Lichtenberg

Publiziert in 17 / 2004 - Erschienen am 9. September 2004
Fotos: Florian Peer, Text: Andrea Perger [F] Traditionelle Lebensweisen [/F] [K] Ortsnamensbedeutung: Erstmals urkundlich erwähnt 1220 als "Suvendes", Mundart: "Liachtapärg", amtl. ital. Name: "Montechiaro". Vom Familiennamen "Lichtenberg", der erstmals 1296 aufscheint. Quellen: "Die Ortsnamen Südtirols und ihre Geschichte", von Egon Kühebacher 1991 "Vinschgau" von Josef Rampold, Auflage 1997 Informationen: verschiedene Lichtenberger Textbeitrag: Ernst Gögele [/K] [F] Historisches [/F] Durch Funde von Wällen, Wohngruben, Tonscherben und Knochen am nahen Kapellhügel wurde die Besiedlung des Lichtenberger Gebietes eindeutig als prähistorisch eingestuft. Weithin sichtbar thront die Ruine der Burganlage Lichtenberg oberhalb des gleichnamigen Dorfes. Aus einem Bericht des Grafen Oswald Trapp geht hervor, dass dieses Schloss neben Schloss Runkelstein zu den wertvollsten, größten und prunkvollsten des Landes gehörte. Erbaut wurde die Anlage im 13. Jh. von den Rittern von Lichtenberg. Doch bereits davor stand an dieser Stelle eine Wallburg der Bischöfe von Chur. Die Ritter von Lichtenberg starben im männlichen Geschlecht jedoch 1430 aus, der letzte Ritter Daniel hinterließ die Anlage seinen beiden Töchtern, worauf ein heftiger Erbstreit entbrannte. Die Burg kam an die Brüder Gadner, 1513 kaufte sie Pankratz Khuen. Unter dem Geschlecht der Khuen, in dessen Besitz sich die Ruine bis heute befindet, blühte der Adelssitz auf. Als Sammelpunkt für Künstler, Fürsten und allerlei nobler Gesellschaft wurde die Burg mit vielen Bildern, Fresken, Wappen, und wertvollen Einrichtungsgegenständen ausgestattet. Auch im Außenbereich kamen Anbauten hinzu. Hinter der Burg befand sich ein See. Seit dem Jahre 1809 ist der künstlerisch und historisch wertvolle Bau dem Verfall preisgegeben. Die Vinschger sperrten im Krieg die gefangenen Franzosen ins Schloss. Diese konnten ein Loch in die Mauer auf der Rückseite brechen und entkamen. Vor ihrer Flucht legten sie Feuer. Das noch Brauchbare wurde schließlich von den Bewohnern der Umgebung geplündert. Die Pfarrkirche des Ortes wird 1313 erstmals erwähnt. Der romanische Bau wurde im Jahre 1539 von einer großen Mure unter sich begraben, die ebenfalls Teile des Dorfes verschüttete. An derselben Stelle wurde die jetzige Kirche im spätgotischen Stil erbaut. Finanziert wurde der Bau großteils vom Salzburger Erzbischof Jakob Khuen. [F] Dorfzahlen [/F] Im kleinen Dörfchen Lichtenberg leben etwa 390 Menschen. Lichtenberg liegt auf einer Meereshöhe von 920 Metern. Die Siedlungsgrenze der Lichtenberger Höfe liegt bei über 1500 Metern Meereshöhe. [F] Dorfleben [/F] Einen Einblick in die bewegte Vergangenheit des Dorfes bietet folgender Beitrag von Ernst Gögele: "Nach den Kriegsjahren bis Anfang der 70er Jahre gab es in Lichtenberg und im oberen Vinschgau sehr wenige Möglichkeiten bares Geld zu verdienen, um die Existenz zu sichern. Deshalb wurde von vielen Lichtenbergern und Obervinschgern in der Schmuggelei ein Nebenverdienst gefunden. Nach der damals sehr schweren Bauernarbeit tagsüber, wurde zusätzlich – meist nachts - auch noch der viele Stunden lange und bei jeder Witterung gefährliche Weg der Schmuggelei über die Berge von der Schweiz in den Vinschgau auf sich genommen. Kein Wunder, dass bei einem Gewicht von etwa 40 Kilo Zigaretten mit Proviant und einer Gehzeit von acht bis vierzehn Stunden, je nach Situation und Schneeverhältnissen, gar mancher Schmuggler O-Beine bekam. An Zähigkeit, Wagemut und Schlauheit waren diese Männer wohl kaum von jemandem zu übertreffen! So wurde manche Finanzwache in nächster Nähe geräusch- und spurlos umgangen. Allerdings wurden die Schmuggler manchmal auch von den stets