Abschied mit Wehmut
Ghali Egger verlässt den Vinschgau und zieht nach Wien.
Schlanders - Nach jahrelanger Tätigkeit in der BASIS Vinschgau Venosta sowie bei der Bezirksgemeinschaft Vinschgau hat sich Ghali Egger entschieden, nach Wien zu ziehen.
der Vinschger: Frau Egger, viele bedauern, dass Sie den Vinschgau verlassen. Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Ghali Egger: Ich habe das innere Bedürfnis verspürt, etwas Neues auszuprobieren, mich auf eine Weise auch selbst neu zu finden und neue Türen aufzumachen. Hinzu kommt, dass ich auch noch einmal in einer größeren Stadt leben wollte, mit all den Möglichkeiten, den Einflüssen und den Klängen, die eine Stadt so mit sich bringt. Es war jedoch keineswegs eine Entscheidung, die ich leichten Herzens getroffen habe, denn ich habe mich wirklich sehr wohl gefühlt an beiden Arbeitsplätzen und im Vinschgau insgesamt. Es gibt vieles, das ich sehr vermissen werde. Alles, was ich hier lernen und erfahren durfte, und das ist wirklich ein reicher Schatz, werde ich mitnehmen.
Wann genau und wie kamen Sie seinerzeit nach Schlanders bzw. in die BASIS?
Es war im Winter 2020/2021, ich machte gerade ein Praktikum bei der Eurac und habe die BASIS noch nicht richtig gekannt. Ein Freund von mir, der zu dieser Zeit bei der BASIS arbeitete, hat mich auf eine offene Projektleitungsstelle aufmerksam gemacht, für die ich mich dann beworben habe. Im März 2021 habe ich dann begonnen und war begeistert und inspiriert von der neuen Welt, die sich mir eröffnete und natürlich auch von den Menschen in und um die BASIS.
Wie hat sich die BASIS in den vergangenen Jahren entwickelt?
Die BASIS hat sich in den letzten Jahren ganz wunderbar entwickelt. Im Gebäude (Palazzina Servizi) und auch in der Kreativwerkstatt (Palazzina Tagliamento) konnte vieles aufgebaut werden. Das Team, der Vorstand, die Nutzer/innen der Kreativwerkstatt und die freiwilligen Helfer/innen haben viel Herz, Energie und ehrenamtliche Zeit in die verschiedensten Bereiche gesteckt, von der Konzeptarbeit bis hin zur praktischen Umsetzung. Auch in den Bereichen der lokalen und internationalen Netzwerke und der Projektentwicklung konnte sehr vieles aufgebaut werden. Die Räume im Gebäude - der Coworking-Space, die Werkstatt, die Ideenspüle und das KASINO, um nur einige zu nennen - und auch in der Kreativwerkstatt, also die Ateliers und Werkstätten sowie die Kleidertauschkammer, haben weiter Form angenommen und sich zu sehr schönen, lebendigen Orten entwickelt. Die benötigte Ausstattung für all diese Räume wurde vielfach selbst gebaut, aus Materialien, die vor Ort gefunden wurden. Vor der BASIS wurde ein Garten angelegt, der bis in den Herbst hinein wunderbar blüht und es kam auch eine Bühne im Freien dazu. Es ist sehr schön zu sehen, wie das Haus sich stetig wandelt und entwickelt und gleichzeitig immer Platz lässt für Freiraum und dafür, die eigenen Ideen und Inspirationen einzubringen. Für mich ist das Gebäude ein Sammelsurium dessen, was jede und jeder eingebracht und gestaltet hat und in Zukunft noch einbringen wird.
Mit welchen Arbeiten waren Sie konkret befasst?
Zu Beginn hatte ich die Projektleitungsstelle des EU-Projekts VERDE inne, die den Aufbau einer Küche und eines Kreativstudios zum Inhalt hatte. Ab Winter 2022 habe ich mit einer Teilzeitstelle (50 Prozent) das Community Management übernommen und im Bereich der Projektentwicklung und des Projektmanagements mitgearbeitet. Ich hatte auch die Möglichkeit, Veranstaltungen zu organisieren und Erfahrungen im Kuratieren und in der Moderation zu sammeln.
Die BASIS ist vor allem ein Ort der Begegnung, ein Ort, wo unterschiedlichste Menschen zusammenkommen und einander vernetzen. Welche Veranstaltungen bzw. Events bleiben für Sie unvergesslich?
Eine Veranstaltung, die für mich unvergesslich bleibt, ist auf jeden Fall die kulinarische Weltreise, die wir gemeinsam mit der Caritas und dem Bildungsausschuss und Beirat für Chancengleichheit Prad organisiert haben. Es gab hierzu einen indischen Abend im „aquaprad“ und einen afrikanischen Abend in der BASIS, es war wirklich schön zu sehen, mit wie viel Einsatz und Liebe zum Detail die Menüs geplant und zubereitet wurden und wie viel Freude bei den Menschen aufgekommen ist, die die Veranstaltung besucht haben. Eine weitere unvergessliche Veranstaltung ist sicher auch die „Gmahnte Wies“, welche ich 2023 und 2024 in Zusammenarbeit mit dem Südtiroler Köchverband organisieren durfte. Was mir besonders in Erinnerung bleiben wird, sind natürlich die tollen Inhalte, es ist aber vor allem auch der Kontakt mit den Menschen, mit den lokalen Bäuerinnen und Bauern, mit den Köchinnen und Köchen, die alle mit sehr viel Leidenschaft, Herz und Einsatz ihrer Arbeit nachgehen. Es hat mich jedes Mal mit Freude erfüllt, wenn ich mitwirken konnte, Menschen zusammenzubringen.
