Bei seinem jüngsten Tandemflug nahm Markus Telser das Ruder, sprich die zwei Seile zum Lenken des Gleitschirms, selbst in die Hände.

„Hoch unter den Wolken“

Dieses Mal durfte Markus Telser den Schirm selbst lenken.

Publiziert in 37-38 / 2021 - Erschienen am 9. November 2021

Schluderns - Einen besonderen Wunsch erfüllte sich Markus Telser aus Schluderns 10 Tage vor seinem 55. Geburtstag, den er am 29. Oktober gefeiert hat. Wie es ist und was man fühlt, wenn man als Blinder mit einem Gleitschirm durch die Lüfte schwebt, durfte Markus schon mehrmals erleben. Der Flug, den er am 19. Oktober mit dem erfahrenen Tandempiloten Oswald „Ossi“ Gilg von Fly Hirzer unternahm, war zwar sein insgesamt 7. Tandemflug, „aber jeder Flug ist einmalig und einzigartig“, erzählt Markus dem der Vinschger. Sobald er in der Luft ist, „bin ich völlig weg. Ihr Sehenden könnt euch gar nicht vorstellen, was ich beim Fliegen empfinde. Die Hälfte meines Lebens habe ich als Blinder gelebt. Die Bilder, die ich als Sehender aufnahm, sind noch immer messerscharf in meinem Gedächtnis.“ Er wisse immer, wo er sich befinde, und er habe alles vor sich. Momentaufnahmen von damals: alles, was seit über einem Vierteljahrhundert neu dazu kam, kennt Markus nur vom Erzählen und Beschreiben. „Flachdächer zum Beispiel gab es in Schluderns damals so gut wie keine.“ Auch Schenna, Dorf Tirol, Meran und andere Gegenden sind in seinen Augen noch immer so, wie er sie vor Jahrzehnten zum letzten Mal gesehen hat. Was er beim vorerst letzten „Höhenflug“, der eigentlich für den 18. Oktober geplant war, aber wegen der ungünstigen Thermik auf den 19. Oktober verschoben werden wusste, erlebt hat, fasst Markus wie folgt zusammen: „Man kann keinen Flug mit dem anderen vergleichen. Eigentlich habe ich dieses Jahr nicht mehr daran gedacht, dass ich von der Jahreszeit her noch einmal einen Tandemflug machen kann. Es war der 18. Oktober, als ich auf Anregung eines Freundes kurzfristig beschlossen habe, doch noch einmal in die Lüfte zu gehen. Als wir an diesem Tag in Richtung Passeiertal starteten, war der Himmel strahlend blau und ich freute mich schon auf den Kick zu fliegen, auf Ossi, der mittlerweile zu meinem Privatpiloten geworden ist, und auf das Fly Hirzer Paragleiter-Team. Als wir uns jedoch kurz vor der Talstation der Hirzer Seilbahn befanden, bekam ich von Ossi einen Anruf, über den ich überhaupt nicht glücklich war. Er sagte, dass wir zurzeit nicht starten können, da es keinen Aufwind gibt. Wir beschlossen jedoch, dennoch mit der Seilbahn hochzufahren, im Restaurant zu Mittag zu essen und abzuwarten. Leider hat sich trotz längeren Wartens der Wind nicht gedreht. Die Vermutung hat sich bewahrheitet und wir konnten nicht starten. Am nächsten Tag versuchten wir es erneut und am 19. Oktober ging mein Wunsch, wieder in die Lüfte zu gehen, in Erfüllung. Der Himmel war zwar nicht mehr strahlend blau, dafür aber schien die Thermik zu passen. So traurig ich am Tag zuvor war, umso glücklicher war ich nach dem gelungenen Start, als ich mit Ossi über Schenna, Dorf Tirol und Meran schwebte. Dieses Mal hieß es jedoch nicht über den Wolken, sondern unter den Wolken. Ein ganz besonderer Moment an diesem Flug war die Frage von Ossi, ob ich Lust hätte, den Schirm selbst einmal nach links oder rechts zu lenken. Ich glaubte meinen Ohren nicht und fragte, ob er das ernst meine. Er gab mir beide Seile in die Hände und sagte, jetzt kann ich entscheiden, in welche Richtung es geht.“ Markus nahm Ossi beim Wort und nahm das Ruder selbst in die Hand. Nach einer gelungenen Landung sagte er zu Ossi: „Bis nächstes Jahr.“

Josef Laner
Josef Laner

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