Begeisterung für Historisches
Die Bauarbeiten an der Heilbronner Hütte am Taschljöchl sind gestartet. Eine Begegnung mit Bauherr Florian Haller und seinen Mitstreitern am Übergang zwischen dem Schnals- und Schlandrauntal.
Schnals/Schlanders - Nebel ziehen auf und Regen kündigte sich an. Es ist ein Tag Anfang September. In steilen Serpentinen schlängelt sich der bereits 1885 von der Sektion Vinschgau angelegte Wanderweg hinauf zum Taschljöchl. Ein historischer Übergang zwischen dem einsamen Schlandraun- und dem touristisch stark erschlossenen Schnalstal. Ich bin im Auftrag des AVS Schlanders auf dem Weg, ein neues Gipfelbuch zum Taschljöchl zu bringen und überrascht über so viel Bewegung in dieser Höhe. Bereits kurz vor der Anhöhe fallen mir die roten, zwei Meter hohen Bauzäune ins Auge. Sie wurden errichtet, um die Wanderer vor herabrollenden Steinen zu schützen. Oben angekommen, dringen Motorengeräusche an mein Ohr. Ein Schreitbagger ist zugange, die Grasnarbe wird sorgsam abgetragen und Geröll verschoben. Noch im Herbst sollte der Aushub für die unterirdisch angelegte Materialseilbahn fertig und die Fundamentplatte gegossen sein. In den nächsten zwei Jahren wird an derselben Stelle, wo seit über 92 Jahren die Mauerreste der Heilbronner Hütte stehen, die neue Heilbronner Hütte, „originalgetreu“ wiederaufgebaut. Errichtet wurde das „Schloss in den Bergen“, wie es in historischen Zeitungstexten genannt wird, auf Anregung von Peter Bruckmann, dem Vorsitzenden der Sektion Heilbronn des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins (DuOeAV) ab 1909. Damals mit einer Stube in Zirbenholz, offener Feuerstelle und Silberbesteck. 20 Schlafplätze und eine Terrasse mit Strandkörben soll sie gehabt haben. Und wie viele Schlafplätze werden es im Neubau sein?
Zufällig ist genau an jenem Tag eine Gruppe rund um den Naturnser Tischlereiunternehmer Florian Haller am Joch dabei, Vermessungsarbeiten durchzuführen. Bereitwillig und ausführlich erzählt er vom langen Weg bis zum Baubeginn. Sechs Jahre, wobei auch Corona eine Rolle gespielt hat, arbeitet er jetzt mit seinem Team, u. a. mit Geometer Roland Blaas, Reinhard Holzer und Johannes Rainer an der Realisierung seines Traums, einer Schutzhütte. Was ist die Motivation, eine 1932 abgebrannte Schutzhütte wieder aufzubauen? „Da kann ich jetzt auf Anhieb auch keine eindeutige Antwort geben“, zeigt sich Haller nachdenklich. Motiviert hat ihn auf jeden Fall die uneingeschränkte Unterstützung der Gemeinde Schnals und die 2016 erfolgte Zusage von Landeshauptmann Arno Kompatscher, sowie das Okay des Alpinbeirates. Bedingung aller war, dass die Hütte in ihrer ursprünglichen Form und ihren historischen Ausmaßen aufgebaut wird. Haller nimmt es wörtlich und plant auch die Inneneinrichtung wieder in Zirbe zu gestalten. Und dann erzählt er von den ganz persönlichen Motivatoren für den Nachbau der Hütte. Übers Wirtschaftsstudium zur erfolgreichen Zirben-Tischlerei, kommt auch der Gedanken auf, vielleicht etwas Bleibendes für seine Kinder und die Nachwelt zu hinterlassen. Während er von seiner Liebe zur Natur und Jagd erzählt, zeigt er ganz nebenbei auf den Bartgeier, der über unseren Köpfen seine Kreise zieht. Zahlreiche Zufälle haben ihn u. a. zum Mit-Eigentümer der