Auch der ehemalige Landeshauptmann Luis Durnwalder (rechts im Bild) meldete sich bei der Buchvorstellung zu Wort.
Hansjörg Telfser (rechts) mit dem Prader Bürgermeister Karl Bernhart.
4 Jahre Forschung und Recherche stecken hinter den zwei Bänden.

Von Kunstdüngerträumen, …

…. Blusenmädchen und „Plünderkapitalisten“

Publiziert in 21 / 2019 - Erschienen am 12. Juni 2019

Laas - Nach vierjähriger Forschungs- und Recherchearbeit war es am 30. Mai soweit: In der Remise der Lasa Marmo in Laas stellte Hansjörg Telfser auf Einladung des Bildungsausschusses Laas gleich zwei neue Bücher vor. Während in einem davon generell auf die Südtiroler Industriedebatten bis zum Jahr 2000 eingegangen wird, ist das andere dem Modellbezirk Laas-Prad als „Klein-Südtirol“ gewidmet. Das verrät schon der Titel der zwei Bände „... von Kunstdüngerträumen, Blusenmädchen und ‚Plünderkapitalisten’“. Wie Hansjörg Telfser, der Verfasser des Standartwerkes über die Vinschgauer Marmorindustrie (Marmor – Spurensuche, Vinschgaus Marmor zwischen Kunst- und Spekulationsobjekt) bei der gutbesuchten Buchvorstellung ausführte, bestand in Prad und Laas im Gegensatz zu vielen Gemeinden in Südtirol eine bescheidene, aber doch sichtbare industrielle Tradition im Bereich der Verarbeitung von Kalk zu Bauzwecken und des Abbaus von Marmor. Die Kalkölfen von Prad gehen auf das 16. Jahrhundert zurück, der Marmorabbau erreichte ab 1830 eine erste Blüte. Als die Konjuktur später einbrach, kam es zu einer hohen Arbeitslosigkeit. Viele Menschen aus dem Mittelvinschgau wanderten aus, vor allem nach Nordamerika. Neben Prad verließen u.a. auch Göflaner und Kortscher ihre Heimat. Am Ende des Ersten Weltkrieges fristeten die Kalkbrenner ein bescheidenes Dasein. Die gesamte Marmorbranche kam zum Erliegen. Dass die ersten Maßnahmen der faschistischen Machthaber wenige Jahre nach der Annexion Südtirols auch im Vinschgau eher auf eine Potenzierung der Landwirtschaft durch Bodengewinnung und Meliorierung im Bereich der Auenlandschaften entlang der Etsch abzielten, ist nur einer jener Sachverhalte, die vielen nicht bekannt sind und auf die Hansjörg Telfser in seinem Werk eingeht. Es sollten bis zu 4.000 Neusiedler aus „Altitalien” zwischen Glurns und Plaus beheimatet und 6.700 Hektar Grund bonifizert werden. „Mussolinis Regime kam aber über Konzepte nicht hinaus”, so der Buchautor. In der Marmorbranche standen zunächst nicht ideologische Überlegungen im Vordergrund, wie in ganz Südtirol, sondern wirtschaftlich­pragmatische, „italienische Arbeiter nach Laas zu bringen, im Gegensatz zu der Zeit nach 1945.” In Laas begann die große Abwanderung bereits 1938. Nach dem Krieg versuchte sich das halbstaatliche ENTV mit einem US-amerikanischen Großauftrag im Rücken selbst als Unternehmer und beschäftigte in der Höchstphase bis zu 600 Arbeiter und Angestellte. Die Regierenden in Rom hatten über das Amt „Ufficio per le zone di confine“ viel Geld bereitgestellt, um den Marmorbetrieb zu erhalten und um dann mit einem „politisch-sozialen“ Programm in Laas ein sogenanntes „insediamento“ zu errichten, also eine gezielte Ansiedlung italienischer Familien. So entstanden Pläne zum Bau eines neuen Dorfteiles. Mitte der 1950er Jahre wurde versucht, die politischen Mehrheitsverhältnisse im Gemeinderat zu ändern. Auch im Bereich Kultur und Freizeit wurde Einfluss genommen. Der Fußballmannschaft AC Lasamarmi gelang es, in der Spielzeit 1953/54 als erste Mannschaft aus dem ländlichen Raum die Regionalmeisterschaft im Amateurfußball zu gewinnen. Neben der „Insediamento-Politik“ in Laas und Göflan beleuchtet der Autor noch viele weitere Aspekte des Marmorabbaus und auch Vorhaben, die nie verwirklicht wurden, wie etwa der Bau einer Kunstdüngerfabrik. Außerdem geht er auf die Ansiedlung eines Betriebes zum Abbau von Magnesit in Prad ein und die Ansiedlung des Textilunternehmens Bohne in Prad, das vorwiegend Beschäftigungsmöglichkeiten für Frauen schuf und über einen längeren Zeitraum vielen Vinschgerinnen ein geregeltes Einkommen sicherte. „Bohne trug so nicht nur zu einer wirtschaftlichen, sondern auch zur sozialen Emanzipation bei“, so Telfser. In Laas setzte die Gemeindeverwaltung nach der Krise in der Marmorbranche ab 1965 auf die Ansiedlung eines deutschen Betriebes (Krumm Alpina). Man habe dem Unternehmen gutgläubig „goldene Brücken“ gebaut. Am Ende aber gab es einen spektakulären Konkurs mit einem riesigen Schuldenberg. Zu positiven Entwicklungen in Schluderns und Laas führte die Ansiedlung der HOPPE. Der Vinschgau kann laut Telfser als eine kleine Modellregion der Industrialisierung in Südtirol angesehen werden. Im Band, in dem sich der Autor mit der landesweiten Industrialisierung befasst, geht es u.a. auch um das Stahlwerk Valbruna in Bozen. Eine wesentliche Rolle gespielt hatte bei der einstigen Debatte rund um die Zukunft des Stahlwerks auch der damalige Landeshauptmann Luis Durnwalder. „Mir ging es damals vor allen darum, der italienischen Volksgruppe zu zeigen, dass die Autonomie auch für sie da ist“, sagte Durnwalder bei der Buchvorstellung. In die Vorstellung eingeführt hatten der ehemalige Vorsitzende des Bildungsausschusses, Wilfrid Stimpfl, sowie Susanne Saewert vom derzeitigen Bildungsausschuss. Hansjörg Telfser dankte dem Historiker Hans Heiss für seine Mitarbeit sowie allen Förderern: Landesabteilung Deutsche Kultur, Region Trentino-Südtirol, Bezirksgemeinschaft Vinschgau und Lasa Marmo GmbH. Unterstütz wurde die Vorstellung der Bücher, die mit übrigens mit seltenen und zum Teil bisher unveröffentlichten Fotos bestückt sind, von der Marmorplus Genossenschaft.

Josef Laner
Josef Laner

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