Betonblüten an Museumsfassade
Publiziert in 23 / 2013 - Erschienen am 19. Juni 2013
Am 21. Juni wird in Bregenz das „vorarlberg museum“ eröffnet. Die Fassade hat der Künstler Manfred Alois Mayr entworfen.
Bregenz - Im wahrsten Sinne des Wortes enthüllt wurde die Fassade bereits im Oktober 2012, als sich das „vorarlberg museum“ baulich gesehen bereits auf der Zielgeraden befand. „Mit dem neuen Museum bekennt sich das Land in einer weit umfangreicheren Dimension zu seinen Verpflichtungen im musealen Bereich. Das neue Museum soll auch eine attraktive Plattform, ein Kompetenzzentrum für alle Belange des Forschens und Dokumentierens im landeskundlichen Kontext sein. In dieser Funktion natürlich auch Anlaufstelle und Partner aller kleineren Museen im Land.“ So zitierte die Landespressestelle Vorarlberg im Oktober 2012 die Landesrätin Andrea Kaufmann. Insgesamt wurden knapp 34 Millionen Euro für den sechsgeschossigen, in Passivhausqualität errichteten Neubau investiert. Museumsdirektor Andreas Rudigier sprach von einer „beeindruckenden Architektur im Sinne eines fest im Land verankerten Gebäudes, die auch symbolisch zu verstehende Verbindung von Alt und Neu, eine rätselhafte wie tiefgründige Gestaltung der Fassade und Fenster, die den Blick in alle Regionen Vorarlbergs und darüber hinaus frei geben.“ Die neue Fassade hat der aus dem Vinschgau stammende Künstler Manfred Alois Mayr entworfen. PET-Flaschen deuten die „Inhalte“ des neuen Museums an und verschränken Vergangenheit (Schalen aus der Römerzeit) mit der Gegenwart (Getränkeflasche unserer Tage). Festgehalten werden die einzelnen Verwandlungsphasen in einem Fotoessay von Arno Gisinger.
Architektur und Kunst
aus einem Guss
„Bei der Fassadengestaltung für den Neubau des ‚vorarlberg museums’ sind Architektur und Kunst im wahrsten Sinne des Wortes aus einem Guss,“ so die Landespressestelle weiter. Durch die intensive und enge Zusammenarbeit der Architekten Andreas Cukrowicz und Anton Nachbaur-Sturm mit dem Künstler Manfred Alois Mayr entstand ein Fassadenrelief, das mit seinem Licht-Schattenspiel in ständiger Verbindung mit dem Tageslicht und den Jahreszeiten steht. Geometrie-Ingenieur Urs B. Roth aus Zürich wurde herbeigezogen, um die Punkteordnung und das Schalungskonzept zu entwickeln. Das Relief zeigt sich als plastisch wirkende Fassade und besteht aus 16.656 einzelnen Betonblüten, die in einem flächenfüllenden ornamentalen Streumuster über die Fassadenteile des Neubaus verteilt wurden. Als Inspirationsquelle dienten dem Künstler Fundstücke und Sammlungsteile aus dem reichen Fundus des Landesmuseums, historische Behälter und Gefäße aus Ton oder Glas, welche in der Römerzeit teilweise in Massenproduktion (bis zu 10.000 Stück pro Brennvorgang!) als „terra sigillata“ hergestellt wurden. Als Matrizen für die blütenartigen Motive dienten verschiedene Böden handelsüblicher PET-Flaschen, jene bruchfesten, seit den 1970er Jahren gebräuchlichen ebenfalls in Massenproduktionen hergestellten Kunststoffflaschen für Softdrinks und Wasser. Dieses gewöhnliche wie typische Alltagsobjekt unserer Tage schlägt die Brücke zu den im Museum verwahrten antiken Gebrauchsgegenständen. Schalen und Vasen, die dem Menschen seit jeher als Sammelbehältnisse für Nahrungsmittel und wertvolle Gegenstände dienten, stellen übersetzt auch einen direkten Bezug zu einer der inhaltlichen Kernaufgaben eines Museums, nämlich dem Sammeln her. Die 13 verschiedenen Flaschenbodenmotive bilden an der Fassade ein zufälliges Streumuster und wirken in ihrer Gesamtheit wie ein großes Meer aus Betonblüten.
Brücke in die Gegenwart
Die künstlerische Gestaltung der Fassade verschränkt Vergangenheit und Gegenwart, Handwerk und Massenproduktion, schlägt die Brücke von der Römerschale zur thermoplastischen Getränkeflasche unserer Tage, aber auch von der Tonerde zum Substrat aus Betonguss. An der Ornamentik spiegelt sich nicht zuletzt die kulturelle Logik des Museums als Beziehungsfeld von Rarität und Konsumartikel, Unikat und Massenware. Der gebürtige Vinschger Manfred Alois Mayr, geboren 1952, lebt in Bozen und Meran. Sein künstlerisches Werk kennzeichnet eine langjährige Erfahrung in der Auseinandersetzung mit ortsspezifischen Gegebenheiten. Diese ortsbezogenen Projekte verstehen sich nicht als ästhetischer Nachtrag, sondern gründen auf umfassenden Recherchen über die sozialen, historischen und kulturellen Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Auftrags. Die Realisierung ist ein konstitutiver Bestandteil des Bauprozesses. Das Ergebnis der Arbeit versteht sich als Idealform der Verbindung eines Kunstwerks mit einem Bauwerk, als homogene nicht mehr trennbare Symbiose, als ideales Abbild einer perfekten Zusammenarbeit zwischen Architekt und Künstler. red
Redaktion