Vom Nachdenken zum neu Denken
Ende und Neubeginn: die Churburger Wirtschaftsgespräche in neuer Version
Schluderns - Das „Center for Advanced Studies“, das Zentrum für erweiterte Studien der Europäischen Akademie (EURAC research) hat das Nachdenken in Bozen mit der Tagung „Wachstum neu denken“ angestoßen und im Kulturhaus von Schluderns als Version 2.0 der „Churburger Wirtschaftsgespräche“ fortgesetzt. Die „Zugbrücke“ in den Vinschgau – ein häufiges Bild von Universitätsprofessor und Tagungsleiter Harald Pechlaner – ergab das Gründer- und Innovationszentrum „BASIS Vinschgau Venosta“, angesiedelt auf dem Kasernenareal in Schlanders. EURAC und BASIS möchten die Ursprungsidee der von Johannes Graf Trapp ins Leben gerufenen Wirtschaftsgespräche aufnehmen. „Die Gespräche“ sollen auch ohne das mittelalterliche Flair der Churburg „Impulsgeber“ für die Region bleiben. Mit dem Thema, Wachstum neu zu denken, bekamen die „1. Wirtschaftsgespräche 2.0“ eine globale Bedeutung. Durch die Verlagerung von Bozen nach Schluderns werten sie den abwanderungsgefährdeten Vinschgau weiterhin auf. „Wir versuchen mit der Tagung und mit BASIS Vinschgau den Oberen und Unteren Vinschgau zu verknüpfen und gleichzeitig junge Menschen, die Wirtschafter von Morgen, anzusprechen“, meinte Pechlaner. Für die BASIS eröffnete deren Projektleiter Hannes Götsch die Tagung. Er sprach von einem „Paradigmenwechsel“, der derzeit „passiere“ und auf dem wir mit veralteten Mitteln reagieren. Als gastgebender Bürgermeister begrüßte Peter Paul Trafoier Referenten und Ehrengäste darunter den Landeshauptmann Arno Kompatscher und den Landtagsabgeordneten Hanspeter Staffler. Er dankte Graf Trapp für „33 Jahre Churburger Wirtschaftsgespräche“. Der Landeshauptmann unterstrich die Bedeutung der Wirtschaftsgespräche, die „an uns Landespolitiker nicht vorbeigehen sollten“, teilte mit, dass sich Südtirol die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der UNO zu eigen gemacht habe und rief dazu auf, die neuen Zeiten mutig anzugehen. Auf die Churburger Wirtschaftsgespräche seit 1986 blickte Freiherr Carl Philipp von Hohenbühel zurück. Der Präsident des Südtiroler Burgeninstituts betonte die weitsichtige „Privatinitiative“ von Johannes Graf Trapp, auf die erst nach Jahren das EU-Programm zur Regionalentwicklung Leader folgte. Als Anerkennung überreichte von Hohenbühel die Ehrenurkunde des Burgeninstituts. Tagungsleiter Pechlaner schloss sich mit der Ehrenurkunde der EURAC dem musikalischen Applaus des Blasmusikquintetts der Musikkapelle Schluderns an. „Eine halbe Stunde gehuldigt zu werden, ist zu viel“, meinte Graf Trapp. Die Urkunde gebühre dem Gremium, von dem der Ideenreichtum der letzten 33 Jahre gekommen sei. Es folgte das Hauptreferat „Wachstum neu denken: Wirtschaften und leben jenseits des Wachstumszwangs“ mit André Reichel, Professor an der „International School of Management“ in Stuttgart und von Pechlaner „als einer der zentralen Vordenker für betriebswirtschaftliche Perspektiven auf die Postwachstumsökonomie“ vorgestellt. Als Nachhaltigkeitsforscher – so Reichel – stehe man vor so großen Herausforderungen, dass man sich als Wissenschaftler in die Praxis begeben müsse, sozusagen von den „Wissenschaften zu den Machenschaften“. Reichel bewies, dass es kritische Sichtweisen auf das Wirtschaftswachstum schon im 19. Jahrhundert gegeben hat. Es wurden Graphiken eingeblendet, die an alarmierender Eindringlichkeit nichts zu wünschen übrig ließen. Er sprach vom Wachstumsbremser „Ungleichheit“ und nannte das Postwachstum nur dann eine Alternative und Chance, wenn Produktion und Konsum aktiv reduziert werden. Reichel sprach eine Fülle von Aspekten an, die Tagungsleiter Pechlaner zum Thema „Der Vinschgau als zukünftige Modellregion einer postwachstumsorientierten Gesellschaft“ aufgriff, besprach und erweiterte. Ergänzend trugen die EURAC-Mitarbeiterinnen Bianca Elzenbaumer und Daria Habicher konkrete Beispiele aus dem Trentino und Untersuchungsergebnisse aus Südtiroler Betrieben vor. Luca Daprá berichtete über die Entstehung des Projekts „Basis Hardware und Software“. Der Schweizer Kaspar Schuler und der Prader Michael Wunderer kamen als Umweltexperte und als Genossenschaftsmensch zu Wort. Dazu wollte Pechlaner vom Unternehmer Klaus Mair, von der Gleichstellungsrätin Michela Morandini, der Uni-Bozen-Professorin Susanne Ursula Elsen und dem Bürger-Genossenschaftler Armin Bernhard wissen, was sie jeweils aus ihren Bereichen zur „Modellregion“ beitragen könnten.