Prof. Mathias Gauly von der Freien Universität Bozen im Gespräch mit einigen Matscher Bauern und Bäuerinnen. Diskutiert wurde, wie sich landwirtschaftliche Betriebe in beengter Lage im Dorfkern weiter entwickeln könnten.
Die ehemalige deutsche Landwirtschaftsministerin Renate Künast zu Besuch in Matsch. Sie zeigte sich bei den Betriebsbesichtigungen beeindruckt von den schwierigen Bedingungen, unter denen die Matscher Bergbauern und Bergbäuerinnen wirtschaften.
Auch Öffentlichkeitsarbeit war Teil des Projektes. Filmaufnahmen auf einem Bio-Gemüseacker in Matsch mit dem Filmteam der RAI-Sendreihe „Tourismus in Südtirol“.

BioTal Matsch

Rückschau und Ausblick

Publiziert in 9-10 / 2021 - Erschienen am 18. März 2021

Matsch - Etwas aus dem machen, was schon da ist, kleine Wirtschaftskreisläufe stärken und die Landwirtschaft, den Tourismus, den Handel und andere Zweige zusammenbringen. Das waren und sind die Hauptziele des Projektes „Machbarkeit BioTal Matsch“. Die Finanzierung des zweijährigen Projektes ist Ende 2019 ausgelaufen. Die ursprünglich für das Frühjahr 2020 geplante Rückschau musste aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt gewesen. Es wäre geplant gewesen, in einer öffentlichen Veranstaltung gemeinsam mit den Matscherinnen und Matschern auf die zwei Projektjahre zurückzublicken und auch zu überlegen, „ob und wie es in Matsch mit einer möglichen Weiterentwicklung in Richtung ‚BioTal’ weitergehen könnte“, sagt die Projektkoordinatorin Anja Matscher und kündigt eine „Wie geht’s weiter“-Veranstaltung an.

Erste Anfänge vor 30 Jahren

Schon vor 30 Jahren hatten sich einige Matscher und Matscherinnen mit der Idee eines BioTals auseinandergesetzt. Umgesetzt werden konnte die Idee leider nicht, weil die Zeit dafür noch nicht reif war. Im Herbst 2017 wurde das Projekt „Machbarkeit BioTal Matsch“, eingereicht vom einem jungen Studenten aus Matsch, im Rahmen des Bürgerhaushaltes der Gemeinde Mals von den Bürgerinnen und Bürgern der Gemeinde an die erste Stelle gewählt. In den Jahren 2018 und 2019 wurde in Matsch intensiv am Projekt gearbeitet. Dieses basiert auf dem Ansatz, dass die Menschen vor Ort gemeinsam eine nachhaltige und umweltverträgliche Lebens- und Wirtschaftsweise stärken. Damit soll ein Mehrwert für die Menschen vor Ort geschaffen werden. Anja Matscher: „Ganz klar kommuniziert wurde von Beginn an, dass die Entscheidung, ob das BioTal Matsch machbar ist, in der Hand der Menschen liegt, die in Matsch leben.“ Bei der Auftaktveranstaltung im März 2018, zu der alle Matscherinnen und Matscher eingeladen worden waren, ging Michael Groier von der Bundesanstalt für Bergbauernfragen in Wien auf das Thema „Bioregion“ ein.

Neunköpfige Projektgruppe

In der Folge bildete sich eine neunköpfige Projektgruppe, die sich überwiegend aus Matschern und Matscherinnen zusammensetzte. Alle wollten sich für eine positive Weiterentwicklung des Tals einsetzen. Alle Bürger und Bürgerinnen aus dem Projektgebiet Matsch und Muntetschinig wurden eingeladen, Ideen zu sammeln. Einer der Vorschläge war die „Organisation einer freiwilligen Bio-Umstellungsberatung für Landwirt*innen“, eine weitere Idee betraf die „Einrichtung einer Bioalm“. Innerhalb 2018 meldeten sich 13 Bauern und Bäuerinnen für eine persönliche Bio-Umstellungsberatung auf dem eigenen Betrieb an. Diese wurde über das Projekt organisiert und finanziert. Bei den Initiativen, die im Bereich Landwirtschaft gesetzt wurden, standen sachliche Information und Sensibilisierung im Vordergrund.

Fachwissen ins Tal bringen

Ziel des Projektes war es auch, immer wieder Fachwissen nach Matsch zu holen. So fanden Betriebsbesuche im Ortskern von Matsch im Beisein von Mathias Gauly, Professor für Nutztierwissenschaften an der Freien Universität Bozen, statt. Gemeinsam wurde diskutiert, wie sich landwirtschaftliche Betriebe in beengter Lage im Dorfkern weiter entwickeln könnten. Angesprochen wurde auch, inwieweit Gemeinschaftsflächen in Dorfnähe als gemeinsame Heimweide genutzt werden könnten, unabhängig davon, ob es sich um konventionelle oder biologische Viehhaltungsbetriebe handelt. Georg Miribung von der Freien Universität Bozen befasste sich in Matsch mit dem Thema „Wie kann die Zusammenarbeit zwischen landwirtschaftlichen Betrieben funktionieren?“.

