Stammtisch der Neuen Bürgerliste mit den Referenten Hartmann Nischler und Hanspeter Staffler, den Besuchern: Ex-Bürgermeister Albert Gögele, Frau Sonja, Johannes Tappeiner, Max Sparber, Monika Pföstl, Jutta Pedri, Heinz Tappeiner; (in Rückenansicht von ganz links) Erich Pedri, Benjamin Schupfer, Johanna Laimer, Sigmund Kripp, Erika Schönweger; Tobias Nischler, Christian Leiter und Mathias Fleischmann; (letzte Reihe v.l.) Barbara Ganterer, Christine Schönweger und Waltraud Nardelli, beide Bildungsausschuss.
Hanspeter Staffler
Hartmut Nischler

„Warum sind wir so autonarrisch?“

Nicht nur Töller und Rablander wollen mehr Bewegung in den Köpfen und weniger auf der Straße.

Publiziert in 14 / 2022 - Erschienen am 3. August 2022

Partschins - Die Neue Bürgerliste Partschins Rabland Töll suchte neue Sichtweisen auf die unendliche Geschichte „Umfahrung Rabland“. Dazu wurde in der Lido-Bar ein Stammtisch dem Thema „Verkehr“ gewidmet. Der Auftakt war dramatisch: Es blitze und donnerte. In seiner Funktion als Mesner eilte Bürgermeister Luis Forcher zum Wetterläuten. Unbeirrt begrüßte Monika Pföstl, Bürgerliste (BL), als Referenten den Landtagsabgeordneten der Grünen, Hanspeter Staffler, und den Gemeindereferenten Hartmut Nischler. Dem Publikum empfahl sie, sich nicht in die Haare zu geraten. Staffler kam nach kurzer Einleitung auf das Umfahrungsprojekt der Gemeinden Algund, Marling, Partschins zu sprechen und landete beim berühmten Sager von Professor Knoflacher (um 1990): Wer Straßen baut, wird Verkehr ernten. Da in Südtirol „jeder Führerschein ein Auto habe“, sollte man sich fragen, „warum wir so autonarrisch sind und warum wir es im Vinschgau weiterhin so haben wollen“. Staffler nannte 15.000 Autos – festgestellt im Jahre 2002 – und 17.000 im Jahr 2018 an der Zählstelle auf der Töll. Und das Problem verschiebe sich. Mit jeder Umfahrung werde der Verkehr zur nächsten Engstelle weitergeschoben. „Die Lösung des einen ist das Problem des anderen.“ Ganz zu schweigen vom unglaublichen Ressourcenverbrauch durch das Auto. „Man stelle sich vor: Es brauche zwei Tonnen, um eine Person mit 70 kg zu bewegen. „Wir müssen eine Mobilitätswende herbeiführen und keine Antriebswende.“ Hartmut Nischler hatte die undankbare Aufgabe, auf die unzähligen Besprechungen, die vielen Sitzungen, Bürgerversammlungen mit Vorstellung der gerade aktuellsten Variante, auf die Klausurtagung und auf die Gründung einer Bürgerinitiative einzugehen und trotzdem von den Bürgern hören zu müssen „Ihr habt nichts getan“ oder von Politikern und Beamten „Ihr in Partschins wisst nicht, was ihr wollt.“ Die Diskussion eröffnete Benjamin Schupfer mit der Frage an Staffler, wie ähnliche Regionen mit ähnlichen Problemen umgehen. 

