„Junge Menschen brauchen Freiraum“
Viel Zuspruch für Dokumentarfilm „Vinschgau: Gehen oder bleiben?“
Schlanders - Warum kehren viele junge Menschen aus Südtirol und speziell aus dem Vinschgau ihrer Heimat den Rücken? Was muss sich ändern, damit sie wieder zurückkommen? Dies sind einige der Kernfragen, mit denen sich der Dokumentarfilm „Vinschgau: Gehen oder bleiben?“ beschäftigt. Dass das Thema der Abwanderung junger Menschen vielen Leuten unter den Nägeln brennt, zeigte schon das zahlreiche Publikum, das am 24. April zur Filmpremiere in die BASIS nach Schlanders gekommen war. Besondere Gruß- und Dankesworte richteten die Regisseurin Sarah Trevisiol und Simon Mariacher (Audio und Schnittassistent) an jene mutigen Menschen, die bereit waren, sich vor der Kamera von Marco Telfser zu zeigen und ihre Ideen und Erfahrungen zu teilen, „um so vielleicht neue Lösungsansätze oder Möglichkeiten auszuklügeln“, wie Trevisiol ausführte.
„Danke für euren Mut“
Der 45-minütige Dokumentarfilm, der künftig sowohl auf RAI Südtirol als auch auf RAI Alto Adige ausgestrahlt wird, untersucht anhand persönlicher Erfahrungen die Beweggründe der Abwanderung junger Menschen aus dem Vinschgau. Der Schwerpunkt liegt dabei auf einer Reihe von Personen, die derzeit aktiv an Pionierprojekten im Vinschgau arbeiten und damit alternative Arbeits-, Lebens- und Gemeinschaftsmodelle aufzeigen. Unverblümt, offen und ehrlich lassen die Protagonistinnen und Protagonisten des Films das Publikum in kurzen Interviews, eingebettet in wunderbare Aufnahmen von Marco Telfser, an ihren Erfahrungen, Enttäuschungen, Ansichten, Hoffnungen und Wünschen teilnehmen. Zu Wort kommen die Steinmetzin Annalena Tappeiner (Absolventin der Berufsfachschule für Steinbearbeitung in Laas), Lukas Pircher (Student der Volkswirtschaft und Praktikant an der BASIS Vinschgau Venosta), Andrea Azzolini (Grundschullehrer), Karl Perfler (Kulturgasthof Tschenglsburg und Getreideanbauer), Elisabeth Prugger (Landwirtin „Greiterhof“ und BGO-Präsidentin), Daria Habicher (Sozio-Ökononim, LIA Collective und Projektleitung „Stilfs - Resilienz erzählen“), Albin Kapeller (Vorstandsmitglied „Vinterra“ und landwirtschaftlicher Arbeiter) und Daniel Costa (Künstler, Designer und Handwerker in der BASIS-Kreativwerkstatt).
Die Kernbotschaften
Zu den wichtigsten Botschaften der Interviewten gehören jene, dass junge Menschen Freiräume brauchen, um sich „austesten“ und verwirklichen zu können, dass das Wohnen zu teuer ist, dass es bestimmte Zwänge gibt, aus denen man sich nicht leicht befreien kann, und dass Arbeiten nicht der einzige Lebensinhalt sein sollte. Veränderungen seien in diesem Sinn in vielen Bereichen angebracht. Vertieft wurden einige der im Film aufgezeigten Problematiken im Zusammenhang mit der Abwanderung junger Menschen bei einer Diskussionsrunde, an der sich neben Daniel Costa, Karl Perfler, Daria Habicher und Albin Kapeller auch der BASIS-Geschäftsführer Hannes Götsch beteiligte. Der Grundtenor war, dass es Veränderungen im derzeitigen Wirtschaftssystem braucht sowie auch Veränderungen in den Köpfen der Menschen und der in Gesellschaft insgesamt.
Es braucht Veränderungen
Mit einem System, das fast nur auf Gewinn, Kapital und Geld ausgerichtet ist, könnten sich viele junge Menschen nicht anfreunden. Es sollte aber nicht darum gehen, alles „Alte“ über Bord zu werfen, sondern Bewährtes sowie alte Praktiken mit Neuem zu verbinden. „Früher hatten die Leute kaum Geld, aber sonst fehlte ihnen nichts. Heute haben die meisten zwar Geld, aber sonst fehlt ihnen alles“, meinte Karl Perfler. Eingeleitet hatten Sarah Trevisiol und Simon Mariacher die Diskussion mit Ergebnissen aus Studien über die Gründe der Abwanderung von jungen Menschen aus Südtirol. Als Gründe waren schon vor Jahren neben fehlenden Arbeitsangeboten und Karrieremöglichkeiten die Engstirnigkeit der Südtiroler Gesellschaft sowie die unzureichenden Verdienstmöglichkeiten ermittelt worden. Der Vinschgau wurde laut Trevisiol deshalb als „Schauplatz“ für den Film ausgewählt, weil er von der Abwanderung besonders betroffen sei, nicht zuletzt auch wegen der unmittelbaren Nähe zur Schweiz. Unterstützt wurde das Filmprojekt vom Amt für Film und Medien. Der Dokumentarfilm über „Vinschger Leuchtturmprojekte“ - so lautet der Untertitel - soll dazu beitragen, junge Vinschgerinnen und Vinschger im Tal zu halten, zurückzubringen und neue Menschen in den Vinschgau zu holen. Die Schlüssel dafür seien freie Gestaltungsräume, die Förderung von Selbstverwirklichung sowie generationsübergreifendes Vertrauen. Als positives Beispiel für kreative Entfaltungsmöglichkeiten für junge Menschen wurde mehrfach die BASIS Vinschgau Venosta genannt.