Berglalm und damit auch zum Eigentümer der Grundparzelle am Taschljöchl gemacht, was er erst im Laufe der Zeit realisierte. Leicht wurde ihm sein Ansinnen, die Heilbronner Hütte wieder erstehen zu lassen, nicht gemacht. Da waren einerseits die zuständigen Landesbehörden, die u.a. die Gestaltung der Materialseilbahn und das Ausmaß der Terrasse ablehnten. Florian Haller nimmt es gelassen. „Oftmals“, sagt er, „entsteht aus der Ablehnung heraus ja eine bessere Idee. In diesem Fall ist es wirklich landschaftlich ansprechender, wenn die Materialseilbahn im Berg versteckt ist“. Als Unternehmer ist er es gewohnt, gegen Widerstände anzugehen und seine Vorstellung und Werte klar darzulegen und notfalls auch durchzusetzen. „Nur streiten tue ich nicht gern“, gibt er geradeheraus zu. Deshalb hat er sich auch nicht weiter auf die Diskussion über die geplante Wasserentnahme aus dem oberen Hungerschartensee eingelassen. Die Domäneverwaltung als Eigentümerin hatte die Entnahme von Überwasser genehmigt, der Widerstand u. a. der AVS-Sektion Schlanders kam prompt, auch weil beide Seen seit Jahren als hydrologische Naturdenkmäler im eigenen Landesverzeichnis eingetragen sind. 500.000 Euro kostet Haller nun sein Einlenken, nämlich eine eigene Trink- und Abwasserleitung von der Berglalm herauf zu bauen. Auch diesem Widerstand kann er Positives abgewinnen: „Wir sind eine der wenigen Schutzhütten im Lande, die eine Abwasserleitung haben“. Die Angst in Schlanders bleibt, dass Mountainbiker vom Schnalstal auf das Taschljöchl gekarrt werden und dann unverblümt ins Schlandrauntal hinab flitzen können. Haller winkt ab. Er werde keine Mountainbikes mit der Materialseilbahn transportieren. Er sei ein Naturmensch, betont er nochmals, ihm sei es wichtig, dass keine neuen Wanderwege entstehen und dass die Hütte in ihrem ursprünglichen Ausmaß rekonstruiert werde, d.h. aus den 20 Schlafplätzen von anno 1910 werden 30 im Jahr 2026. Die Terrasse hat er aus eigenen Stücken verkleinern lassen. 2 Mio. Euro kostet dem „Macher“ Florian Haller seine Passion, Historisches zu bewahren. Vor Jahren hat er für seine Frau den Theilblatt im Pfossental in mustergültiger Weise saniert, wie nicht nur Fachleute anerkennend feststellen. Bleibt noch das 2010 errichtete Gipfelkreuz auf den höher gelegenen Punkt zu verlegen, um die Bauarbeiten nicht zu behindern. Dazu ist Haller Anfang September eigens nach Heilbronn gefahren, um sich die offizielle Genehmigung der DAV Heilbronn einzuholen. Die Freude dort über sein Ansinnen ist „sensationell“, wie in der „Heilbronner Stimme“ zu lesen ist. Bleibt – mit einem Augenzwinkern – die Frage, wer nun wirklich der Eigentümer des Grundstücks am Taschljöchl ist. Laut einem alten Vertrag mit der Gemeinde Schnals aus dem Jahre 1857, gehört „auf der Wasserscheide bis zu dem auf dem Saldurkopf sich befindlichen graphischen Zeichen Nr. 79 (..)“, also am Jochgrat entlang, das Grundstück der Gemeinde Schlanders. Nur aufgrund eines Fehlers bei der Übertragung in die Mappenzeichnung durch das Grundbuch soll die Grenze weiter südlich eingetragen worden sein. Ginge es nach den Schlandersern und Kortschern, würde es keinen Wiederaufbau der Heilbronner Hütte geben. Ob dies gut oder schlecht gewesen wäre, wird die Zukunft zeigen.