Porträt des Schützenmajors Martin Rochus Teimer aus Schlanders, Museum der Tiroler Kaiserjäger am Bergisel in lnnsbruck Wilten. Foto: M. v. Hye-Weinhart

„Zu Mantua in Banden der treue Hofer war“ - Bemerkungen zum Andreas Hofer-Lied

Publiziert in 4 / 2004 - Erschienen am 26. Februar 2004
Das historische Lied über das tragische Ende des Tiroler Freiheitshelden Andreas Hofer, das 1948 per Gesetz zur Tiroler Landeshymne erklärt wurde, wird heuer vermutlich 160 Jahre alt. Genau wissen wir es nicht, da – was die Entstehung der Melodie betrifft – zwei verschiedene Jahreszahlen in Umlauf sind, nämlich 1844 und 1846, während die originale Niederschrift aus der Feder des Komponisten Leopold Knebelsberger leider verloren gegangen ist. Angeblich hat Knebelsberger die Textvorlage, ein Gedicht des sächsischen Juristen und Theaterintendanten Julius Mosen, bei einer seiner zahlreichen Reisen durch Deutschland abgedruckt gefunden und sofort vertont. Beide, der Dichter wie auch der Musiker, gehörten zu jener Generation deutschnational bewegter, freiheitlich denkender Bürger, die es damals drängte, ihrer Gesinnung in Musik und Poesie Ausdruck zu verleihen und die damit verwobenen Ideen in literarischen Zirkeln und musikalischen Soireen einem gleichgesinnten Publikum bekannt zu machen. Knebelsberger war darüberhinaus als Musiker ein guter Geschäftsmann. Beide sind zu jung und zu weit weg von Tirol, um Hofers Freiheitskampf selbst miterlebt zu haben und kannten die historischen Ereignisse nur aus zweiter Hand, gefiltert durch die Meinung, die man sich in Deutschland inzwischen darüber gebildet hatte. Andreas Hofer war darin ein Kämpfer und Märtyrer des Deutschen Reiches, eine Zuschreibung, die vor allem in studentischen Kreisen wach gehalten wurde. Diese waren damals eine große bewegende Kraft am Puls der Zeit. 1815 war in Jena die erste studentische Burschenschaft gegründet worden, woraus rasch eine burschenschaftliche Bewegung an allen deutschen Universitäten entstand, die zwar wegen wachsender Radikalisierung immer wieder unterdrückt wurde, aber im Grunde nicht aufzuhalten war und ab 1848 schließlich unbehelligt blieb. Viele Burschenschafter waren politisch aktiv in Richtung nationaler Einigung. Der Freiheitskampf der Tiroler schien ihnen dafür ein geeignetes Symbol zu sein. Wie sehr man sich mit tirolischem Freiheitsstreben identifizierte, zeigt eine bezeichnende Episode aus dem Leben Heinrich Hermann Riemanns, eines Jenaer Theologiestudenten, der 1817 der Hauptredner des berühmten “Wartburgfestes” der Burschenschafter war. Er hatte sich, so heißt es in seiner Biographie, als Student eine dreitägige Karzerstrafe zugezogen, weil er gejodelt hatte. Jodeln war nämlich damals unter deutschgesinnten Studenten sehr beliebt, weil es als ein Stück Tirol-inspirierter Selbstbehauptung ein versteckter Ausdruck der Rebellion gegen die Franzosen war. Um keine Schwierigkeiten mit der damaligen französischen Besatzungsmacht zu haben, hatte der Rektor das „in modum Tiroliensem ululare“ jedoch kurzerhand verboten. Dort, in Jena, finden wir auch den 1803 geborenen Julius Mosen als Jusstudenten, wo er der Burschenschaft “Germania” beitrat. Er machte nach dem Studium eine Karriere als Jurist, aber seine Liebe gehörte der Literatur. Er schrieb Gedichte und Theaterstücke und wurde schließlich als Dramaturg im Theater in Oldenburg angestellt. Nach längerer