„Viel Freude, aber auch viel Arbeit“
30 Jahre „musica viva Vinschgau“. Hermann Schönthaler scheidet als Vorsitzender aus. Wer hat Lust und Zeit, in seine Fußstapfen zu treten?
Vinschgau - Das musikalische Angebot im Vinschgau ist groß, bunt und breit gefächert. Was die klassische Musik betrifft, ist es seit nunmehr 30 Jahren der Konzertverein „musica viva Vinschgau“, der jährlich über ein Dutzend Konzerte in Schlanders und weiteren Orten des Tals organisiert. Untrennbar verbunden ist die Tätigkeit des Konzertvereins mit dem Namen des langjährigen Vorsitzenden Hermann Schönthaler aus Laas. Im Rückblick auf die vergangenen 3 Jahrzehnte verweist er auf viele schöne Musikabende und auf interessante Begegnungen mit Musikern und Musikerinnen aus aller Welt. Etwas Sorge bereitet ihm, dem gesamten Vorstand und nicht zuletzt den Freunden der klassischen Musik der Umstand, dass sich bisher niemand bereit erklärt hat, den Vorsitz zu übernehmen, obwohl Hermann Schönthaler bereits im Jahresprogramm 2022 angekündigt hatte, für diese Aufgabe ab 2023 definitiv nicht mehr zur Verfügung zu stehen.
der Vinschger: Herr Schönthaler, erinnern Sie sich noch an die Gründung des Konzertvereins?
Hermann Schönthaler: Einen Verein, der sporadisch klassische Musikabende in Schlanders organisierte, hatte es schon vor der Gründung unseres Vereins gegeben. Notariell aus der Taufe gehoben wurde „musica viva Vinschgau“ am 17. September 1991 im Büro des Notars Werner Plörer in Schlanders. Den Vorsitz übernahm damals Hermann Zingerle und er gab ihn Mitte der 1990er Jahre an mich weiter.
Gab es weitere Wechsel im Vorstand, der sich aus 6 Personen zusammensetzt?
Größere Veränderungen gab es nicht. Christine und Hermann Reissner, Andrea Hanni vom Bildungshaus Schloss Goldrain und ich sind von Anfang dabei. Gründungsmitglieder waren auch Josef und Thomas Wilhalm. Gerda Frischmann kam später dazu. Als künstlerischer Leiter konnte von Beginn an das Vorstandmitglied Josef Lanz gewonnen werden. Alle Mitglieder des Vorstandes üben ihre Tätigkeit ehrenamtlich aus.
Lässt sich Ihr 30-jähriges Wirken als Vorsitzender auch in Zahlen ausdrücken?
Rückblickend kann ich sagen, dass ich viele schöne Abende mit hervorragender Musik erleben durfte. Ich habe in dieser Zeit eine Vielzahl von Musikern und Musikerinnen aus den verschiedensten Ländern und aus Südtirol kennen gelernt und ich durfte vor allem viel feinste, hauptsächlich klassische Musik hören. Es ist uns als Verein gelungen, in diesen 30 Jahren rund 390 Konzerte an verschiedenen Orten des Tals anzubieten. Nicht unerwähnt lassen möchte ich auch die Konzertfahrten nach Meran, wie wir sie in der Regel zweimal im Jahr angeboten haben, bis uns die Corona-Pandemie einen Strich durch die Rechnung machte.
Wie war der Zuspruch für die Konzerte?
Wir können ohne Übertreibung sagen, dass wir in der Regel viel Publikum hatten und immer noch haben. Es sind vor allem Freunde der klassischen Musik, aber nicht nur, die unser Angebot fleißig annehmen, die Abende genießen und dankbar sind, dass es diese Möglichkeit im Vinschgau gibt.
Wie gelingt es „musia viva Vinschgau“, immer wieder renommierte Orchester, Formationen und bekannte Musikerinnen und Musiker in den Vinschgau zu holen?
Eine große Rolle spielt hier sicher die gute Zusammenarbeit mit dem künstlerischen Leiter, mit dem Kulturhaus Schlanders, mit dem Bildungshaus Schloss Goldrain und seinen Bediensteten, besonders mit Andrea Hanni, aber auch mit den Verantwortlichen der Konzertsäle, der Kirchen und anderer Austragungsorte. Nicht zu vergessen ist natürlich auch die gute Zusammenarbeit unter den Vorstandsmitgliedern.
Sie haben zwar schon frühzeitig angekündigt, den Vorsitz ab 2023 abzugeben, aber bis dato gibt es offensichtlich noch niemanden, der bereit wäre, in Ihre Fußstapfen zu treten. Es wird sogar befürchtet, dass es mit dem Angebot klassischer Musik im Vinschgau nach Ihrem Ausscheiden vorbei sein könnte. Warum ist es so schwer, einen Nachfolger bzw. eine Nachfolgerin zu finden?
Ein Hauptgrund der „Zurückhaltung“ liegt sicher darin, dass die Aufgabe, die ein Vorsitzender zu erfüllen hat, mit viel Arbeit verbunden ist. Es gibt eben auf der einen Seite die Freude, auf der anderen aber auch die Arbeit, die sich nicht einfach nur so nebenbei und ohne viele Stunden bewältigen lässt.
Was meinen Sie damit konkret?
