Noch viele offene Fragen
Neues Landesgesetz „Raum und Landschaft“ stellt vor allem die Gemeindepolitiker und Bauämter vor große Herausforderungen.
Latsch - Vom neuen Landesgesetz „Raum und Landschaft“, das nach langen Diskussionen vor 2 Jahren verabschiedet wurde, zu dem bereits Änderungen beschlossen wurden, das jüngsthin erneut in die Kritik geriet und das am 1. Juli in Kraft treten soll, kann man vieles sagen, nur nicht, dass es sich um ein einfaches Unterfangen handelt. Es berührt nicht nur die direkten Interessen aller Wirtschaftszweige, sondern die gesamte Bevölkerung. Eines der Hauptziele ist die Eindämmung des Flächenverbrauchs. Das wichtigste Instrument dafür ist die Festlegung des Siedlungsgrenzen.
Paradigmenwechsel
Den Gemeinden schreibt das neue Gesetz eine viel aktivere Rolle bei der künftigen Siedlungsentwicklung vor. Dieser Paradigmenwechsel stellt vor allem die politischen Gremien, in erster Linie die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, aber speziell auch die Mitarbeiter in den Bauämtern vor neue, große Herausforderungen. Das Wort Herausforderung nahm Landesrätin Maria Hochgruber Kuenzer am 5. Juni im CulturForum in Latsch immer wieder in den Mund. Sie war von SVP-Bezirksobmann Albrecht Plangger und seinem Stellvertreter Helmut Fischer eingeladen worden, um die Ortsobleute, die Bürgermeister/innen und nicht zuletzt die Bauamtsleiter und weitere Beamte für Bautätigkeiten in den Gemeinden aus erster Hand über den derzeitigen Stand und die geplanten Schritte der Umsetzung zu informieren sowie konkrete Antworten auf konkrete Fragen zu geben.
„Wir wollen klare Antworten“
„Wir erhoffen uns klare Antworten auf derzeit noch viele offene Fragen“, schickte Plangger voraus. Die Landesrätin stellte einleitend die Grundsätze des neuen Ge-
setzes vor. So werde in Zukunft der Gemeinderat entscheiden, wo welche Zonen entstehen können. Für die Bürger werde die Gemeinde zum primären Absprechpartner in Bauangelegenheiten werden. Den Gemeinden obliege es, innerhalb von zwei Jahren Gemeindeentwicklungsprogramme zu verabschieden, wobei viele Themen zu berücksichtigen sind (Wohnen, Klimaschutz, Tourismus, Mobilität, Wirtschaft, Familie, Kinder, Jugend, Senioren) und wobei die Bevölkerung miteinzubinden ist, „und zwar richtig, denn nur ein Infoabend ist zu wenig.“ Großen Wert lege das neue Gesetz auf freie öffentliche Räume, sprich Begegnungs-, Erholungs- und Naturräume. Für Entscheidungen bezüglich Wohnen, Arbeiten und Wirtschaften innerhalb der Siedlungsgrenzen werde in Zukunft allein die Gemeinde zuständig sein.
Mischnutzung und Leerstandsmanagement
Das Instrument der Mischnutzung soll dazu beitragen, die Ortskerne als Wirtschafts- und Wohngebiete attraktiver zu gestalten. Auch die Leerstände in den Gemeinden sollen erfasst werden. „Das heißt aber keineswegs, dass privates Eigentum weniger respektiert wird“, so Hochgruber Kuenzer. Vielmehr gehe es darum, mit den Eigentümern in den Dialog zu treten: „Es sollten sich Vorteile für beide Seiten ergeben.“ Um den Übergang vom bisherigen Gesetz zum neuen möglichst problemlos zu schaffen, ist in jeder Gemeinde eine Servicestelle vorgesehen, „die den Bürgern als Anlaufstelle für Bau- und Landschaftsangelegenheiten dient.“ Als besondere Herausforderung hierbei nannte Hochgruber Kuenzer die Koordinierung der Gemeinden untereinander. Auch auf die digitale Bauakte und viele weitere Aspekte ging Hochgruber Kuenzer ein.
