Ab in die Kiste
Über die derzeit laufende Apfelernte, die Preise 2017, den Zuwachs des Bio-Anbaus, die Clubsorten, die Pestizid-Debatte und mehr sprach der Vinschger mit VI.P-Direktor Sepp Wielander.
der Vinschger: Wenn im Vinschgau die Apfelernte voll im Gang ist, herrscht eine Art Ausnahmezustand. Die Bauern und Bäuerinnen stehen unter Stress, auf den Straßen sind viele Traktoren unterwegs, in den Genossenschaften herrscht Hochbetrieb und in den Wiesen wird vermutlich mehr tschechisch, slowakisch, polnisch oder pakistanisch gesprochen als deutsch. Wie viele Familien bzw. Betriebe im Einzugsgebiet der VI.P leben vom Apfelanbau?
Sepp Wielander: Ausnahmezustand klingt wohl etwas übertrieben, aber es stimmt, dass es alle Kräfte zu bündeln gilt. Wir hoffen auf gutes Wetter und darauf, dass der Lohn einer ganzjährigen Arbeit der Produzenten in diesen drei Wochen nicht dezimiert wird. Eine gewisse Hektik ist da verständlicherweise wahrzunehmen. Geerntet wird schließlich nur einmal im Jahr und die Obstproduzenten sind darauf bedacht, ihre Äpfel
unversehrt zu den jeweiligen Genossenschaften zu bringen. Im Vinschgau leben rund 1.800 Familien direkt vom Obstbau. Hinzu kommen Arbeitsplätze im vor- und nachgelagerten Bereich der Apfelproduktion.
Wie viele Erntehelfer kommen im Herbst in den Vinschgau, um die Äpfel von den Bäumen zu holen und wie stark ist der Mitarbeiterstab in den Mitgliedsgenossenschaften der VI.P?
Es müssen mit Sicherheit einige tausend Hände aktiv sein, um in der besagten, relativen kurzen Zeit runde 300.000 Tonnen Äpfel von den Bäumen in die Kisten zu kriegen. In unseren 7 Genossenschaften im Tal beziehen in etwa 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit verschiedensten Arbeiten betraut sind, ihr Jahreseinkommen.
Manchmal ist zu hören, dass ausländische Erntehelfer nicht unbedingt gut entlohnt werden und dass zum Teil auch die Unterkünfte nicht die besten sind. Ist da etwas Wahres dran?
Das ist lange Zeit her. Mittlerweile hat ein jeder Bauer eine würdige Unterkunft für alle seine Erntehelfer errichtet, oft sogar die bessere als seine einge. Die Entlohnung ist über den Bauernbund und über die nationalen Gesetze klar geregelt und darauf ausgerichtet, dass beide Parteien zufrieden sein können. Das zeigt auch nicht zuletzt die Tatsache, dass die meisten Bauern über Jahre und Jahrzehnte hinweg fast immer dieselben Personen zur Erntezeit auf ihren Höfen haben.
Inwieweit und wo haben Hagelschlag und andere ungünstige Wetterphänomene die Ernte 2018 beeinträchtigt?
Eine Produktion in freier Natur ist immer wieder von Wetterkapriolen gekennzeichnet. Die negativen Auswirkungen der-
selben können nur durch die Versicherung und im Falle von Hagel zusätzlich durch das Errichten von Hagelnetzen in Grenzen gehalten werden. Hagelschäden gab es heuer in den Gebieten um Partschins und Laas und in weiteren, kleineren Randzonen.
Wie wirkt sich die Erderwärmung auf den Apfelanbau aus?
Da bin ich überfragt und erwarte mir Antworten, wenn überhaupt möglich, von der Wissenschaft. Fakt ist: Sollte dieser momentane Zustand aufrecht bleiben oder sich sogar noch zuspitzen, werden wir sicher immer höhere Lagen für den Anbau gewinnen und die Ernte eher früher einfahren als bisher. Die Sorten-Palette wird sich auch in höheren Lagen erweitern. Das alles aber könnte infolge von Wasserknappheit ganz anders kommen.
