Bürgergenossenschaften: lokale Entwicklung und aktive Bürgerbeteiligung am Beispiel des Martelltals
Wenn es um das Anbieten von Dienstleistungen geht, möchten die Bürgerinnen und Bürger vor allem eines - sie kostengünstig und ohne viel Bürokratie in Anspruch nehmen. Die neue Form der Bürgergenossenschaften vereint dies vorteilhaft in sich, da die örtliche Gemeinschaft sowohl Träger als auch Empfänger der Leistungen ist. Der Raiffeisenverband Südtirol hat die Bürgergenossenschaft Martell 3B im Martelltal bei Gründung und Ums
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Das Genossenschaftswesen hat im Martelltal Tradition. So gingen der Bürgergenossenschaft eine Sportgenossenschaft und später eine Regionalgenossenschaft voraus: „Doch eine Fülle von Angeboten einzubeziehen, auch sozialer Natur, dafür ist die Bürgergenossenschaft genau die richtige Genossenschaftsform“, resümiert Heidi Gamper, Vizebürgermeisterin der Gemeinde Martell. Sie war auch im Vorstand der Regionalentwicklungsgenossenschaft als stellvertretende Obfrau tätig und von Anfang an von den Vorteilen einer Bürgergenossenschaft für Martell überzeugt.
Das Ziel hinter der Gründung einer Bürgergenossenschaft? Der Abwanderung aus den ländlichen Gebieten entgegenzuwirken, leistbares Wohnen voranzutreiben, die Nahversorgung zu sichern und auch eine landwirtschaftliche Direktvermarktung zu organisieren und auch andere Bedürfnisse der örtlichen Gemeinschaft zu erfüllen. All dies vermag eine Bürgergenossenschaft, auch und vor allem unter Einbezug sozialer Themen.
„Martell als Streusiedlung mit seinen 850 Einwohnerinnen und Einwohnern ist sehr klein, weswegen es gilt, eine Vielzahl an Leistungen unter einem gemeinsamen Dach zum Wohle der Allgemeinheit zu erbringen“, so der Obmann Alexander Mair. „Wenn jeder für sich agiert, so bringt uns dies als Gemeinschaft nicht weiter.“ Gerade deshalb gilt es, die Bevölkerung bei der Weiterentwicklung der Dienstleistungen der Bürgergenossenschaft immer wieder abzuholen und einzubinden.
„Wir in Martell sehen beispielsweise den Bedarf an der Erbringung einer Vielzahl an Leistungen, aber oftmals nur saisonal oder die nur wenige Stunden erforderlich sind“, erläutert Heidi Gamper. „Die Bürgergemeinschaft ermöglicht es, Personen ganzjährig für verschiedene Aufgabenbereiche zu beschäftigen, was für uns und die Beschäftigten große Vorteile bringt." So können Dienste für das Elektrizitätswerk der Gemeinde ebenso abgedeckt werden wie für das Biathlonzentrum. Auch das Selbstversorgerhaus, welches vom Jugenddienst Mittelvinschgau geführt wird, wird von der Bürgergenossenschaft beim Hausmeisterdienst unterstützt. Seit kurzem bietet die Bürgergenossenschaft auch Reinigungsdienste an, womit weitere Arbeitsplätze vor Ort geschaffen werden. „Im Frühjahr soll die Bürgergenossenschaft weitere Verstärkung bekommen, eine zusätzliche Stelle soll sich um Projektentwicklung kümmern und gemeinsam mit engagierten Menschen unseres Tales Bewährtes weiterentwickeln und auch neue Dinge anstoßen", erklärt Heidi Gamper.
„Die Form der Genossenschaft hat uns in Martell seit jeher eingeleuchtet, bestätigt Obmann Alexander Mair. „Uns geht es darum, die integrierte wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung unseres Tales zu fördern.“
Der Raiffeisenverband Südtirol umfasst 355 Mitgliedsgenossenschaften aus den Bereichen Energie und Wasser, Landwirtschaft, Soziales und Non Profit, Finanzen, Konsum und Dienstleistungen. Die gesetzlich nunmehr definierten Voraussetzungen erleichtern die Gründung von Bürgergenossenschaften. Und da Innovationscharakter oder eine besondere soziale Bedeutung im Lichte künftiger Förderungen wichtig sein werden, hat es sich der Raiffeisenverband zur Aufgabe gemacht, dezidiert Beratungen für die Gründung anzubieten.
Interessiert an der Gründung einer Bürgergenossenschaft? Dann wenden Sie sich gerne an startup@raiffeisenverband.it bzw. telefonisch an Tel. 0471 – 945111. Der Raiffeisenverband berät und unterstützt Sie gerne, auch bei der Anerkennung einer bereits bestehenden Genossenschaft als Bürgergenossenschaft.
Zudem wird das Kompetenzzentrum für das Management von Genossenschaften an der Freien Universität Bozen Ende März eine Infoveranstaltung diesbezüglich organisieren.
Bürgergenossenschaften: Ausdruck des Gemeinwohls
3 Fragen an Christian Tanner, Vizedirektor des Raiffeisenverbandes Südtirol
Herr Tanner, was macht eine Bürgergenossenschaft ganz konkret aus?
Diese Genossenschaftsform wirkt in einem klar umrissenen Tätigkeitsgebiet und damit für eine definierte Gemeinschaft. Inhaltlich kann sie sich um die Revitalisierung eines vernachlässigten Stadtteils ebenso kümmern wie um die landwirtschaftliche Direktvermarktung.
Welche Rolle spielt dabei der lokale Bezug?
Durch den lokalen Bezug ist die örtliche Gemeinschaft sowohl Träger als auch Empfänger der Leistungen. Es geht demnach um eine lokale Entwicklung und aktive Bürgerbeteiligung.
Worin liegt die Stärke einer Bürgergenossenschaft?
Für mich liegt sie eindeutig im „gemeinsamen Handeln“, aus welchem eine positive Stärkung des Gemeinschaftsgefühls als auch soziale Inklusion entsteht. Voraussetzung für die Gründung einer Bürgergenossenschaft sind mindestens 9 Mitglieder, von denen 40% ihren Wohnsitz im Bezugsgebiet haben müssen.