor Kastelbell-Tschars und die Musikkapelle Tschars hatten für das Geburtstagsständchen einen schönen ­Reigen mit gefälligen Liedern und passenden Kompositionen vorgetragen. Feuerwehrkommandant Martin Kaserer und sein Stellvertreter Rainer ­Lanbacher überreichten ihrem lang­jährigen Mitglied auch im ­Namen der beiden vorher genannten Vereine ein Bild. Sichtlich bewegt und erfreut genossen Luis Raffeiner und seine Frau Johanna, mit der er seit 1951 verheiratet ist, im Kreise ihrer fünf Kinder, Schwieger- und Enkelkinder die musikalischen Darbietungen. Luis Raffeiner ist nach wie vor geistig rege und verfolgt täglich ohne Brille in den „Dolomiten“ das Lokal- und Weltgeschehen. Für das Lesen zeigte Luis ­Raffeiner schon immer großes Interesse. Besonders angetan haben es ihm alte Schriften, von denen viele sein Vater vor der Zerstörung durch den faschistischen Podestà gerettet hat. Der Jubilar leistete auch wertvolle Chronistenarbeit, indem er viele persönliche und allgemeine Erlebnisse und Ereignisse in Wort und Bild festhielt und verschiedene Unterlagen sammelte. Viele Dokumente in gotischer Schrift hat er mit seiner Schreibmaschine abgeschrieben und somit allgemein zugänglich und verständlich gemacht. Jahrelang zeichnete er die Witterung, Nieder­schläge und Temperaturen auf. Für Neues stets aufgeschlossen Neue Geräte weckten bei ihm stets ein besonderes Interesse. Schon 1925 bestellte er sich aus Dresden einen Fotoapparat, zu dem er noch Glasplatten verwenden musste. Neben vielen Aufnahmen von Ereignissen fertigte er damit auch Passbilder für Dorfbewohner an. 1927 bastelte er sich mit den aus Wien bezogenen Bestandteilen ein Radio. Der Empfang war nur mit einem etwa 25 m langen Draht über dem Dach und anfangs nur mit Kopfhörer möglich. Beim Einbau des Elektrischen um 1930 war er auch zur Stelle. Mit dem vom Vater geschenkten Fahrrad ohne Übersetzungen unternahm der Kellergueter Luis viele Ausflüge in die nähere und weitere Heimat. Ein besonderes Erlebnis bildete 1936 eine große Dolomitentour auf Schotterstraßen über den Jaufenpass, durch das Pustertal nach Toblach, ­Cortina und zurück über den Falzarego-, Pordoi- und Karer­pass mit viermaliger Übernachtung in Heuschuppen oder Gasthäusern. Sogar als 90-Jähriger zeigte er Interesse für den Computer und für das Internet. Er wollte einfach wissen, wie das funktioniert. Bei der 1901 gegründeten Raiffeisenkasse Tschars war er viele Jahre allein als Zahl­meister tätig. Die „Kassa“ war bis zum 1. eigenen Besitz im Steingadner Amtshaus in Gasthäusern untergebracht. Nachdem zumeist weniger Geld eingelegt als behoben wurde, fuhr er in der Regel am Donnerstag oder Freitag mit dem Fahrrad zum „Geldfassen“ zur Sparkasse nach Schlanders. Einmal kam er dabei in Latsch nach einem Zusammenstoß mit einer Radfahrerin schwer zu Sturz und erlitt einen Schädelbruch. Die Wirtin des Gasthauses Lamm, wo er eine Woche liegen musste, bewahrte den Rucksack samt dem wertvollen Inhalt bis zu seiner Heimkehr auf. Im Jahre 1935 verwendete er bei der 1933 gegründeten Obstgenossenschaft und bei der Raiffeisenkasse die amerikanische Buchhaltung. Als Buchhalter hat er beim Magazinbau in Tschars den 1. Scheck eingeführt. Was heute eigentlich keiner Rede mehr wert wäre, stellte damals für ihn und viele andere eine große Errungenschaft dar. Gefreut hat ihn auch, als er im Jahre 1936 den 1. Kugelschreiber von einem Schweizer Händler geschenkt bekam. Nach den gepolsterten „Kreben“ für die Obstanlieferung wurden von diesem Händler erstmals Steigen verwendet. Man kann den Kellergueter Luis in vielfacher Hinsicht als Pionier seiner Zeit bezeichnen. Zur Erfüllung seines Lebensinhaltes gehörten neben seiner Familie auch die Feuerwehr und das Theater in seinem Heimatorte, insbesondere aber die Musikkapelle Tschars, bei der er viele Jahre begeistert musizierte. Chronist Robert Kaserer hat in zahlreichen Gesprächen von ihm viel aus seiner Vergangenheit und im Dorfe erfahren und aufgeschrieben. Er konnte an der Feier nicht teilnehmen, hat ihm aber schon vorher gratuliert. Der Jubilar wird heute von seiner Frau und seinen Kindern liebevoll umsorgt.
Oskar Telfser
Oskar Telfser

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