Anerkennung, Vernetzung und Förderung der Nacht- und Subkultur in Südtirol

Anerkennung, Vernetzung und Förderung der Nacht- und Subkultur in Südtirol

Die Berliner Techno- und Clubkultur wurde 2024 ins Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes der Unesco aufgenommen und ist nun offiziell Teil der Vielfalt des kulturellen Lebens in Deutschland – diese Nachricht machte auch außerhalb der deut- schen Hauptstadt Furore.

- Südtirol hat, was Nacht- und Clubkultur betrifft, Auf- holbedarf. Die Nachfrage besteht, viele junge und jung gebliebene Südtiroler:innen kennen das Ange- bot jenseits des Brenners und südlich von Salurn und sehnen sich nach einem Hauch von Berlin, Wien und Mailand auch innerhalb der Landesgren- zen. Das will nicht heißen, dass es hierzulande still ist – gelungene Projekte wie die Basis Vinschgau in Schlanders, der Ost West Club Est Ovest in Meran oder das Astra in Brixen bieten ein breit ge- fächertes Kulturprogramm, manchmal auch bis in die späten Nachtstunden. Gemeinsam mit vier füh- renden europäischen Nachtkultur-Initiativen (Vibe- lab in Amsterdam, die belgische Club-Institution FUSE, ein Kulturzentrum in Riga und eine schwe- dische Kulturstrategie- und Produktionsagentur) ist die Basis Vinschgau Teil des EU-finanzierten Pro- gramms „NightSchool“, das aufstrebende Kreative im Nachtleben auf ihrem Weg unterstützt – und lud am 8. Juni 2024 zu einem Austauschtreffen mit Vorträgen, Diskussionen und der konkreten Mög- lichkeit des Ideenaustausches und der Inspiration.

Doch was bedeutet Nachtkultur, Subkultur, junge Kultur? Nachtkultur bezieht sich auf die Vielfalt an Aktivitäten, die nachSonnenuntergang stattfinden, wie das Ausgehen in Clubs, Bars, Konzerte und Festivals.  Dadurch  werden  lebendige  Begegnungsräume geschafft und die lokale Wirtschaft gefördert. Subkultur steht für Gruppen mit eigenen Normen, Werten und Interessen, die sich oft vom sogenannten Mainstream unterscheiden. Subkul- turen fördern Innovation und Vielfalt und bieten Mit- gliedern eine Identitäts- und Gemeinschaftsquelle. Junge Kultur ist geprägt durch die Ausdrucksfor- men und Aktivitäten junger Menschen, die ihre ak- tuellen Lebensgefühle und sozialen Trends wider- spiegeln, oft in Musik, Mode und Kunst.

Ein gesundes Nacht- und Kulturleben ist für eine Gesellschaft und für ein lebendiges Südtirol wichtig aufgrund verschiedener Faktoren.

Wirtschaft: Die freie Nachtkultur ist ein wichtiger Teil der Kultur- und Kreativwirtschaft und generiert Umsatz und Bruttowertschöpfung. Außerdem wer- den attraktive Arbeitsplätze, vor allem im Kreativ- sektor, geschaffen. Die Lebensqualität und Attrak- tivität einer Stadt oder einer Region wird durch eine lebendige Nachtkultur erhöht; junge Menschen le- ben gerne dort und werden davon angezogen. Südtirols Universitätsstädte werden dadurch für Student:innen von außerhalb attraktiver.

Soziales: Räume für Begegnung und Austausch stärken den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Nachtkultur bietet einen Raum, in dem Menschen unterschiedlicher Hintergründe, Kulturen und Le- bensstile zusammenkommen können. Dies fördert die soziale Integration und das Verständnis für Viel- falt.

Kultur: Nachtkultur fördert die Vielfalt und kreative Entfaltung junger Menschen. Die Nachtkultur kann dabei Plattform für politischen und sozialen Dialog sein, in dem gesellschaftliche Themen und Heraus- forderungen diskutiert und angegangen werden.

Mentale Gesundheit: Nachtkultur ist insbeson- dere für junge Menschen ein Ventil für Entspan- nung und Freizeitgestaltung und trägt zur allgemei- nen Lebensqualität bei. Sie bietet Menschen die Möglichkeit, ihre Interessen und Leidenschaften zu verfolgen, neue Erfahrungen zu sammeln und per- sönliche Fähigkeiten zu entwickeln und sich zu ent-falten.