Krankheit starb er 1867. Das Gedicht „Andreas Hofer“ schrieb er 1831; es wurde erstmals 1833 in dem von Gustav Schwab und Adalbert von Chamisso herausgegebenen „Musenalmanach“ publiziert. Leopold Knebelsberger, Erfinder der Melodie, wurde am 15. September 1814 in Klosterneuburg als Sohn des Lehrers, Organisten und Mesners an der dortigen Martinskirche geboren. Er erhielt den ersten Musikunterricht von seinem Vater und soll schon als Kind an der Orgel der Martinskirche gesessen sein, an der zwei Generationen vorher der ebenfalls aus Klosterneuburg gebürtige Theorielehrer Beethovens und spätere Domkapellmeister von St. Stephan in Wien, Johann Georg Albrechtsberger (1764-1809), gewirkt hatte. Leopold Knebelsberger selbst starb unerwartet und verhältnismäßig jung an einem Gehirnschlag, der ihn am 30. Oktober 1869 während einer Tournee in Riga ereilte, wo er auch - ebenso wie zufällig auch sein einstiger Lehrer Kreutzer - begraben ist. Knebelsberger ist als Nationalsänger, soweit wir das nachvollziehen können, mit mehreren Gruppen gereist. Sie präsentierten sich – je nachdem - als Steirer, Kärntner, Wiener, Tiroler, Zillertaler, Erzgebirgler u.a., was aber nicht unbedingt etwas über die Herkunft der mitwirkenden Personen aussagt. Aber nicht nur Knebelsbergers Gesellschaften, auch andere National-sänger, hatten das Lied im Repertoire. Das „Hoferlied“ wurde – so ist es den verschiedenen Zeitungsmeldungen zu entnehmen - als Baßsolo gesungen, in das bei den Refrains am Ende jeder Strophe im Chor die anderen Sänger einstimmten. Es wird berichtet, daß Knebelsberger als guter Geschäftsmann mit seiner Zillertaler Sängergesellschaft regelmäßig das „Hoferlied“ unter stürmischem Beifall vortrug und das gedruckte Lied mit seiner Vertonung in den Pausen von den Sängerinnen verkaufen ließ. Von Knebelsberger stammen noch zahlreiche weitere Kompositionen, über die wir aber nur teilweise Bescheid wissen, da sein Notennachlaß leider verheizt wurde. Am populärsten wurde jedoch das Andreas Hofer-Lied, das schon im 19. Jh. in zahlreichen Studentenliederbüchern abgedruckt wurde und auch schon vor seiner Hymnen-Werdung im lebendigen Volksgesang verankert war. Es wurde immer wieder als „Volkslied“ bezeichnet, was lange Zeit auch der Anlaß für Zweifel an der Autorschaft Knebelsbergers war. Die Melodie wurde mehrfach für andere Texte historisch-politischer Lieder verwendet. Daß diese Melodie so oft im Parodieverfahren für verschiedenste historische und politische Lieder verwendet wurde, liegt an ihrer Qualität. Sie zeigt eine Gestik, die von Kantaten der Französischen Revolution bis zum Liedgut totalitärer Systeme immer wieder angewendet wurde, um die Dualität von Agression und Sentiment auszudrücken. Dazu gehört der Effekt des Moll als Symbol der düsteren Vergangenheit, das durch den Aufmarsch der Massen in das strahlende Dur umschlägt, und der Einsatz der Subdominante als Element der Selbstbemitleidung als Opfer eines notwendigen Kampfes. Wer Verständnis für Historisches hat, kann auch diese Melodie mögen, genauso wie den Text, der Andreas Hofer bekanntlich für ein Anliegen vereinnahmt, das er nie vertreten hat. Als 1993 der damalige Tiroler Landeshauptmannstellvertreter Hans Tanzer den Vorschlag machte, diese Hymne wegen der Passagen über „ganz Deutschland“ und das „deutsche Reich“ durch eine andere zu ersetzen, löste er einen Sturm der Entrüstung