Wo ist die Heimat geblieben?
Schluderns - Die Option war auch für die Vinschger Bevölkerung ein einschneidendes Erlebnis, das bis heute wenig verarbeitet und noch weniger verdaut ist. „Das Thema braucht noch viel Reflexion“, sagte Herbert Raffeiner kürzlich in seinem Vortrag im Vintschger Museum in Schluderns. „In sehr vielen Familien ist das Thema Option irgendwie heute noch präsent“. Und noch heute regt sich in vielen Menschen der Zweifel, ob es richtig war auszuwandern bzw. zurückzuwandern, denn wo ist die Heimat geblieben? Nachdem Südtirol im Friedensabkommen von St. Germain Italien zugesprochen wurde, regte sich bereits erster Widerstand, der besonders dann verstärkt wurde, als die ersten Tiroler Buben im Jahr 1921 zum italienischen Militär mussten. Mit großer Hoffnung schauten alle Südtiroler ins Deutsche Reich. In den Dörfern bildeten sich volkstreue Zirkel und verbotene Zellen, in denen das Deutschtum zelebriert wurde. Als der Optionsgedanke auf diesen Nährboden fiel, hatte es der VKS (Völkischer Kampfring Südtirol) nicht schwer, von den 214.000 optionsberechtigten Südtirolern 180.000 zur Option zu animieren. Ein geschlossener Siedlungsraum in Polen und in Burgund wurde den Auswanderern versprochen, Wohnungen und Arbeitsstellen wurden vermittelt. Es war wohl der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, der die große Auswanderung verhindert hat, so dass „nur“ 75.000 Menschen auswanderten und davon 25.000 nach dem Weltkrieg wieder zurückkamen. Ein vergessenes Detail: jene, die für Deutschland optiert hatten und dann nicht ausgewandert sind, haben die italienische Staatsbürgerschaft erst nach ca. 10 Jahren wiedererlangt. In dieser Zeit waren sie staatenlos. Noch bis zum 3. November läuft die Ausstellung „gehen oder bleiben“ im Museum von Schluderns, und wer könnte besser dazu referieren als Herbert Raffeiner? Mit fundamentalem Hintergrundwissen sowie einer Brise Ironie und Humor sprach er vor zahlreichem Publikum über die Auswirkungen der Option auf den Vinschgau. Er zitierte Gemeinderatsbeschlüsse, las aus Briefen und erzählte von Menschen und Familien, die in die Mühlen der Propaganda geraten waren. „Ein Riss zog sich durch die Bevölkerung und vielfach auch durch die Familien“, so
Raffeiner.