Bildung: Nacht- und Subkultur schafft alternative Bildungsräume und Angebote für niederschwellige Weiterbildung im Kreativsektor und Kultursektor.

Durch Konzerte, Ausstellungen, Performances und andere kulturelle Veranstaltungen, die nachts statt- finden, werden kulturelle Ausdrucksformen geför- dert und ein Austausch zwischen verschiedenen Kunst- und Kulturformen ermöglicht.

Sicherheit: Kulturräume sind belebte Räume und sorgen im öffentlichen Raum für Wiedergewinnung von sogenannten Nichträumen (z. B. Marconi Park durch den Countryclub Ost West Club Est Ovest). Durch die Bereitstellung von sinnvollen Freizeitak- tivitäten kann die Nachtkultur dazu beitragen, Ju- gendliche von riskanten Verhaltensweisen wie Dro- genkonsum oder Kriminalität abzuhalten. Für El- tern ist das besonders wichtig, wenn sie wissen, dass ihre Kinder in sicheren Räumen unterwegs sind.

In Südtirol stellt die Förderung von Nacht- und Ju- gendkultur eine relativ neue Priorität dar, deren Be- wusstsein erst in den letzten Jahren gewachsen ist. Ausschlaggebend sind dabei die jüngeren Genera- tionen, die international studieren und arbeiten und so gewonnene Erfahrungen mit nach Südtirol brin- gen. Trotz der steigenden Bedeutung dieser Kultur- formen ist der politische und wirtschaftliche Stellen- wert des Sektors noch unterrepräsentiert.

Ein Blick in die Nachbarprovinz: Im Juni 2021 wurde die Trientner Stadträtin Giulia Casonato zur ersten Nachtbürgermeisterin ernannt. Ihre Aufgabe ist es, zwischen den Bedürfnissen von Anwoh- ner*innen, Jugendlichen, Eventveranstalter:innen und Lokalberteiber:innen zu vermitteln und innova- tive Lösungen für die Stadt zu entwickeln. In ande- ren Ländern ist die Figur der:s Nachtbürgermeis- ter:in altbewährt. Erstmals im Jahr 2003 führte Amsterdam das Nachtbürgermeisteramt ein, heute gibt es die Figur in unzähligen Städten in Europa.

Südtirol muss sich nun die Frage stellen, was un- serer Gesellschaft das Nachleben und junge Men- schen wert sind. Die Herausforderung liegt darin, den kulturellen und sozialen Wert der Nacht- und Subkultur zu erkennen und konkrete politische und finanzielle Unterstützung umzusetzen. Es geht da- rum, ein florierendes Umfeld zu schaffen, das Kre- ativität, soziale Interaktion und kulturelle Entwick- lung fördert. Denn Nacht-, Club- und Subkultur schaffen Orte der sozialen und kulturellen Vielfalt – ein Melting Pot verschiedenster Identitäten, Profes- sionen, Disziplinen, Kunst- und Kreativformen. Dadurch entstehen wichtige gesellschaftliche Begegnungsräume, in denen Werte und Wissen vermittelt und Vorurteile abgebaut werden können. Deswegen sind diese Orte insbesondere auch zu fördern. Denn die daraus entstehenden Begegnun- gen, der Austausch und das gegenseitige Ver- ständnis bereichern das soziale und kulturelle Le- ben einer Gemeinschaft.

Daher beauftragt der Landtag die Südtiroler Landesregierung,

  1. Die Nacht- und Subkultur als bedeutenden sozi- alen und kulturellen Faktor von Landesinteresse anzuerkennen und innerhalb 2025 unter Einbin- dung diverser Akteure einen Nachtkulturplan mit entsprechenden Handlungsempfehlungen zu erarbeiten,
  2. Das Konzept für einer zentralen Koordinierungs- stelle zu prüfen und gegebenenfalls zu entwickeln, welche zwischen Vertreter:innen der Nachtkultur, der Verwaltung, der Politik, der Zivilgesellschaft und anderen relevanten Akteur:innen vermittelt.

gez. Landtagsabgeordnete
Zeno Oberkofler
Brigitte Foppa
Madeleine Rohrer

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