Zu den Hauptaufgaben des Vorsitzenden gehört es, dass er sich um die Finanzierung kümmert. Der Verein kann nur arbeiten, wenn ausreichend Geld zur Verfügung steht. Konkret heißt das zum Beispiel, dass beim Amt für Kultur jährlich um einen Beitrag anzusuchen ist, wobei nicht nur das jeweilige Jahresprogramm vorzulegen ist, sondern auch der Finanzierungsplan. Dass dies alles mit Rechnungen und Dokumenten belegt werden muss, liegt auf der Hand. Auch bei den Raiffeisenkassen des Vinschgaus, die unseren Verein dankenswerter Weise seit vielen Jahren unterstützen, sind regelmäßig Ansuchen zu unterbreiten und entsprechende Rechnungen auszustellen. Dasselbe gilt auch für die Stiftung Südtiroler Sparkasse, die den Verein ebenfalls fördert. Finanziell unterstützt wird „musica viva Vinschgau“ auch von der Gemeinde Schlanders und einigen Vinschger Fördermitgliedern, wofür wir sehr dankbar sind.
Ist es also hautsächlich die Bürokratie, vor der viele zurückschrecken?
Dass die Bürokratie „unglaubliche und unüberwindbare Ausmaße angenommen hat“, wie kürzlich zu lesen war, halte ich zwar für etwas überzogen, aber ein großes Problem stellt sie schon dar, vor allem für die ehrenamtlichen Vereine. Wer ehrenamtlich tätig ist, hat zwar viel am Hut, nicht zuletzt auch die Bürokratie, aber er widmet sich einer sinnvollen Tätigkeit, die einem schon auch viel gibt.
Mit welchen zusätzlichen Tätigkeiten ist die Aufgabe des Vorsitzenden bzw. der Vorstandsmitglieder verbunden?
Neben der Verwaltung der Einnahmen bei den Eintritten und der Mitgliedsbeiträge, die übrigens nur einen kleinen Teil der Ausgaben abdecken, sind oft auch Verhandlungen mit den Musikgruppen in Bezug auf das Honorar zu führen. Und auch sonst sind Angelegenheiten abzuklären, wie zum Beispiel die Unterkunft, die Verpflegung oder die Fahrtkostenvergütung. Außerordentlich froh sind wir darüber, dass das Studio Müller in Schlanders sämtliche Steuerangelegenheiten des Vereins seit jeher kostenlos abwickelt. Das ist für uns eine große Erleichterung und Hilfe und ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich bei Heinrich Müller und seinem Team bedanken.
Das Programm, mit dem „musica viva Vinschgau“ Jahr für Jahr aufwartet, ist vielseitig, bunt gemischt und entspricht sozusagen allen Wünschen, wie sie Liebhaber und Freunde klassischer Musik haben. Wie gelingt es, fortlaufend ansprechende Programme zu erstellen und Musikgruppen aus dem In- und Ausland zu verpflichten?
Die Ausarbeitung des Jahresprogramms gehört zu den wichtigsten und schönsten Aufgaben des Vorstandes. Gefordert ist hier in erster Linie der künstlerische Leiter, der Programmvorschläge unterbreitet. Er ist Musikfachmann und vermittelt Musikgruppen für fast alle Musikvereine des Landes. Dem Vorsitzenden obliegt es dann, sich in vielerlei Hinsicht einzubringen, die Vorschläge abzuwägen und Antworten auf viele Fragen zu finden: Kann das Angebot überhaupt finanziert werden? In welchem Ort kann das Konzert stattfinden? Ist der Austragungsort zur gewünschten Zeit verfügbar? Zusätzlich zur Erstellung des gesamten Jahresprogrammes sind auch die einzelnen Konzerte zu organisieren. Mit den jeweils Zuständigen der Konzertsäle und anderer Austragungsorte ist dabei ebenso in Kontakt zu treten wie mit den Musikgruppen selbst. Man kann sich vorstellen, dass hierfür mitunter viele schriftliche oder telefonische Kontakte notwendig sind. Auch für die Unterbringung der Gruppen ist zu sorgen, für die Plakatierung und Gestaltung der Flyer. In diesem Bereich war und ist uns Andrea Hanni vom Bildungshaus Schloss Goldrain eine große Stütze und Hilfe. Bei der Werbung helfen alle Mitglieder des Vorstandes mit sowie einige weitere Personen. Auch bei den Konzerten selbst sind in der Regel alle Vorstandsmitglieder eingespannt. Und ist ein Konzert vorbei, beginnen schon die Vorbereitungen für das nächste.
Wären Sie vielleicht nicht doch bereit, den Vorsitz für einige Jahre weiterzuführen, worum man Sie bereits mehrmals ersucht hat?
Nein. Meine Entscheidung, die ich mir übrigens gut überlegt habe, ist endgültig. Ich finde, es ist Zeit für einen Wechsel. Das will aber nicht heißen, dass ich den Verein ganz verlasse. Ich bin gerne bereit, meinen Nachfolger bzw. meine Nachfolgerin zu begleiten und in die Arbeit einzuführen. Wer Lust und Zeit hat, diese schöne Aufgabe, die zwangsläufig auch mit viel Arbeit verbunden ist, zu übernehmen, kann sich gerne bei mir melden (Tel. 334 9832412). Es ist mir ein Herzensanliegen, dass „musica viva Vinschgau“ am Leben bleibt und Hand in Hand damit auch die klassische Musik im Vinschgau.