„Transparenz und Dialog“
Clausing referiert zum Thema Pestizide. „Wegher hat Chance verpasst.“
Laas - „Es tut uns leid, dass der Umweltmediziner Lino Wegher seine Teilnahme am heutigen Vortrags- und Diskussionsabend vor zwei Tagen mit dem Hinweis auf ein ‚Missverständnis’ abgesagt hat. Das wäre eine gute Chance gewesen. Lino Wegher hat sie verpasst.“ Mit diesen Worten bedauerte Ingrid Karlegger, die Vorsitzende der Umweltschutzgruppe Vinschgau, am 23. November im Josefshaus in Laas die Absage von Wegher. Am Podium konnte sie somit „nur“ den Toxikologen und Vorstand von PAN Germany (Pestizid Aktions-Netzwerk) Peter Clausing begrüßen. Auch Clausing bedauerte vor den rund 50 Zuhörern die Abwesenheit von Wegher. Er hätte schon ein paar Fragen an ihn gehabt. Just 2 Tage vor dem Abend in Laas hatte es in einer Pressemitteilung des Landes geheißen, dass die routinemäßige Untersuchung von öffentlichen Plätzen in 25 Gemeinden in Südtirol ergeben habe, „dass es keine von Giftstoffen ausgehende Gefahr gibt.“
Angeblich „keine Gefahr“
Durchgeführt hat die Untersuchung die Sektion Umweltmedizin des Sanitätsbetriebes. Die Probeentnahmen seien planmäßig zu drei unterschiedlichen Zeitpunkten während der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln durchgeführt worden. „Es wurden keine unzulässigen Überschreitungen von Stoffen festgestellt, die für die Gesundheit bedenklich sind“, wird Lino Wegher zitiert. Die Proben wurden von Gräsern gezogen, die dort wachsen. Untersucht wurden sie vom Labor für Lebensmittelanalysen der Landesagentur für Umwelt. Weil das Gras auf öffentlichen Flächen nicht für die menschliche Ernährung vorgesehen sei, gelten dafür keine gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte für Rückstände. „Deswegen ist auch der Vergleich mit anderen Lebensmitteln nicht korrekt, weil der gefundene Wert nichts über eine mögliche gesundheitsgefährdende Wirkung aussagt“, heißt es in der Aussendung weiter.
„Auch Hausgärten können betroffen sein“
„Dass man Gras nicht isst, wissen auch wir“, sagte Clausing in Laas. Sehr wohl aber könne man die auf Spielplätzen festgestellten Rückstandsmengen auf Produkte beziehen, die zum Beispiel in Hausgärten gedeihen: „Auch Hausgärten könnten sich im Radius der untersuchten öffentlichen Flächen befinden.“ Clausing stellte die Analyse-Ergebnisse von Grasproben auf Spielplätzen im Vinschgau der Jahre 2016, 2017 und 2018 vor. Heuer wurden auf Initiative der Umweltschutzgruppe auf 5 ausgewählten Spielplätzen Proben entnommen, und zwar in Tartsch, Allitz, Schlanders, Goldrain und Plaus. Die Zahl der positiven Proben sei im Dreijahresvergleich in etwa gleich geblieben. Zusammenfassend stellte der Toxikologe fest, dass Chlorpyrifos 2017 und 2018 nicht mehr festgestellt wurde, sehr wohl aber Fluazinam, Phosmet und Captan. Speziell Captan sei 2018 in 5 Proben nachgewiesen worden. Captan gehöre zu den größten Problem-Wirkstoffen. Würde man die ermittelten Captan-Rückstände z.B. auf Spinat oder grünen Salat umlegen, würden die Grenzwerte erheblich überschritten. Auch auf das Thema der Mehrfachrückstände gingt Clausing ein. Er erinnerte zudem an die EU-Pestizidverordnung von 2009, wonach Pestizide mit erbgutschädigender, krebserzeugender und reproduktionstoxischer Wirkung nicht eingesetzt werden dürfen. Bedauerlich sei, dass das gesetzlich verankerte Vorsorgeprinzip EU-weit permanent verletzt werde. An sensiblen Orten, wie es etwa Spielplätze sind, müsste die Verwendung von Pestiziden minimiert oder verboten werden, „wobei ohnehin allen klar sein müsste, dass Pestizide auf Spielplätzen nichts zu suchen haben.“ Mit Blick auf die Zukunft sieht Clausing die eigentliche Lösung in einem pestizidfreien Pflanzenschutz. Bis dahin sei auf 3 Maßnahmen zu bauen: integrierter Pflanzenschutz, Rückstandsüberwachung und korrekte Genehmigungs- und Zulassungsverfahren.
Für pestizidfreien Pflanzenschutz
Dass es derzeit vor allem auch in diesem letztgenannten Bereich noch viel Nachholbedarf gibt, wurde bei der von Markus Lobis moderierten Diskussion mehrfach unterstrichen. Als besonders wichtig erachtet Clausing die Transparenz und den Dialog. So sollten etwa die Ergebnisse der Sektion Umweltmedizin des Sanitätsbetriebes in den Gemeinden bei Bürgerversammlungen detailliert vorgestellt werden. Auch seitens der Obstwirtschaft sei Transparenz gefragt: „Die Menschen, die hier leben, haben das Recht zu wissen, wann und wo gespritzt wird, und was.“ Unerlässlich sei auch der Dialog, „die Bereitschaft dazu muss aber auf beiden Seiten gegeben sein.“ Zur Feststellung, wonach das Thema Pestizide angesichts von Auswirkungen, wie sie etwa Alkohol, Tabak oder viele chemische Mittel auf die Gesundheit haben, unverhältnismäßig hochgespielt werde, meinte Clausing sinngemäß: Geraucht und getrunken wird freiwillig, die Pestizide bekommt man einfach ab, auch durch die Abdrift. Das Publikum rief der Toxikologe dazu auf, kritisch und aufmerksam zu bleiben.