Das Problem der letzten Meile

Staffler brach eine Lanze für den gut ausgebauten öffentlichen Verkehr in Südtirol und sprach von der „fehlenden letzten Meile“. Man brauche das Auto, um in die Dörfer zu kommen. Es sei eben viel Geld in den Straßenbau geflossen. Es folgte die Wortmeldung von Erich Pedri: „Das sind alles fromme Wünsche. Wir müssen eine Umfahrung erreichen, die uns Rablandern gut tut. Wie liegen an der Staatsstraße und nicht in einem Gadertaler Seitental.“ Applaus und kurzes Wortgeplänkel zwischen Erich Pedri, Hartmut Nischler und Hanspeter Staffler. Dass man Mobilität fälschlich mit Verkehr gleichsetze, sei fatal, meinte Sigmund Kripp. Wir sind es, die Verkehr machen. Daher sei der Satz von Knoflacher zu ergänzen: „Strukturen schaffen Verkehr. Wenn ich statt Straßen und Brücken Busse und Bahnen schaffe, schaffe ich Bus- und Bahnfahrer.“ Es sei skandalös, dass der Zug die Töll nicht passieren könne und die Landesregierung sich für ohnmächtig erklärt. Unvorstellbar, wenn die Straße für ein Jahr an der Töll geschlossen wäre. Das mit dem Zug nehme man so hin. „Aber bei der Straße… Da möchte ich den Moriggl (Hans) oben hören.“. Kripps letztes Argument brachte die 22 Besucher zum Nachdenken. Gnädig habe die Regierung einen Nachlass von 30 Cent pro Liter Treibstoff gewährt. Jährlich würden in Südtirol 400 Millionen Liter getankt. Mal 30 Cent wären es 120 Millionen Euro. „Könnten wir das nicht in die Bahn investieren?“, fragte sich der ehemalige, „grüne“ Gemeinderat. „Wir unterstützen die Autofahrer und wir leiden durch die Autofahrer. Wir investieren falsch.“ Jutta Pedri, Bürgerliste, fragte, was man tun könnte, damit die Politiker zuhören. Es hörte sich an wie der Aufruf zu einem Marsch nach Bozen. Staffler warnte: „Bis die Umfahrung gebaut ist, ist das Mobilitätsverhalten ein anderes. Die Umfahrung wäre eine Kathedrale in der Wüste. Christian Leiter, Freiheitliche, machte sich keine Illusionen: Ohne Tourismus keine Mittel, eine Umfahrung zu bauen. Auch die Bahn sei in einigen Jahrzehnten überholt und zu teuer. Max Sparber, BL, erinnerte an kleinere Maßnahmen. Es würden Busfahrer fehlen und bedauerte, auswärts einkaufen zu müssen. Barbara Ganterer, Pfarrgemeinderat, sprach die Belastung durch Kleintransporter an und rief zum Zusammenhalt auf. Sie zeigte sich enttäuscht, dass man nicht in den schönen Geschäften von Partschins einkaufe. Damit seien diese dem Untergang geweiht. 

Es muss teurer werden

„Man muss Autos reduzieren und sie nicht verlegen.“ In erster Linie müsse es teurer werden, stellte Kripp fest. Der Ausdruck „Straßenblockade“ fiel. Der ehemalige Freiheitliche Gemeinderat Mathias Fleischmann warf in den Raum, das Dorf Rabland brauche eine Umfahrung. Man habe die Sarner Berge und das Eggental umgegraben, den Verkehr habe man aber hier. Staffler versuchte abzukühlen: „Die Situation ist untragbar, aber auf dieses Projekt zu setzen bedeutet, dass es die meisten hier nicht erleben würden.“ Hanni Laimer, Heimatpflegeverein, holte weit aus, hielt die Ausführungen von Staffler für zukunftsfähig und sprach von kapitalen Fehlern, wenn wir alles erschließen und Kubaturen planlos verschieben. „Wir müssen bei uns und im Kleinen anfangen.“ Jutta Pedri, BL, erinnerte an die Verkehrskommission der Gemeinde, die zu selten tage. Ein verkehrsgeplagtes Dorf kämpfe schlichtweg um Lebensqualität. Nie mehr dürfe ein Umfahrungsprojekt die Bürger gegeneinander aufbringen. Mathias Fleischmann wandte sich direkt an Staffler: „Bringen Sie uns einen Lösungsvorschlag!“ Der: „Ich bin kein Ingenieur, ich kann nur auf den Zug setzen, der hat ungeheures Potential.“ Es begann mehrseitig ein Rechnen: In der heutigen Situation würden an die 5.000 Autos mehr fahren. Wenn er bis Meran fahre, wären es 8.000 Autos, die nicht zirkulieren würden. Die könnte man von den 17.000 festgestellten Fahrzeugen abziehen, erinnerte Hartmann Nischler. Heinz und Maria Luise Tappeiner beharrten: „Es gibt keine andere Lösung als die Umfahrung.“ Mathias Fleischmann äußerte Zweifel, dass der Mobilitätslandesrat Alfreider wisse, wie sein Ressort funktioniere. Fleischmann sprach von einem „Bus-Stau“ in Partschins und wie man mit leeren Bussen zu Kilometerzuschlägen komme, die das Land bezahle. Er beklagte die Interesselosigkeit der Partschinser am Thema „Sonst wäre hier gerammelt voll“. Eine schnelle Umfrage erbrachte positive Eindrücke zum Stammtisch. Ein Teilnehmer meinte: „Mir ist es gut gegangen. Mit Ausnahme von Staffler und Kripp waren alle für die Umfahrung.“

Günther Schöpf
Günther Schöpf
Vinschger Sonderausgabe

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