aus. Horst Christoph stellte sich damals in der Zeitschrift „Profil“ auf seine Seite und erläuterte: „Andreas Hofer selbst hatte das gerade unter Druck Napoleons aufgelöste Heilige Römische Reich Deutscher Nation nie im Sinn. Der Südtiroler Weinhändler und konservative Katholik bekannte sich zum Haus Habsburg und führte den Tiroler Freiheitskampf weniger gegen Napoleon als gegen die “boarischen Vaken” (“bayrischen Schweine”), die dem Land neue Verwaltungsstrukturen aufprägen wollten, nachdem Tirol im Frieden von Preßburg an Bayern abgetreten worden war...“ Im vergangenen Jahr war der 200. Geburtstag des Textdichters Julius Mosen zu feiern. In Innsbruck wurde aus diesem Anlass am Traditionsgasthof „Goldener Adler“ in der Innsbrucker Altstadt auf Initiative des Besitzers Dr. Hans Paul Cammerlander ein von Prof. Emmerich Kerle geschaffenes Bronzerelief angebracht, das Julius Mosen und Leopold Knebelsberger zeigt. Knebelsberger wird darin als „Komponist aus dem Zillertaler Rainer Kreis“ bezeichnet, was zwar durch keinerlei Quellen gestützt ist, aber natürlich ein Anliegen vermittelt. Geschichtsfälschungen sind in diesem Sinn auch eine Art von Wahrheit. [K] Dr. Gerlinde Haid hat dem „Vinschger“ diesen (hier in Auszügen abgedruckten) Aufsatz überlassen, in dem das politische und stilgeschichtliche Umfeld des Dichters und Komponisten des Andreas Hofer Liedes ausführlich dargestellt wird. Frau Prof. Haid ist Leiterin des Institutes für Volksmusikforschung der Universität Wien. Der Heldenkampf des Tiroler Volkes unter Andreas Hofer wurde in Deutschland als Signal für den Widerstand gegen Napoleon empfunden. Hofers Heldentod erschütterte die Menschen, es entstanden zahlreiche Gedichte, Romane und Theaterstücke, sogar Opern wurden ihm gewidmet.Vielleicht könnte eines dieser Musikwerke wieder entdeckt und aufgeführt werden? Es gibt also auch künstlerische und sogar wirtschaftliche Nachwirkungen. Als „Gewinner“ hervorgegangen aus diesen Freiheitskriegen sind allerdings nur wenige, so zum Beispiel Martin Rochus Teimer. Er hat sich bereits bei den Kämpfen der Jahre 1796 - 1799 ausgezeichnet und wurde schon damals zum Hauptmann befördert. Als verdienstvoller Kriegsveteran bekam er den Posten eines Tabakverlegers in Klagenfurt, von hier aus hat er zusammen mit dem Erzherzog Johann den Aufstand von 1809 vorbereitet. Wegen seiner Österreichtreue bekam er später vom Kaiser das Rittergut Herbersdorf in der Steiermark geschenkt, wo er 1838 verstarb. „Durch entschlossenes Auftreten gelang es Martin Teimer aus Schlanders im Vinschgau am 12. April 1809, den französischen General Bisson mit 2500 Mann in Innsbruck-Wilten gefangen zu nehmen. Bisson glaubte einer Übermacht von Tiroler Schützen gegenüber zu stehen und kapitulierte. Teimer wurde für diesen Handstreich mit dem österreichischen Militär-Maria -Theresien-Orden (weißes Halskreuz) ausgezeichnet und in den Freiherrnstand "zu Wiltau" (Wilten) erhoben. Im Gegensatz zu Andreas Hofer verließ Teimer, der im Juni 1809 zum ,,Oberkommandanten im Ober- und Unterinntal" ernannt worden war, nach dem Waffenstillstand von Znaim (12. Juli 1809) das Land“. (Bildtext entnommen der Ausstellung zum Tiroler Freiheitskampf, veranstaltet von den Schützen des Vinschgaus 2003 im Kulturhaus von Schlanders). [/K] Begleittext und Gestaltung:Hans und Ulrich Wielander

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