Für den Zivilschutz
Neue Gruppe im oberen Vinschgau aktiv. „Der Wunsch etwas zu machen, war groß“.
VINSCHGAU - Eine verhängnisvolle Lawine in Taufers im Münstertal. Unwetter und Muren im Martelltal. Zahlreiche Menschen zu evakuieren. Ein Großschadensereignis mit zig Verletzten auf der Vinschger Staatsstraße. Der halbe Wald am Reschenpass in Flammen: Es sind Schreckensszenarien, die in dieser Form durchaus im Vinschgau vorkommen könnten oder auch schon vorgekommen sind. Weil Südtirols Zivilschutz beispielhaft funktioniert, stehen gleich zahlreiche Einsatzkräfte verschiedenster Rettungsorganisationen zur Verfügung und sind vor Ort. Um die Helferinnen und Helfer sowie die Bevölkerung vor Ort im Katastrophenfall zu versorgen, gibt es die Zivilschutzgruppen. „Unsere Hauptaufgabe ist es, die Einsatzkräfte zu unterstützen, d.h. für diese kochen, für trockene und saubere Kleidung zu sorgen, einen Schlafplatz organisieren und so weiter“, sagt der Schlanderser Stefan Öggl, der die neue Zivilschutzgruppe Prad leitet. Für die im Katastrophenfall zu evakuierende Bevölkerung Schlafgelegenheiten ausfindig zu machen, einzurichten und die Betroffenen mit dem Nötigsten zu versorgen, ist eine weiter wichtige Aufgabe des Zivilschutzes.
Bedarf ist da
In Südtirol gibt es elf Zivilschutzgruppen über das ganze Land verteilt. Um den westlichsten Teil Südtirols abzudecken, wurde schon des längeren angedacht eine Gruppe zu gründen. Um eine solche auf die Beine zu stellen wurden Anfang des Jahres Informationsabende abgehalten. Stefan Öggl hat dafür auch gezielt Personen gesucht. Mitte Februar war es schließlich soweit, eine neue Zivilschutzgruppe wurde gegründet. Sie umfasst mittlerweile fast 30 Personen und ist in Prad stationiert. Die Freiwilligen kommen aus dem Raum Latsch bis Reschen. Die bisher einzige Zivilschutzgruppe im Westen, die Gruppe Naturns, musste vorher das ganze Gebiet „versorgen“. Noch innerhalb Juli soll ein Gebäude für die Gruppe in Prad zur Verfügung gestellt werden. Die Gemeinden von Latsch bis Graun leisten hierzu einen Beitrag.
„Eine gute Mischung“
Sehr erfreut ist der neue Leiter über die Zusammensetzung der neuen Gruppe. Diese sei sehr ausgeglichen – es sind fast gleich viele Frauen wie Männer vertreten. Ebenso sind auch jüngere wie ältere Jahrgänge dabei. „Sehr wichtig ist es, dass auch die verschiedensten Fachbereiche/Berufssparten vertreten sind; dies ist der Fall und es ist sehr erfreulich und hilfreich“, erklärt Öggl. Die Gruppe sei in dieser kurzen Zeit schon sehr zusammen gewachsen und die bereits getätigten Einsätze haben reibungslos funktioniert. „Jeder einzelne gibt sein Bestes“. Darauf sei die Gruppe und der Leiter sehr stolz. Stefan Öggl ist mittlerweile in Pension. Er hat als Fernmeldetechniker des Landes intensiv mit den verschiedensten Rettungsorganisationen und dem Zivilschutz in Südtirol zusammengearbeitet. Bis 2021 war er Angestellter beim Landesfunkdienst in der Agentur für Bevölkerungsschutz und für die Zone West also Vinschgau, Burggrafenamt, Passeiertal, Ultental und Proveis, verantwortlich. „Die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Organisationen war stets optimal. Durch meine Arbeit habe ich zahlreiche kompetente Personen in diesem Bereich kennengelernt“, erklärt Öggl. Thomas Holzknecht, der Dienstleiter der Sektion Zivilschutz im Weißen Kreuz in Bozen, war es schließlich, der Öggl vorschlug, „zum freiwilligen Zivilschutz zu gehen“. Fortan arbeitete er aktiv bei der Zivilschutzgruppe Bozen als Freiwilliger mit. Als die Neugründung einer weiteren Zivilschutzgruppe für den Vinschgau auf dem Programm stand, war schnell klar, dass der Vinschger der richtige Mann für die Unterstützung bei Aufbau und Organisation sei.
Erfahrung im Erdbebengebiet
Öggl selbst war bei einem mehrwöchigen, dienstlichen Einsatz 2009 im Erdbebengebiet in Aquila. „Dort wurde der Wert der Freiwilligentätigkeit des Zivilschutzes mehr als deutlich. Ein Camp für über 1.000 Evakuierte wurde aufgebaut“, erinnert er sich. Die Menschen hatten bis auf ihre Kleidung nichts mehr. „Es waren dramatische Szenen“. Südtirols Zivilschützer sind nämlich auch außerhalb Südtirols im Einsatz. Sie werden z.B. vom nationalen Zivilschutz zur Unterstützung in einem Katastrophengebiet angefragt.
Im Ernstfall und bei „anderen Gegebenheiten“
Organisiert seien Südtirols Zivilschutzgruppen gut, die Absprache untereinander funktioniere ausgezeichnet, wie Öggl unterstreicht. Je nach Ressourcen stehen Einsatzkräfte aus allen Teilen des Landes bei Bedarf zur Verfügung, dabei wird auf die geografischen Gegebenheiten geachtet. „Natürlich wird bei einem Großeinsatz in Sulden eher unsere Zivilschutzgruppe in Sachen Koordination aktiv, Freiwillige aus anderen Zivilschutzgruppen werden je nach Bedarf hinzugezogen“, erklärt Öggl. Es gelte aber nicht nur im Ernstfall einzugreifen, sondern auch bei „anderen Gegebenheiten“. Kürzlich zum Beispiel war die Gruppe Prad als Unterstützung beim großen Landesfeuerwehrleistungsbewerb in Toblach vor Ort, um die Pusterer Kolleginnen und Kollegen bei der Abwicklung, wie der Bereitstellung des Essens zu unterstützen. Die Zivilschutzgruppe Prad zusammen mit Kollegen aus Bozen lieferte und montierte Container für das WK Sulden, da deren Stelle umgebaut wird. Bei der Segnung des Tanklöschfahrzeuges in Schluderns kümmerte sich die Gruppe um die Küche. „Beim 18. nationalen Treffen der Solidarität des ANPAS (Associazione Nazionale Pubbliche Assistenze) haben Mitglieder unserer Gruppe mitgeholfen ein Zivilschutz-Camp in Pisa aufzubauen. Auch beim 24 Stunden Aktionstag der Weiß-Kreuz-Jugend Prad und Obervinschgau war die Zivilschutzgruppe für die Bereitstellung des Essens verantwortlich“, zählt Öggl auf.
„Guter Start“ und viel zu tun
Man könne von einem „guten Start“ sprechen, es gebe aber künftig einiges zu tun, auch außerhalb der Einsätze. „Die Freiwilligen müssen sich gegenseitig sowie ihre „Ausrüstung“ (Containerküchen, Camp Equipment, Wasch-Container, Notstromaggregate usw.) kennen lernen. Durch Übungen zusammen mit anderen Zivilschutzgruppen und Rettungsorganisationen können wir viel dazu lernen. Beim Einsatz im Katastrophenfall oder auch bei sonstigen Einsätzen muss alles auf Anhieb passen. Wir müssen uns gegenseitig vertrauen können“, weiß Stefan Öggl.