Bernhard Spechtenhauser im Gespräch mit der Bolivianerin Lilian, die zurzeit in Lüsen arbeitet und im Januar 2008 in ihre Heimat zurückkehren wird.

„Fernando, der Schuhputzer, hat mich nachhaltig berührt“

Publiziert in 39 / 2007 - Erschienen am 7. November 2007
Laas/Allitz – Bernhard ­Spechtenhauser aus Allitz bei Laas ist Primar der chirurgischen Abteilung am Bezirkskrankenhaus Kufstein. Auf Einladung des Laaser Pfarrgemeinderates berichtete er kürzlich über berührende Erlebnisse in Bolivien, über seine dortige Tätigkeit als Arzt und über Hilfsprojekte, die er gemeinsam mit Sr. Gundelinde vom Dominikanerorden durchführt. Den vorausgehende Gottesdienst in der Pfarrkirche von Laas stellte der Laaser Pfarrer Artur Werth unter das Motto: Zueinander Brücken schlagen: Laas-­Bolivien. Der Zufall wollte es, dass ­Bernhard Spechtenhauser vor einigen Jahren eingeladen wurde, mit einer kleinen Reisegruppe nach Bolivien zu fahren. „Ich wollte das Land aber nicht als Tourist besuchen, sondern in einem Krankenhaus etwas über die dortige medizinische Versorgung erfahren.“ In einem Krankenhaus in Santa Cruz konnte er die dortigen Verhältnisse kennen lernen, selbst Hand anlegen und sogar größere Operationen durchführen. „Die für uns undenkbaren Voraussetzungen im Operationssaal und im gesamten Krankenhaus haben mich sehr beeindruckt und auch zufrieden gemacht.“ Seither verbringt Bernhard ­Spechtenhauser jedes Jahr einen Teil seiner Urlaubszeit in Bolivien und arbeitet als Chirurg in einem Krankenhaus in Santa Cruz. Viele Menschen dort können sich die erforderlichen ärztlichen Behandlungen nicht leisten. Eine Kranken­versicherung gibt es für die arme Bevölkerung nicht. Gemeinsam mit bolivianischen Ansprechpartnern entstand das Projekt „brillos“. „Brillos“ steht für „Glänzer“ und das bedeutet Schuhputzer, wobei Schuhputzer negativ behaftet ist. Bernhard­ ­Spechtenhauser: „Eine Geschichte auf der ‚plaza’ von Cocha­bamba hat mich beim ersten Aufenthalt nachhaltig berührt und daraus ist dann auch die Idee für das Projekt ‚brillos’ entstanden. Einer der unzähligen Schuhputzer hatte mir die Schuhe gereinigt. Beim näheren Hinsehen ist mir ein juckender Hautausschlag an seinen Armen und Händen aufgefallen. Ich gab ihm das Geld für den Kauf der entsprechenden Medikamente, obwohl ich vermutete, dass er es für etwas anderes ausgeben würde. Dem war nicht so. ­Einige Tage später traf ich ihn wieder mit seiner Gruppe auf dem Hauptplatz. Er wollte mir das Restgeld zurückgeben.“ Bernhard Spechtenhauser und Sr. Gundelinde als gewissenhafte Verwalterin vor Ort, versuchen, süchtige, obdachlose, aus verheerenden Verhält­nissen stammende, missbrauchte Kinder und Jugendliche aufzu­fangen, sie mit Essen, Kleidung und Arbeitsmaterial zu versorgen, ihnen den Schulbesuch zu ermöglichen, den Einstieg in das Berufsleben zu erleichtern und nicht zuletzt eine medizinische und psychische Betreuung aufzubauen. „Zurzeit wird in Comarapa eine Kindertagesstätte für etwa 60 Kinder gebaut. Ich werde im November erneut mit Sr. Gundelinde zusammentreffen und mich über den Stand der Dinge erkundigen.“ Für das Krankenhaus in Santa Cruz konnte mit der Spende eines österreichischen ­Patienten (10.000 Euro) ein Ultraschallgerät angeschafft werden. Geplant ist die Anschaffung einer Krankenhauseinrichtung in Comarapa und vieles andere mehr. Familien werden auch über Patenschaften unterstützt. Freiwillige katholische ­Schwestern betreuen diese vor Ort und garantieren, dass das Geld seiner Bestimmung zugeführt wird. Die Politik in Bolivien ist extrem korrupt. Eine Mehrheit lebt in sehr dürftigen Verhältnissen, eine Minderheit hat fast alles. Die kinderreichen Familien wohnen in der Regel in ein oder zwei Räumen, die aus Lehm und Stroh gebaut sind. Die Lebenserwartung der Bevölkerung, vor allem außerhalb der Städte, ist gering. Der Einsatz von Bernhard Spechtenhauser ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Die beglückenden Erlebnisse, die strahlenden Augen der Straßenkinder, die er immer wieder zum Leuchten bringt, bestärken ihn in seinem weiteren Einsatz. Spenden für diesen ­Solidareinsatz nimmt der ­Pfarrer von Laas entgegen. Curriculum vitae Bernhard Spechtenhauser Jahrgang 1962 Grundschule in Allitz Mittelschule und Hum. ­Lyzeum in Dorf Tirol Medizinstudium an der Universität Innsbruck Staatsprüfung in Bologna Tätigkeit als Assistenzarzt in Schlanders, Innichen, Kufstein und Innsbruck; 1995 bis 2003 Oberarzt an der Chir.Klinik Innsbruck, Allgemein- und Transplantationschirurgie bei Prof. Margreiter; Seit März 2004 Leiter der Chirurgischen Abteilung des Bezirkskrankenhauses Kufstein (60 Betten, 17 ärztliche Mit­arbeiter) Bolivien In Bolivien wohnen rund 9 Millionen Menschen unter korrupten politischen Verhältnissen. Die Bevölkerung lebt vornehmlich vom Kartoffel- und Maisanbau. Industrie gibt es keine. Die kinderreichen Familien leben vielfach in einem einzigen Raum aus Lehm und Stroh. Seit vielen Jahren wird versucht, eine Demokratie aufzubauen, die Hoffnung auf ein Gelingen ist gering. Der Regierungssitz ist La Paz, die Hauptstadt Sucre. Bolivien ist etwa drei Mal so groß wie Deutschland. 95 Prozent der Bevölkerung ist katholisch.
Hermann Schönthaler

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