Die Jugend und die Wahlen
Was die jungen Leute bewegt und was die Politik tun will.
SCHLANDERS - Der Termin passte: Exakt 30 Tage vor den Landtagswahlen stand im Kulturhaus Schlanders am 22. September eine vom Bibliotheksteam des Oberschulzentrums organisierte Podiumsdiskussion mit mehreren Kandidatinnen und Kandidaten auf Programm. „Es gibt die Qual der Wahl“, betonte Moderator Christian Bassani eingangs. Den Erstwählerinnen und Erstwählern der 5. Klassen sollte die Veranstaltung die Gelegenheit bieten, sich einen Überblick zu verschaffen sowie ihre Fragen zu deponieren. Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit), Eugen Sleiter (Team K), Renate Prader Costa (PD), Hanspeter Staffler (Grüne), Verena Tröger (SVP) und Roland Stauder (Die Freiheitlichen) erhielten exakt 3 Minuten, um sich vorzustellen. „Als Musikerin weiß ich, was Harmonie bedeutet, als Kapellmeisterin bin ich es gewohnt vorne weg zu gehen und die besten Töne aus der Gruppe herauszuholen“, betonte die Laaser Bürgermeisterin Verena Tröger. Als Lehrerin kenne sie die Anliegen der jungen Menschen. Wesentliche Themen, die man angehen müsse, seien die Mobilität sowie das leistbare Wohnen.
Reizthema Zuwanderung
Roland Stauder, seit mehr als 18 Jahren oppositioneller Gemeinderat in Lana und beruflich ebenfalls Lehrer sowie Vizedirektor an der TFO in Meran, kritisierte den Landeshaushalt. „Es sind über 7 Milliarden. So viel wie noch nie. Es gilt, diesen zu hinterfragen“, forderte er auf. Weitere Themen der Freiheitlichen seien die Zuwanderung und die Sicherheit – seit jeher. Früher sei man noch als „Nazis“ beschimpft worden, heute sei allen bewusst, wie gravierend die Probleme seien. „Gewisse Gegenden in den Städten wurden zu No-go-Areas“, erklärte der Freiheitliche. Weitere große Problemfelder seien die hohen Kosten und die niedrigen Löhne sowie der teure Strom und das leistbare Wohnen. Auch Hanspeter Staffler, der bereits bei den Wahlen 2018 den Sprung in den Südtiroler Landtag geschafft hatte, unterstrich die Wichtigkeit des leistbaren Wohnens. Weitere „grüne“ Themen, an denen bereits in dieser Legislaturperiode gearbeitet worden sei, seien die Umwelt, der Naturschutz und der öffentliche Dienst. Mit dem Vinschgau habe der gebürtige Malser freilich eine besondere Beziehung: „Ich komme immer wieder gerne hier her, es ist für mich eine Art Kraftquelle“.
„Junge Leute sind die Zukunft“
Sven Knoll, seit 2008 im Südtiroler Landtag, wies auf den Stellenwert der Jugend hin. „Die jungen Leute sind die Zukunft. Mit den Entscheidungen, die wir im Landtag treffen, müssen später nicht die 40- und 50-jährigen Politiker leben, sondern vor allem ihr“, betonte Knoll. Die Jugend müsse mehr in die Politik eingebunden werden. „Ich war 2008 einer der jüngsten im Landtag und bin es noch heute. Das ist tragisch“, so Knoll. Im Gegensatz zum „Urgestein“ der Süd-Tiroler Freiheit hatte Eugen Sleiter vom Team K mit Politik bisher nichts am Hut. Der Hausarzt aus Dorf Tirol wolle aber etwas ändern. „Ich habe gemerkt, es geht einfach nicht mehr. Das Gesundheitssystem funktioniert nicht“, sagte er und übte schärfste Kritik. Vieles müsse hinterfragt werden, in Südtirol gebe es schon jetzt eine Zweiklassenmedizin. Mit Steuergeldern werden demnach private Einrichtungen finanziert, anschließend werde der Bürger erneut zur Kasse gebeten: „Das darf es nicht sein“.
Die Rechten aus der Regierung drängen
Auch Renate Prader Costa vom Partito Democratico, eine Vertreterin der einzigen staatlichen Partei am Podest, sparte nicht mit Kritik an der aktuellen Regierung. Vor allem im Bildungsbereich sei in den letzten Jahren wenig passiert. Die demokratische Partei, die 2008 bis 2018 bereits Koalitionspartner der SVP war, habe es sich zum Ziel gesetzt, die rechte Lega Nord aus der Regierung zu drängen und wieder mitzubestimmen. In Brixen, wo Prader im Gemeinderat sitzt, funktioniere die Stadtregierung SVP-PD gut.
