Neonazis, Lederhosen und viel Hass
Als die rechtsextreme Szene ihren Höhepunkt erlebte. Auch Naturns war ein Hotspot.
SCHLANDERS - „Es ist wichtig, auch heute noch über das Thema zu sprechen“, betonte die Schlanderserin Mara Stirner bei der Vernissage zur Ausstellung „Springerstiefel und Lederhosen“ im BASIS Lokal in der Fußgängerzone Schlanders. Die 1993 geborene Vinschgerin und der Burggräfler Alexander Indra haben es sich zur Aufgabe gemacht, neonazistische Gewalttaten im Meraner Raum Anfang der 2000er Jahre multimedial in einer Ausstellung festzuhalten. Durch Fotografien, Texte, Chroniken und Audio-Interviews mit Betroffenen wollen Stirner und Indra ein Bild einer bedenklichen und vor allem gefährlichen Szene nachzeichnen, die vor über 20 Jahren in Südtirol ihren Höhepunkt erlebte. Die Idee schwebte bereits seit einigen Jahren in den Köpfen der beiden herum, durch das 2019 veröffentlichte Buch „Der identitäre Rausch: Rechtsextremismus in Südtirol“ sei die Idee konkret geworden. Auch die Verantwortlichen der Ausstellung seien mit einer Subkultur aufgewachsen und kennen zahlreiche Personen, die die Übergriffe von Rechtsradikalen direkt oder indirekt erlebten. „Wir wollten ihre Geschichten erzählen, auch die Geschichten des Widerstands“, so Mara Stirner. Die Politikwissenschaftlerin und Sozialarbeiterin lebt in Berlin und ist politisch seit jeher engagiert, unter anderem als Gründerin des feministischen Infocafés in Meran.
Interviews mit Betroffenen
In der multimedialen Recherche und Ausstellung haben sie und Indra sich bewusst auf den Meraner Raum konzentriert. Freilich habe es auch im Pustertal eine große gefährliche Szene gegeben, nicht zu vergessen die neofaschistischen Umtriebe im Bozner Raum. Szenen aus anderen Teilen Südtirols bzw. den italienischen Faschismus habe man außenvorgelassen, um das Thema einzugrenzen. So wurden Interviews mit sieben Betroffenen aus dem Meraner Raum geführt. Diese erzählen von Übergriffen, Angst, aber auch Widerständen – und nicht zuletzt wird durch die Gespräche und Bilder an die Subkulturen der damaligen Zeit, von Punks bis hin zu linken Skinheads, erinnert. Bei Fotos und Interviews wird auf Anonymität gesetzt.
Auch Naturns war ein „Hotspot“
Rechtsradikale Hotspots seien damals Meran, Algund, Schenna, Dorf Tirol, Verdins und eben auch Naturns gewesen. „Im mittleren und oberen Vinschgau gab es weniger rechtsextreme Strukturen, aber es gab auch hier einzelne überzeugte Neonazis“, erzählt Stirner. Die Südtiroler Neonazi-Szene sei bestens vernetzt gewesen mit Rechtsradikalen in Deutschland. So soll sich auch Rechtsextremist Ralf Wohlleben, wegen Beihilfe zum Mord in mehreren Fällen und als Unterstützer der Terrororganisation Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) verurteilt, bei so genannten „Andreas-Hofer-Wander- und Vortragswochen“ 2007 im Passeiertal aufgehalten haben. Diese Wochen sollen damals zur Vernetzung der rechtsradikalen Szene gedient haben.
Provokanter Titel
Der Titel der Vernissage „Springerstiefel und Lederhosen“ sei bewusst provokant gewählt, „auch weil die Übergänge vom Konservativen hin zum Rechtsradikalen oft fließend waren“, erinnert Mara Stirner. Die Ausstellung solle einen Eindruck und ein Gefühl für die Gegebenheiten der damaligen Zeit vermitteln. Man wolle damit nicht zuletzt auch einen Ort für Austausch und Reflexion schaffen. Die Ausstellung ist noch bis 31. August zugänglich, als Kuratorin fungiert Romina Roman. Sie wies bei der Vernissage auf die Bedeutung des BASIS Lokals mitten in Schlanders hin: „Kreativschaffende haben die Möglichkeit, hier auszustellen. Nutzt die Räumlichkeiten, bringt Kreativität ins Dorf“.