bewaffneten, sportlichen und mutigen Finanzern verfolgt, so dass nur mehr der Abwurf der schweren und teuren Last zur Flucht und Freiheit verhalf. Es wurden sogar Polizeihubschrauber eingesetzt um die "Schmugglerbande" einzufangen, aber ohne größere Erfolge. Zum Glück wurde die wirtschaftliche Situation in Lichtenberg besser, somit musste nicht mehr diese gefährliche und nervenaufreibende Schinderei als Gelderwerb verrichtet werden. "Heute verrichten die Lichtenberger legale Tätigkeiten. Ein großer Teil der Bevölkerung lebt von der Landwirtschaft. Obwohl das Dorf eine recht günstige Lage hat, in der Obst- oder Gemüsebau problemlos möglich wäre, hat sich in Lichtenberg die Milchviehwirtschaft gehalten. So entstanden in den letzten Jahren neue Stallungen und landwirtschaftliche Gebäude für die Viehzucht, so dass eine Umstellung auf Obst und Gemüse in den nächsten Jahren eher nicht zu erwarten ist. Dem Dorfbild kommt dies sehr zugute. Hier kann man noch den traditionellen Vinschgau spüren, fern von Monokultur. So findet man gleich unterhalb des Dorfes eine Wiese, in der riesige Palabirnbäume stehen. Zwar haben sich auch in anderen Ortschaften einzelne Bäume erhalten, aber nicht ein ganzes Feld. Seine besondere Schönheit entfaltet diese Wiese im Frühjahr, wenn die Blüten der Bäume in reinem Weiß strahlen. Neben diesen Baumriesen finden sich im und rund ums Dorf Marillenanlagen. Die meisten sind jedoch nur für den Eigengebrauch gedacht, aber für Nachbarn, Freunde und Verwandte reicht die Ernte dann meistens auch noch. In einer oft schwierigen Lage sind dagegen die Bauern auf den Lichtenberger Höfen. Ihre Zukunft ist teilweise ungewiss. Auf manchen Höfen leben nur noch ältere Leute, die jungen bevorzugen die einfachere Arbeit im Tale. So mancher Bauer findet keine Bäuerin, die ihr Leben auf den abgelegenen Höfen verbringen möchte. So stehen einige der Gehöfte vor ihrer wahrscheinlichen Auflassung. Den Kirchtag feiern die Lichtenberger am Dreifaltigkeits- Sonntag im Juni. Nach der Messe veranstaltet die Feuerwehr ein Wiesenfest. Neben der Feuerwehr gibt es im Dorf einen Freizeitverein, mehrere kleine, vorwiegend bäuerliche Vereine und einen erfolgreichen Schachverein. Dieser ließ immer wieder auf Wettbewerben aufhorchen. Etwas oberhalb des Dorfes auf einem Hügel steht das kleine Kirchlein St. Christina. In dieser Kapelle ist neben der namensgebenden Patronin ein Bildnis des heiligen Martins, dem Schutzpatron der Haustiere. Im Frühjahr und am 11. November, dem Tag des heiligen Martin, findet ein Bittgang zum Kirchlein statt. Ansonsten verläuft das Jahr in Lichtenberg eher ruhig. Der Tourismus ist mehr als bescheiden. Der Radweg verläuft außerhalb der Ortschaft entlang der Etsch. So verirrt sich selten ein Gast nach Lichtenberg und versäumt dabei so viel: ein reizvolles Örtchen mit freundlichen, bescheidenen Einwohnern und traditioneller Struktur. [F] Wanderung [/F] Die Lichtenberger Höfe waren lange Zeit nur über steile Wege von Lichtenberg aus erreichbar. Jetzt gibt es eine Zufahrtsstraße, die westlich von Lichtenberg abzweigt. Der alte Weg ist dadurch zu einem Wanderweg geworden, über den man die Lichtenberger Höfe bequem erreicht. Wer sich mit der Wanderung zu den Höfen und der dortigen sehenswerten Josefskapelle nicht begnügt, gelangt von hier aus weiter über die Lichtenberger Almen bis zum Glurnser Köpfl oder zum Piz Chavalatsch. Auf den Lichtenberger Almen wurde die Milchviehwirtschaft vor einigen Jahren aufgegeben, Käse und Butter sucht man hier leider vergebens, doch verlaufen hier zahlreiche Wege, die in den letzten Jahren verstärkt bei Mountainbikern großen Anklang fanden. Vorschau: 23.09.04 - Katharinaberg 07.10.04 - Goldrain
Vinschger Sonderausgabe

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