Der Schnatzhof war ein Glücksfall
Publiziert in 38 / 2014 - Erschienen am 29. Oktober 2014
Naturns - Sonnig war es diesmal am Naturnser Sonnenberg nur für Sekunden. Der Nebel am 16. Oktober 2014 ließ nur kurze Ausblicke auf die umliegenden Berge zu. Ganz anders zu Allerheiligen 1978, als Udo Bernhart zum ersten Mal auf dem Schnatzhof fotografierte. Damals gab es noch keine Zufahrtsstraße, aber es gab Erika und Paul Ladurner und ihre 12 Kinder. Udo und seine Begleiter wurden freundlich aufgenommen und durften im „Stadele“ übernachten. Seither stand der Schnatzhof unter aufmerksamer Beobachtung. 36 Jahre lang, zu jeder Jahreszeit, durfte Udo Bernhart - längst ein renommierter Profifotograf - die Veränderungen am Schnatzhof begleiten und festhalten. Daraus wurde ein Buchprojekt, das Bernhart mit einem Glücksgriff begann. Erwin Brunner, damals Chefredakteur von „National Geografic Deutschland“, ein Pusterer, sollte die Texte liefern. Brunner musste erst verstehen, was „Tschött“ bedeutet und dass man ohne Auto zwischen Naturns und Schnatz „wie im Mittelalter unterwegs“ ist. Brunner verstand vor allem, dass die Beziehung zwischen Paul Ladurner, 85, und Udo Bernhart nicht nur auf der Fotoschiene ablief. Bei der Buchvorstellung auf der Terrasse wurde dies ganz kurz offenbar. Nur für einen Moment vergaß der Senior-Bauer sein verschmitztes Lachen und meinte: „So lang i leb, wirst du immer bei mir drin bleiben, Udo!“ Der Moment der Rührung war schnell verflogen. Programmchef Thomas Kager vom Raetia-Verlag kam auf ein Buch zu sprechen, das schnörkellos und einfühlsam darstellt, wie man auch als Bergbauer „mit der Zeit gehen kann“. Niemand würde verstehen, was sich in den letzten 40 Jahren ereignet hat, gäbe es nicht dieses Buch: Udo Bernhart, Erwin Brunner: Mit der Zeit gehen. Bauernleben auf dem Sonnenberg, Edition Raetia, Bozen 2014. s

Günther Schöpf