Wie sehen Sie die Zukunft der BASIS, wenn in deren Nähe künftig Wohnraum entsteht?
Ich sehe das positiv. Die BASIS kann den künftigen Nachbarinnen und Nachbarn kulturelle Veranstaltungen in nächster Nähe bieten, ein Coworking, ein Repair Café und vieles mehr. Vor allem aber auch die gemeinschaftlich öffentlichen Räume und Flächen, die für alle zugänglich sind. Dazu zählen der Gemeinschaftsraum Salotto, die Freibereiche und der Garten, die als konsumfreie Orte viel Platz bieten für Begegnung und Austausch oder einfach zum Entspannen. Die BASIS auf der anderen Seite bekommt immer wieder Anfragen zu Unterkunftsmöglichkeiten im Rahmen von Konferenzen und Tagungen. Hier könnten sich gute Synergien ergeben, indem die Gruppen im entstehenden Wohnraum für die Dauer ihres Aufenthalts unterkommen. Ein wesentlicher Aspekt dabei ist auch der Erhalt eines Teils des Exerzierfeldes als Campus und Freiraum, der eine enge Beziehung mit der Freien Universität Bozen und anderen Universitäten im In- und Ausland fördert. All dies kann natürlich nicht entstehen, wenn rein privater Eigentumswohnraum bis direkt vor das Gebäude errichtet wird. Mit der Schaffung von zukunftsorientiertem Mietwohnraum hingegen, kann einen Raum bewahrt werden, der sowohl den Bedürfnissen der Bewohner/innen als auch der kreativen und akademischen Gemeinschaft gerecht wird. Letztlich kommt es immer darauf an, wie man es gestaltet und welche gemeinsamen Möglichkeiten man wahrnehmen möchte.
Was wünschen Sie dem BASIS-Team?
Dem Team der BASIS und allen, die mitwirken und unterstützen, wünsche ich, dass sie mit demselben Herz und Elan, mit derselben positiven Energie weiterarbeiten wie bisher. Durch den Einsatz von jedem und jeder einzelnen, durch das Zusammenwirken all der Fähigkeiten und Talente konnte bereits Unglaubliches geschaffen und ermöglicht werden. Ich bin sehr froh und dankbar, dass ich ein Teil dieses Teams sein konnte, dass ich einen so tollen Zusammenhalt und eine solch wunderbares Miteinander erleben durfte.
Welche Aufgaben hatten Sie bei der Bezirksgemeinschaft?
Bei der Bezirksgemeinschaft war ich für die Projekte im Nachhaltigkeitsbereich zuständig und somit Schnittstelle zwischen den Gemeinden und der Bezirksgemeinschaft und den Projektpartnern. Unter den Projekten, die ich begleiten durfte, waren zum Beispiel der Klimaplan Vinschgau, im Zuge dessen die Gemeinden von der Bezirksgemeinschaft unterstützt wurden, Klimateams zu gründen und ihre eigenen Klimapläne zu erstellen, und das Projekt „Blühender Vinschgau“, das gemeinsam mit den Bauhöfen umgesetzt wurde und zum Ziel hat, Blühstreifen mit mehrjährigen Blumen und Wildpflanzen in den Gemeinden anzulegen, ein Vorhaben, das auch weiterhin fortgeführt wird. Ich konnte mich auch hier in der Veranstaltungsorganisation ausprobieren, so haben wir u.a. Beratertage zum Thema Heizen, einen runden Tisch zum regionalen Saatgut, ein Netzwerktreffen der Klimateams und eine öffentliche Vorstellung des Projekts „Blühender Vinschgau“ organisiert.
Bei einer Diskussionsrunde zum Thema Klimaschutz und Klimawandel haben Sie einmal gesagt, dass wir nicht einem Öko-Pessimismus verfallen sollten. Was ist darunter zu verstehen?
Mit all dem, was derzeit auf der Welt geschieht, sprich Klimakrise, Umweltkatastrophen, Kriege und angespanntes politisches Klima, kann man leicht in einen Pessimismus verfallen. Es entsteht schnell das Gefühl, als Einzelperson nur wenig bewirken zu können und dass das eigene Handeln im größeren Kontext kaum spürbare Veränderungen mit sich bringt. Es gibt jedoch auch zahlreiche junge Menschen und Initiativen, die sich nicht von einem „Es geht nicht, weil...“ aufhalten lassen, sondern einen „Es geht, wenn...“-Ansatz verfolgen. Ein konkretes Beispiel dafür ist die Perspektivenfabrik, eine Südtiroler Initiative, die genau diesen Geist verkörpert. Ich glaube aber, dass alles, was wir machen, sei es im Kleinen oder Großen, uns ein Stück näher zu der Welt bringt, die wir uns wünschen. Natürlich geht das nicht von heute auf morgen, sondern es ist ein Weg mit vielen Abschnitten und Herausforderungen. Doch jedes Handeln, jede Initiative kann Kreise ziehen - wie ein Stein, der ins Wasser fällt. Und die Kreise erreichen Menschen auf die unterschiedlichste Weise und an den unterschiedlichsten Orten. Vieles kann man sich vorher gar nicht vorstellen und vieles wird man vielleicht nie erfahren, aber die Wirkung ist da.
Welche Aufgaben erwarten Sie in Wien?
Noch keine, denn ich muss mich erst nach einer Arbeit umsehen. Vor dem Arbeitsbeginn ist auch noch eine kurze Auszeit geplant.
Werden Sie wieder in den Vinschgau zurückkehren?
Ich werde auf jeden Fall wieder nach Südtirol zurückkehren, wann genau weiß ich noch nicht. Wenn sich eine Möglichkeit ergibt, komme ich natürlich auch sehr gerne wieder in den Vinschgau zurück.
