Radiomoderator Lars, alias Horst Saller, erntete für seine „Glückswelle“-Sendung viel Applaus.
Radiomoderator Lars, alias Horst Saller, erntete für seine „Glückswelle“-Sendung viel Applaus.
Auch Werke von Meinrad Winkler waren im Treffpunkt „Am Damml“ zu sehen.

Es ist keine Schande …

… unter einer psychischen Störung zu leiden.

Publiziert in 19 / 2024 - Erschienen am 22. Oktober 2024

Schlanders - Alle haben genug Geld, leben in einem schönen Land, sind gesund und glücklich. „Zum Glücklichsein braucht man doch wirklich nur die Berge und den Sonnenschein. Und von den beiden haben wir in Südtirol ja nun wirklich genug“, ließ der Radiomoderator Lars von „Radio Glückswelle“ am 10. Oktober das mit Regenschirmen „bewaffnete“ Publikum beim Dammplatz in Schlanders wissen. Den 10. Oktober hatten die Sozialdienste der Bezirksgemeinschaft Vinschgau nicht zufällig ausgewählt, um den „Glückswelle“-Moderator, hinter dem sich der Kabarettist Horst Saller verbirgt, zu einer Sondersendung einzuladen, denn an diesem Tag wurde der Welttag für psychische Gesundheit begangen. Während dem Publikum im Laufe der 20-minütigen Sendung, die am Vormittag trotz strömenden Regens gleich dreimal ausgestrahlt wurde, schöne Lieder und Botschaften aus der „heilen Welt“ und dem „unglaublich geilen Land“ zu Ohren gebracht wurden, kamen in Zwiegesprächen zwischen Lars und seinem Techniker - sie waren durch ein Transparent auf den Welttag für psychische Gesundheit aufmerksam geworden - ganz andere Wahrheiten ans Lichts … und direkt ins Radio: Die vermeintlich heile Welt beginnt zu bröckeln und mit ihr die ganze Fassade.

Die Fassade bröckelt

Der Techniker sieht eine der Ursachen für die Entstehung psychischer Störungen in den prekären Lebensumständen, unter denen Betroffene leben müssen. Unsicherheit könne zu Krankheit führen, „ebenso die Angst, in Altersarmut zu fallen.“ Die Corona-Jahre hätten gezeigt, dass viele Jugendliche voller Zweifel sind: „Sie zweifeln an sich selber, an der Gesellschaft und an der Politik, die Ungerechtigkeiten zulässt und hauptsächlich gewisse Interessensgruppen bedient.“ Der Klimawandel, Kriege, die Vereinsamung durch soziale Medien, kein leistbarer Wohnraum und die allgemeine Angst vor der Zukunft kommen noch dazu. Auch ihre psychischen Probleme vertrauen der Moderator und Techniker einander an. Bei einem körperlichen Leiden gebe es kein Problem, darüber zu sprechen, wenn man aber psychologische oder psychotherapeutische Hilfe braucht oder in ein Therapiezentrum muss, stellt sich die Scham ein.

Scham und Tabus

Dabei sind in Südtirol rund 25.000 Menschen quer durch alle Altersgruppen von Depressionen betroffen. Im Gegensatz zu Frauen tun sich Männer oft schwerer, über ihre Gefühle zu reden und Hilfe zu suchen. Und wenn sich Betroffene nach einem langen und schweren Leidensweg endlich entschließen, Hilfe zu suchen, kann es passieren, dass sie lange warten müssen, „weil die entsprechenden Strukturen oft überlastet, personell unterbesetzt oder finanziell unterversorgt sind.“ Der Radiomoderator kommt zum Schluss, dass die Menschen im unserer „körperorientierten Zeit“ mehr auf ihr Äußeres schauen als auf ihr seelisches Wohlbefinden. Der Welttag für psychische Gesundheit biete eine gute Gelegenheit, das Thema einmal richtig zu beleuchten und Tabus zu brechen. Auch das Thema Alkohol kam zur Sprache. 5 Prozent der Südtiroler Bevölkerung sind laut ASTAT Alkoholiker und 15 Prozent haben einen problematischen Alkoholkonsum.

Ein „veritables Drogenproblem“

Laut Lars haben somit insgesamt über 100.000 Leute ein „veritables Drogenproblem, aber Alkohol ist bei uns ja keine Droge, sondern ein Kulturgut.“ Zu bedenken gegeben wurde auch, dass sich in Südtirol im Durschnitt eine Person pro Woche das Leben nimmt. Die Kernbotschaft, die nicht der „Glückswellenreiter“ und „Wohlfühlschlagerfuzzi“, sondern der „andere Lars“ allen mit auf den Weg gab, war: „Es ist keine Schande, unter einer psychischen Störung zu leiden. Man muss endlich aufhören, sich dafür zu schämen. Man muss offen darüber sprechen können.“ Es gibt Anlaufstellen, Dienste und Strukturen, wo Hilfe geboten wird.

Offener Treffpunkt „Am Damml“

Eine dieser Strukturen ist der Treffpunkt „Am Damml“ in Schlanders, wo am 10. Oktober nicht nur eine Ausstellung besichtigt werden konnte, sondern wo man sich auch über die dortigen Angebote informieren konnte. Der Treffpunk für Menschen mit psychischer Erkrankung, der von Montag bis Donnerstag von jeweils 13.30 bis 17 Uhr geöffnet ist, versteht sich laut dem Strukturleiter Roman Altstätter als offener Ort der Begegnung, an dem man „einfach nur sein“ oder wo man auch kreativ tätig werden kann. Das Angebot reicht vom gemeinsamen Kaffeetrinken und Miteinanderreden über Gesellschaftsspiele bis hin zu Arbeiten mit verschiedensten Materialien, besonderen Workshops und gemeinsamen Ausflügen.

Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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