Der Inhalt passt, aber …
Wie sich bei der Diskussion zeigte, stehen die Gemeindeverwalter, Ortsobleute, Baubeamten und Gemeindesekretäre zwar mit großer Mehrheit hinter dem Inhalt des Paradigmenwechsels, doch bei der konkreten Umsetzung und vor allem auch dem Zeitplan, der aufgrund der Corona-Krise durcheinandergewirbelt wurde, gibt es noch viele Unsicherheiten und offene Fragen. Auch mit Rekursen dürfte zu rechnen sein. Was die Bauordnungen betrifft, so bleiben diese bis zum 6. November in Kraft. Die derzeitigen Gemeindebaukommissionen können bis zum selben Datum die Funktion der künftigen Gemeindekommission Raum und Landschaft übernehmen. Alle Baurechtstitel und landschaftlichen Ermächtigungen, die ab 31. Jänner verfallen sind oder verfallen, bleiben laut der Landesrätin bis zum 31. Dezember 2020 gültig. Bauvorhaben und Planungsverfahren, die bis zum 30. Juni 2020 eingereicht werden, können nach den bis dahin geltenden Bestimmungen und Verfahren abgewickelt werden. Trotz dieser Zusicherungen bleibe laut mehreren Diskussionsteilnehmern vieles ungewiss.
Es gab teilweise zu wenig Information
Eingeräumt hat die Landesrätin, dass es teilweise zu wenig Information gegeben habe, etwa in Bezug auf die Durchführungsbestimmungen zum neuen Gesetz: „Wir hätten regelmäßig Rundschreiben verschicken sollen.“ Unbeugsam gab sie sich für weitere Verschiebungen: „Mit noch mehr Zeit schaffen wir keine besseren Voraussetzungen.“ Auch die neuen Baudordnungen der Gemeinden sollen bis zum 6. November von den Gemeinderäten der Musterbauordnung des Gemeindenverbandes angepasst werden. Übrigens: den Vorschlag seitens des Teams K, das Inkrafttreten des Gesetzes zu verschieben, wurde kürzlich vom Landtag abgelehnt. Für eine Verschiebung hatten sich im Vorfeld auch fast 80 öffentliche Verwalter in Südtiroler Gemeinden und über 400 Fachleute des Sektors ausge-
sprochen. In Latsch gaben mehrere Bürgermeister zu Bedenken, dass die Marschroute zu eng bemessen sei. Man befinde sich aufgrund von Corona in einer „politischen Nachspielzeit“ und es sei nicht angebracht, kurz vor den Gemeinderatswahlen, die im Herbst stattfinden sollen, derart wichtige Entscheidungen zu treffen. Zu Bedenken gegeben wurde auch, dass es in den Bauämtern Hand in Hand mit der Umsetzung des neuen Gesetzes mehr Personal brauche und dass das neue Gesetz zu viel zusätzlicher Arbeit führe, etwa durch die Vorgabe, dass neue Entwicklungsprogramme zu erstellen sind. „Konzepte und Pläne haben wir bald mehr als genug“, hieß es wörtlich. Eine besondere Herausforderung sei zudem das Erstellen neuer Durchführungspläne. Zur Feststellung, dass architektonisch gesehen in Zukunft de facto jeder bauen kann, wie er will, meinte die Landesrätin, dass dem tatsächlich so sei. Einen Teil der Fragen an die Landesrätin, die im Vorfeld vom Landtagspräsidenten Sepp Noggler (Koordinator der Arbeitgruppe) gesammelt worden waren, wurden von Hochgruber Kunzer vor Ort beantwortet: „Die Antworten auf die restlichen Fragen folgen schriftlich.“
Wie geht es weiter?
In ihrem Ausblick kündigte Hochgruber Kuenzer einen „Runden Tisch“ für technische und juristische Fragen rund um die Anwendung des Gesetzes und der Durchführungsverordnungen für Gemeindeämter an: „Der Tisch wird in Zusammenarbeit mit dem Gemeindenverband und der Abteilung Natur, Landschaft und Raumentwicklung eingerichtet.“ Geplant ist außerdem ein Aufbaukurs für die Service-Stellenleiter sowie die Organisation eines neuen Lehrgangs für Service-Stellenleiter im nächsten Jahr. Damit die aktuellen Bauordnungen bis zum Beschluss der neuen angewendet werden können, ist eine Übergangsregelung vorgesehen. Die Landesrätin sicherte auch einen regelmäßigen Austausch mit den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern zu, damit der Dialog stärker wird.