40% biologisch bewirtschaftet 

Die Erhebung und grafische Darstellung der biologisch bewirtschafteten landwirtschaftlichen Nutzflächen in Matsch und Muntetschinig war ebenfalls Teil des Projektes. Der dem Tal vorgelagerte Weiler Muntetschinig wurde aufgrund der Nähe zum Tal mit in das Gesamtprojekt einbezogen. Das Ergebnis von fast 40% biologisch bewirtschafteten landwirtschaftlichen Nutzflächen in Matsch und Muntetschinig war für alle Beteiligten eine Überraschung. Auch eine zweitägige Exkursion für Matscherinnen und Matscher ins Schweizer Valposchiavo gehörte zum Projekt. In Valposchiavo werden mittlerweile 98% der landwirtschaftlichen Nutzflächen biologisch bewirtschaftet. Außerdem wurde die Regionalmarke „100% Valposchiavo“ für Produkte, die im Tal produziert werden, geschaffen.

Bio-Alm Gonda

Nach vielen Gesprächen, Treffen und nicht immer einfachen Diskussionen im Winter 2018/2019 konnte die Gonda-Alm oberhalb des Dorfes Matsch im Sommer 2019 erstmals als biologisch bewirtschaftete Alm zertifiziert werden. Da die Gonda-Alm über eine Milchleitung ins Tal verfügt, konnte ein Teil der Bio-Milch täglich von Bergmilch Südtirol abgeholt werden. Ein Teil wurde zu Bio-Alpkäse und Bio-Alpbutter verarbeitet. Die Inhaberinnen des lokalen Lebensmittelgeschäftes erklärten sich nach einem Gespräch bereit, während der Sommermonate 2019 versuchsweise ein Regal mit regionalen und Bio-Produkten zu bestücken. Weiters erfolgte ein Treffen mit den lokalen Gastronomiebetrieben, bei dem vereinbart wurde, dass jeder der Anwesenden im Sommer 2019 versuchsweise ein Bio-Getränk und/oder ein Bio-Gericht bzw. ein Gericht mit zumindest einer Bio-Zutat auf der Speisekarte anbietet und dieses auch als „biologisch“ ausweist.

Renate Künast zu Gast

Ein besonderer Höhepunkt im Rahmen des Projektes war der Besuch der ehemaligen deutschen Landwirtschaftsministerin Renate Künast in Matsch. Sie informierte sich über das Projekt „Machbarkeit BioTal Matsch“ und besichtigte mit Mitgliedern der Arbeitsgruppe biologisch und nicht biologisch wirtschaftende Betriebe in Matsch. Sie genoss die Stunden in Matsch sichtlich und brachte auch ihre eigenen interessanten Erfahrungen ein. 

Masterarbeit abgeschlossen

Mittlerweile hat der Schlanderser Student Peter Luis Thaler auch seine Masterarbeit an der Universität für Bodenkultur in Wien abgeschlossen. Die Arbeit trägt den Titel „Biologische Landwirtschaft im Matschertal im Vinschgau, Südtirol – Einstellungen und Verhaltensintention der Bevölkerung hinsichtlich eines Bio-Tals Matsch“. Wenngleich die Finanzierung des Projektes Ende 2019 ausgelaufen ist, ist es nach wie vor geplant, eine „Wie geht’s weiter“-Veranstaltung zu organisieren, bei der auch die Ergebnisse der Studie von Peter Luis Thaler präsentiert werden sollen. Diese Veranstaltung soll einen Ausgangspunkt darstellen, wie die Idee eines „BioTals Matsch“ fortgeführt werden kann. Im Falle einer Weiterführung wird es in einem nächsten Schritt darum gehen, gesetzte Initiativen zu vertiefen und eine Sichtbarkeit nach außen zu schaffen, von der das Hochtal Matsch profitieren soll. Nähere Informationen zum Projekt gibt es auf der Website der Projektträgerin, der Bürgergenossenschaft Obervinschgau (www.da.bz.it).

Respekt und Transparenz

Wie Anja Matscher abschließend bemerkt, stellen ein respektvoller gegenseitiger Umgang und maximale Transparenz die Grundlage für so ein Projekt dar, denn nur so kann Akzeptanz geschaffen werden. Andererseits lasse es sich nicht vermeiden, dass Veränderungen immer auch auf Kritik stoßen. Eine zentrale Erkenntnis sei, „dass ein Bio-Tal bzw. eine Bio-Region nur dann langfristig Erfolg haben wird, wenn auch die entsprechende Einstellung der Menschen vor Ort gegeben ist.“

Josef Laner
Josef Laner

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