Visionen für junge Menschen?
Bei der offenen Diskussion ging es insbesondere um die Themen Arbeitsmarkt, Wohnungsmarkt und Mobilität. Was man tun könne, um Südtirol für junge Menschen interessant zu machen, fragte Moderator Bassani. Dass der Ist-Zustand kein guter ist, darin waren sich vor allem die Oppositionsparteien einig. „Tausende verlassen Südtirol und kommen nicht mehr zurück“, schimpfte Roland Stauder. Das Problem seien vor allem die hohen Lebenskosten und die gleichzeitig niedrigen Löhne. Hier gelte es den „enorm hohen Haushalt“ anzuzapfen, für einen Investitionsausgleich zu sorgen und in Köpfe zu investieren.
Hanspeter Staffler, der 1996 aus Wien zurück nach Südtirol kam, führte 3 Gründe ins Feld: „Ich kam damals zurück, weil ich in Südtirol das attraktivere Jobangebot als in Wien erhielt, weil ich mir eine Wohnung damit leisten konnte und weil meine Frau mit mir ging“. Den letzten Grund könne man freilich nicht beeinflussen, aber die ersten beiden hätten sich stark geändert. „Heute sind die Wohnungen teuer und die Arbeit in Wien, München oder Zürich attraktiver“. Als kurzfristige Lösung nannte er eine massive Aufbesserung der Gehälter, dies könne die Landesregierung in der öffentlichen Verwaltung etwa – wo rund 40.000 Menschen arbeiten – problemlos bewältigen. „Natürlich braucht es bessere Verdienste in allen Branchen“, ergänzte Staffler. Als 2. Maßnahme gelte es, in den Wohnungsmarkt zu investieren und Wohnungen zu bauen, damit sich junge Menschen die Mieten leisten können. „Das Problem ist hausgemacht“, so der Grüne. Die 3. Maßnahme sei aus Südtirol ein offeneres Land zu machen, für viele sei es „zu eng“, auch hier sei die Politik gefordert. Renate Prader Costa forderte, die jungen Menschen bereits bei Praktika zu unterstützen und die Arbeit auch gerecht zu entlohnen. Auch Sven Knoll kritisierte, dass sich sowohl junge als auch ältere Menschen die Miete nicht mehr leisten können und viele aufgrund der bürokratischen Hürden nicht nach Südtirol zurückkommen. Als konkreten Vorschlag forderte er die europaweite Anerkennung der Studientitel.
„Wir brauchen uns auch in der SVP nicht einzureden, dass alles gut ist“
Verena Tröger, als Mitglied der Mehrheitspartei mit einem schweren Stand, gestand: „Es läuft sicher nicht alles gut in Südtirol. Das brauchen wir uns nicht einzureden, auch in der SVP nicht. Aber es läuft auch nicht alles schlecht“. Mit dem Schweizer Lohnniveau könne man nicht mithalten, was insbesondere im oberen Vinschgau ein Problem darstelle. Es gebe aber durchaus auch positive Beispiele, dass sich zuletzt etwas getan hat, wie die BASIS in Schlanders. In Sachen Wohnungsmarkt sei vor allem der Leerstand ein Problem, hier gelte es, die Gemeinden mehr in die Pflicht zu nehmen, die Leerstände zu erheben und auch anzukaufen. Auch Sleiter sprach das Problem der zahlreichen leeren Wohnungen an. Es gelte zudem, Wohnraum für Studierende zu schaffen. „Günstigen. Mehr als 200 bis 300 Euro schafft ein Student nicht“, betonte der Arzt. Hier sei die Landesregierung gefordert, Möglichkeiten gebe es viele, etwa Studenten-Wohnungen bei Senioren wie früher in Österreich üblich, Kommunen usw.
„Wir brauchen Geld“
Dass auch junge Menschen Geld brauchen und leider bei Sommerjobs oft viel zu wenig verdienen, war aus dem Publikum zu vernehmen. „Es braucht Mindestlöhne. Wir fordern 9 Euro die Stunde, für junge und alte Menschen“, so der Lösungsvorschlag von Renate Prader Costa. Auch Staffler forderte einen Mindestlohn, zudem gelte es, klug zu verhandeln und sich auch nach anderweitigen Lösungen umzusehen. Es gebe durchaus Branchen, die gut zahlen. Knoll bevorzuge es, die Betriebe auch steuerlich zu unterstützen, um den Jugendlichen bessere Gehälter zu zahlen. „Es gibt zu viele Steuern und zu viel Bürokratie. Damit hängen viele Probleme zusammen“, betonte Knoll. In einem waren sich die Kandidatinnen und Kandidaten einig: Es gelte, auf die Stimme der Jugend zu hören.