Können die Bauern mit der Qualität der Ware zufrieden sein?
Grundsätzlich ja, aber maßgebend ist natürlich die Haltbarkeit, also der Zustand der Ware nach der Auslagerung im Laufe eines Jahres.
Hat der Anbau von roten Sorten in den vergangenen Jahren zugenommen?
Wir haben mittlerweile einen recht marktgerechten Mix aus alten und neuen Sorten. Mit dem Anteil an Golden bewegen wir uns in Richtung 50% unserer Anbauflächen und werden somit bereits in wenigen Jahren den Geschmacksvorstellungen der neuen Konsumentengenerationen noch besser gerecht werden können.
Wie entwickelt sich der Anbau von Clubsorten?
Dank eines gut funktionierenden Sortenerneuerungskonsortiums, das von VOG und VI.P ins Leben gerufen wurde, können die Vernetzungen zu den verschiedensten Züchtungsstationen weltweit hergestellt werden und somit wird auch der Zugang zu verschiedensten Clubsorten überhaupt erst ermöglicht. Die Bauern stehen der Sortimentserneuerung durch die Clubsorten positiv gegenüber und somit werden die Clubsorten schon in wenigen Jahren ca. 20% unserer Ernte ausmachen.
Wie stark ist derzeit der Bio-Anteil in Bezug auf die Anbauflächen und die Menge?
Auch die biologische Anbauweise nimmt weiterhin rasant zu. Wir haben bereits knapp 1.000 ha, also 18% unserer gesamten Obstbaufläche, auf biologische Produktion umgestellt. Die Produktion beläuft sich in etwa je nach Jahr auf 25.000 bis 30.000 Tonnen.
Sehen Sie im Bio-Anbau noch Luft nach oben?
Ich denke schon, dass die Grenze noch nicht erreicht ist und der Bio-Trend tendeziell steigen wird.
Was hat die sogenannte Pestizid-Debatte aus Ihrer Sicht gebracht bzw. bewirkt?
Laut meinen Dafürhalten war das eher eine teils nicht fundierte Nebenerscheinung ohne wesentliche Auswirkungen. Das „Können und das Wollen“ hängt einzig und allein von der Einstellung der Produzenten ab und nicht von den vielen Populisten, die sich gerne in den Vordergrund stellen, ohne große Verantwortung tragen zu müssen.
Sind zusätzlich zum Hochregallager, das die Obstgenossenschaft JUVAL derzeit in Kastelbell errichtet und das wegen der Höhe nicht ganz unumstritten ist, noch weitere Lager dieser Art im Einzugsgebiet der VI.P geplant?
Jede fortschrittliche Genossenschaft im In- und Ausland wird sich früher oder später gezwungen sehen, ein voll automatisiertes Hochregallager zu errichten, denn der Faktor Spesen-
ersparnis und Waren- Management wird sicher einen immer höheren Stellenwert einnehmen. Ich bin überzeugt, dass sich auch das Hochregallager in Kastelbell nach dem Abschluss sämtlicher Arbeiten gut in die Landschaft einfügen wird, und zwar so, wie das bei allen restlichen Lagern im Vinschgau der Fall ist. Dass solche Hochregallager dem einen oder anderen anfangs als etwas ungewoht erscheinen, ist klar.
Können die Bauern mit den Preisen der Ernte 2017 zufrieden sein?
Die Preise der letztjährigen Ernte sind sehr gut ausgefallen, auch wenn das nicht für alle einen Trost darstellt, weil Hagel und Frost einigen Bauern nahezu die gesamte Ernte zu Nichte gemacht hatten.
Wie schätzen Sie die zukünftige Entwicklung der Apfelvermarktung ein?
Um darauf zu antworten, bräuchte ich einen Zauberstab, denn es kann schon über Nacht in unseren Abnahmeländern etwas Unvorhergesehenes eintreten, das den „Daumen“ nach oben oder nach unten richten kann. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir zumindest einen normalen 10-Jahres-Durchschnitt erleben werden.