Studieren in Corona-Zeiten: Leerer Hörsaal, volles Postfach
Seit der 2. Märzwoche stehen auch in Österreich die Unis still. Ein Erfahrungsbericht aus Salzburg.
Salzburg/Schlanders - Schnell noch Beispiele für multimediales Geschichtenerzählen in journalistischen Medien suchen und die zwei Übungen über die digitale Lernplattform der Uni hochladen. Für das Seminar, das eigentlich erst am Nachmittag stattfinden sollte. Dafür geht’s jetzt in eine Videokonferenz mit drei Studienkollegen, um den aktuellen Stand unseres studentischen Forschungsprojektes im Seminar zu besprechen. Rund eine Stunde, dazwischen ein kurzes Geburtstagsständchen über Videotelefonie, weil eine der Studienkolleginnen an dem Tag ihren Geburtstag feiert. Der ganz normale Wahnsinn, hätte ich mir noch vor wenigen Wochen gedacht.
Ein großer Wechsel innerhalb von Stunden
Seit Dienstag, 10. März, ist alles anders. Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz war vor die Kameras getreten und hatte erklärt, dass zur Einschränkung der weiteren Ausbreitung des Corona-Virus der Präsenzunterricht an den österreichischen Hochschulen spätestens eine Woche später ausgesetzt wird. Stattdessen soll alles über digitale Medien laufen. Ich war gerade vorher noch in meinem Bachelorseminar für mein Politikwissenschaftsstudium gesessen. Nachträglich frage ich mich, ob dieser Termin möglicherweise die letzte Präsenzlehrveranstaltung für längere Zeit oder gar für das ganze Semester war. Denn wenige Minuten nach der Regierungspressekonferenz war auch an der Uni Salzburg klar: der Präsenzunterricht wird bis auf weiteres ausgesetzt, der eigentlich für den nächsten Tag angesetzte Tag der offenen Tür abgesagt. Auch mehrere Südtiroler wären höchstwahrscheinlich wieder in die Mozartstadt gekommen, um sich über das Studium in Salzburg zu informieren. Aktuell sind es rund 100 Südtiroler Studierende an der Uni Salzburg. Vielmehr, nämlich rund 3.600, sind es an der Uni Innsbruck. Hier hatte man den Präsenzunterricht bereits am Vortag mitten in der Nacht ausgesetzt – nachdem der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte ganz Italien aufgrund der Corona-Pandemie zur Sperrzone erklärt hatte. Innerhalb von wenigen Stunden, teilweise sogar innerhalb von wenigen Minuten, sollten jetzt alle Lehrveranstaltungen digital weiterlaufen. Viele Fragen, einzelne glaubten da (noch) an verlängerte Semesterferien.
Langweilig wird´s sicher nicht so schnell
Das ist jetzt fast vier Wochen her. Mittlerweile läuft so gut wie alles digital in meinen beiden Studien. Im Masterstudium Kommunikationswissenschaft und im Bachelorstudium Politikwissenschaft an der Uni Salzburg. Probleme gibt es zwar immer wieder mal, auch meine Internetverbindung ist nicht die stabilste. Einzig von einer Vorlesung, in der während des Semesters mehrere Experten und Gäste aus verschiedenen Blickwinkeln den runden 100. Geburtstag der Salzburger Festspiele in diesem Jahr beleuchten sollten, habe ich seither nichts mehr gehört. Sollte ich dem Professor vielleicht mal eine E-Mail schreiben? Ob es ihm gut geht? Während ich nachdenke, habe ich schon wieder drei E-Mails in meinem Postfach: einmal die Einladung für eine Videokonferenz zur Besprechung der Fragestellung meiner Bachelorarbeit, eine Rückmeldung einer Lehrenden zu einer Hausübung, die ich am Wochenende erledigt hatte, und mit einer E-Mail werden wir Studierende auf die vom Professor vertonten Unterlagen verwiesen, in dem er erklärt, was beim empirischen Ablauf von wissenschaftlichen Arbeiten besonders zu beachten ist. Man muss zwar nicht mehr in den Hörsaal an der Uni und hat keinen festen Stundenplan an Lehrveranstaltungen. Trotzdem sitze ich wie viele Studierende aktuell jedoch meistens mehrere Stunden pro Tag am PC und Langeweile kommt da sicher nicht auf: Die eine Videokonferenz folgt auf die nächste, Texte müssen gelesen werden, im Foren wird diskutiert, Übungen werden recherchiert, bearbeitet und in der digitalen Lernplattform hochgeladen. Durchaus anstrengend kann das manchmal werden und deshalb klappe ich aktuell meinen Laptop am Abend nicht ungern einfach zu.
Kreativ die Zeit nutzen
Und daneben geht natürlich das Studierendenleben neben dem Studium an sich weiter. Auch darauf wirkt sich die aktuelle Lage aus. Bis auf kurze Einkäufe, kurz an die frische Luft gehen und wie viele Studierende in Salzburg noch schnell im Rahmen eines Nachbarschaftshilfeprojekts für jene einkaufen zu gehen, die in der aktuellen Situation nicht mehr können, sind Südtirols Studierende wie die Studierenden in vielen Ländern derzeit auch in ihrer Freizeit viel in den eigenen vier Wänden eingesperrt. Langeweile gibt es zwar auch manchmal und der Versuch, hier kreativ zu werden, ist nicht immer leicht, aber bisher grundsätzlich machbar. Egal, ob sich stundenlang bei einem Kaffee über Videotelefonie über Gott und die Welt zu unterhalten, abends noch mit Freunden in Bozen, Innsbruck und Salzburg bei einem Pub Quiz mitzuspielen oder sich eine Theater- oder Filmaufführung anzuschauen. Und sonst wieder einmal wieder eines der Bücher lesen, die schon verstaubt im Regal stehen. Vieles ist dank digitaler Medien mittlerweile möglich, wenn sie auch sicher nie den persönlichen Kontakt und die soziale Nähe ersetzen werden können. Das fehlt sicherlich, denke ich mir und denke an die Zeit vor Corona zurück. Aber vorerst geht´s denn mal so weiter mit dem Studierendenleben in Zeiten von Corona, denn wie der österreichische Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung, Heinz Faßmann, am 31. März mitgeteilt hat, gibt es zumindest bis zum 30. April weiterhin keinen Präsenzbetrieb an den österreichischen Hochschulen. Das Studium geht trotzdem weiter und ich schaue von meinem Salzburger WG-Fenster mit dem Versuch von Optimismus in Zukunft. Denn letztlich sind die aktuellen Herausforderungen auch wieder Chancen – so wie Goethe einst schon sagte: „Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen.“