„Knapp am Scheideweg“
Naturns - Mit aktuellen wissenschaftlichen Daten zeigte der international anerkannte Gletscher- und Klimaforscher Georg Kaser am 27. September im Rahmen der Eröffnung der Austellung „Goodbye Glaciers - Der Rückzug der Gletscher“ im Naturparkhaus Texelgruppe auf, dass die Gletscher weltweit verschwinden, dass der Spiegel der Meere dadurch steigt und dass wir uns „knapp am Scheideweg befinden“. Zu spät sei es zwar noch nicht, aber wenn es nicht gelingt, die CO2-Emissionen einzuschränken und die globale Erderwärmung einzubremsen, „gerät alles außer Rand und Band.“ Es lasse sich wissenschaftlich eindeutig belegen, dass für die globale Erderwärmung in erster Linie der Mensch verantwortlich ist. Eingesetzt hat die vom Menschen verursachte Anreicherung der Erdatmosphäre mit Treibhausgasen, insbesondere Kohlenstoffdioxid, Hand in Hand mit Industrialisierung. Auch wenn es gelänge, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius bis zum Jahr 2100 gegenüber dem Niveau vor dem Beginn der Industrialisierung zu begrenzen, sei mit ernsthaften Auswirkungen zu rechnen. Bei einer 1,5-Grad-Erwärmung würde die weltweite Gletschermasse um fast die Hälfte abnehmen und die meisten Gletscher in den Alpen würden verschwinden. Bei einem 2-Grad-Ziel wären die Auswirkungen irreversibel. „Es ist höchste Zeit zum Handeln“, sagte Kaser. Hätte er sich nicht verpflichtet, in Naturns einen Vortrag zu halten, „wäre in heute in Bozen, um den vielen Menschen, vor allem den jungen Leuten, die sich am weltweiten Klimastreik ‚Fridays for Future’ beteiligen, den Rücken zu stärken.“ Wie sehr das menschliche Handeln, speziell in der Komfortzone der westlichen Welt, den Gletscherschwund und die Erwärmung beeinflusst, veranschaulichte Kaser mit einem Beispiel: „Wenn ich mit einem herkömmlichen Auto 5 Kilometer zurücklege, setze ich ein Kilogramm CO2 frei und ‚verschiebe’ damit 50 Kilogramm Eismasse.“ Georg Kaser ist Professor am Institut für Atmosphären- und Kryosphärenwissenschaften an der Universität Innsbruck. Er hat schon mehrfach am Sonderbericht des Weltklimarats (IPCC) mitgeschrieben, auch am aktuellen.