Ein Steinmetzgeselle auf der Walz

Publiziert in 9 / 2009 - Erschienen am 11. März 2009
Laas – Die Walz ist ein jahrhundertealtes Brauchtum, welches früher eine Notwendigkeit war, da nur derjenige ­Meister werden konnte, der auch auf Walz gegangen war. Zu dieser Zeit waren die beliebtesten Anlaufstellen der Reisenden die Zünfte, diese begannen sich bereits im Jahre 1200 zu bilden. Das Wandern nach der Lehre war früher ein Zwang und diente dem Zweck, dem Gesellen die nötigen Kenntnisse und ­Fähigkeiten zu vermitteln. Die Wandergesellen tragen auch eine besondere Kleidung, die so genannte „Kluft“, bestehend aus dem Hut (ein Zeichen des freien Mannes), der Staude (ein kragenloses weises Hemd), der Weste (meistens aus Samt), der Hose (ebenfalls aus ­Seide oder Manchester) und den Schuhen (sie müssen auf jeden Fall schwarz sein). Der „Stenz“ (das ist der Stock des Wandergesellen, er ist immer einzigartig) gehört natürlich ebenso dazu wie der „Charlottenburger“, das Tragebündel des Gesellen. Auch der Ohrring am linken Ohr ist ein besonderes Merkmal. Dazu kommt noch das Wanderbuch, eigentlich ein Reisepass aller europäischen Wandergesellen, aus dem sich die eingestempelte Reiserute des Gesellen nachvollziehen lässt. Der 21-jährige Wander­geselle Philipp Bartz aus Neustadt an der Weinstraße (Rheinland-Pfalz) ist zurzeit im Marmordorf Laas tätig. „Der Vinschger“ hat mit ihm gesprochen. „Der Vinschger“: Du bist Wandergeselle als Steinmetz, wie lange dauert bei euch die Lehre und wie lange müsst ihr auf der Walz sein? Philipp: Die Lehre dauert normal 3 Jahre und auf Wanderschaft ist Mann oder auch Frau mindestens 3 Jahre und einen Tag. In dieser Zeit dürfen wir nicht näher als 50 km an unseren Heimatort heran­kommen. Wo seid ihr während der Wanderungen untergebracht und wie reist ihr? Dürft ihr in einem Gasthof übernachten und ­öffentliche Verkehrsmittel benutzen? Philipp: Das ergibt sich ­irgendwie. Unterkunft finde ich meistens in meinem Schlafsack. Vereinzelt gibt es Anlaufstellen, Herbergen...oder man kommt sonst wo unter, im Sommer ist es sowieso kein Problem, da kann man überall schlafen. Unterwegs bin ich meist zu Fuß, hauptsächlich aber per Anhalter. Auf Reisen gibt es für uns eine Art Codex (zumindest im deutschsprachigen Raum), kein Geld für die Unterkunft auszugeben, was ich mir auch unmöglich leisten könnte. Wie lange dürft ihr am gleichen Ort arbeiten? Philipp: Nicht länger als ein halbes Jahr, aber es juckt einen meistens früher weiter zu ­ziehen, die Welt ist groß und auf der Wanderschaft will man ja gern ein Stück davon sehen. In der Regel bleibt man so ein bis zwei Monate, denn wenn beim Vorbeigehen die Hunde nicht mehr bellen und die ­Bäckersfrau einen beim Nahmen nennt, sollte man vielleicht weiterziehen. Wie bist du nach Laas gekommen, kanntest du das Marmordorf schon vorher? Philipp: Laaser Marmor ist ja weltbekannt, ich war unterwegs und auf Arbeitsuche, bis ich glücklich, aber eher zufällig hier gelandet bin. Ich kam aus der Schweiz und wollte eigentlich nach Österreich. Der Fahrer, der mich mitgenommen hatte, fuhr bis nach Meran, wo ich dann in der ganzen Umgebung nach Arbeit suchte und schließlich erfuhr, dass ich vielleicht hier in Laas etwas finden könnte. Zurzeit arbeite ich bei Marmor Lechner AG, wo das Arbeitsklima, aber auch das ganze Rundherum hervor­ragend ist. Welche beruflichen Erfahrungen hast du auf der Walz gemacht? Philipp: Kurz nach meiner Abreise von Zuhause landete ich bei einem Gesellentreffen oberhalb von Berlin, wo ich 3 Wochen in die Schmiedekunst reinschnuppern konnte. In der Schweiz habe ich zum ersten Mal Trockenmauerwerk errichtet, auch das war eine sehr gute Erfahrung. Jetzt bei der Marmor Lechner AG habe ich, was die Eigenschaften und Bearbeitung des so genannten „Weißen Goldes“ betrifft, sehr viel gelernt, da ich in meiner Heimat mehr mit Sandstein zu tun hatte. Hier in Laas durfte ich außerdem am Modellierunterricht an der Berufsfachschule für Steinbearbeitung „Johannes Steinhäuser“ teilnehmen, wobei ich bildhauerisch einiges erfahren konnte. Auch unterwegs habe ich wohl noch einige Tipps und Tricks in Erfahrung gebracht, zum Beispiel wie ich mit der Hacke eine Bier­flasche aufkriege oder mit 25 & 75 ­einen rechten Winkel konstruiere. Wie viele Stationen hast du bis jetzt hinter dir? Philipp: Seit ich im Mai 2008 von Zuhause wegging, war ich viel unterwegs, ich habe immer nur zwischendurch, mal hier mal dort, ein paar Tage oder 2 bis 3 Wochen gearbeitet. Laas ist meine erste Station, wo ich mich etwas länger aufhalte. Wie stellst du dir die Zukunft vor, möchtest du einen ­eigenen Betrieb gründen nach der Walz? Philipp: Für die Zukunft kann ich mir so einiges vorstellen, zurzeit denke ich aber nicht viel darüber nach. Wenn ich irgendwann wieder nach Hause gehe, weiß ich vielleicht genauer was ich will. Ganz herzlich danken möchte ich den Autofahrern, die mich „olm“ mitnehmen, wenn ich an der Straße stehe. Interview: Manni Strimmer
Manni Strimmer
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