Flaut Borkenkäfer-Welle langsam ab?
Georg Pircher: „Der Gipfel dürfte überschritten sein.“ Wälder seit Jahren im Dauerstress.
Prad - Die großflächige und massive Ausbreitung des Fichtenborkenkäfers in Südtirols Fichtenwäldern war nur eines der Themen, über die Georg Pircher, der Direktor des Forstinspektorates Meran und derzeit auch noch geschäftsführender Leiter des Forstinspektorates Schlanders, am 25. Oktober im Bürgersaal in Prad referierte. Mit dem Titel „Unsere Wälder im Dauerstress wegen des Klimawandels“ hatte der Bildungsausschuss Prad eine brandaktuelle und breitgefächerte Thematik für den gut besuchten Vortagsabend ausgesucht. „Der heutige Vortrag kann als Fortsetzung des Referates gesehen werden, zu dem wir im Vorjahr den Klimaforscher Georg Kaser in diesem Saal begrüßen konnten, der uns schonungslos über die Klimakrise und die daraus zu erwartenden dramatischen Folgen informierte“, sagt Werner Altstätter, der Vorsitzende des Bildungsausschusses, und dankte alle Mitorganisationen: Forststation Prad, Gemeinde, Zivilschutz Prad, Eigenverwaltungen Prad und Lichtenberg sowie Bauernbund.
Zahl der Wetterextreme steigt
Gestützt auf Daten zur weltweiten und lokalen Entwicklung der durchschnittlichen Temperaturen zeigte Georg Pircher einleitend auf, wie rasch es auf der Erde in der jüngsten Zeit immer wärmer wurde. Die Wissenschaft weise zwar schon seit Jahrzehnten auf den Klimawandel und die Notwendigkeit einer Reduktion der Treibhausgase hin, doch dass es gelingt, den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen und somit dieses Klimaziel zu erreichen, sei unwahrscheinlich. Dass die Jahresmitteltemperatur im Alpenraum im globalen Vergleich stärker steigt, belegte Pircher mit Messdaten aus Innsbruck, Naturns, Schlanders und dem Kloster Marienberg. Wetterextreme wie Starkregen, Stürme, Überflutungen, Hitzewellen sowie extreme Dürre und Trockenheit werden infolge des Klimawandels immer häufiger und werden auch an Intensität zunehmen. Die Wetterextreme setzen auch den Wäldern zu, die schon seit Jahren im Dauerstress sind. Der Forstinspektor erinnerte an das „Föhrensterben“ im Frühjahr 2017, als weite Teile des Sonnenbergs im Vinschgau braun gefärbt waren, an die Schäden des Sturmtiefs „Vaia“ 2018, die Schneedruckschäden der Jahre 2019 und 2020 und an den Borkenkäferbefall seit 2021. Insgesamt belaufen sich die landesweiten Schadflächen zurzeit auf rund 16.000 Hektar, was rund 4,7 Prozent der Waldbestände entspricht, wobei die Schadholzmenge ca. 10 Millionen Vorratsfestmeter beträgt.
Nicht nur der Buchdrucker
macht Probleme
Den Klimawandel bezeichnete Georg Pircher als ein doppeltes Problem, weil zusätzlich zur
Insektenentwicklung auch die Waldschwächung dazukommt. Für den Buchdrucker oder „Großen Achtzähnigen Fichtenborkenkäfer“ war das heurige Jahr ein schlechtes: Es gab viele Niederschläge und nicht befallene Fichten konnten sich daher besser wehren. Georg Pircher schätzt, dass der Gipfel des Fichtenborkenkäferbefalls mittlerweile überschritten ist und der Befall jetzt langsam abflauen dürfte. In der Regel erstrecken sich Befalls-Wellen auf 4 bis 5 Jahre. Der Käferbefall im Vinschgau und ganz Südtirol ist auch deshalb besonders problematisch, weil rund ein Drittel der betroffenen Flächen als Objektschutzwald fungiert. Die Schutzfunktion der Wälder ist bzw. wird somit vielerorts eingeschränkt. Zusätzlich zum Buchdrucker ist seit einiger Zeit auch ein vermehrtes Auftreten des Lärchenborkenkäfers und Kiefernborkenkäfers zu beobachten, und zwar nicht nur an einzelnen Bäumen, sondern in größeren Beständen. Dabei ist der vermehrte Befall von Schädlingen nur eine der Auswirkungen des Klimawandels. Hinzu kommen Veränderungen der bisher gewohnten Höhenstufen des Waldaufbaus. Einige Baumarten „drängen“ zum Beispiel in höher gelegene Zonen.
Handlungsbedarf bei
Lärchen und Trockentanne
Einen akuten Handlungsbedarf sieht Georg Pircher u.a. im über 7.000 Hektar umfassenden Lärchenschutzwald im Vinschgau. Das Bestandsalter vieler Bäume liegt bei über 200 Jahren, sodass vielerorts eine Verjüngung notwendig wäre. So gut wie keine Verjüngung gibt es bei der Trockentanne im Vinschgau. Pircher: „Jungtannen sind für Hirsche und Rehe ein Leckerbissen, sodass de facto überhaupt keine nachwachsen.“ Dabei sei die Trockentanne als genetische Ressource im Vinschgau besonders erhaltenswert. Die Wildverbiss-Belastung beim Nadelholz habe von 1995 bis 2015 trotz einer Verdoppelung der Abschüsse nicht abgenommen. Informiert hat Pircher u.a. auch über den Kiefernprozessionsspinner, der mittlerweile auf Höhen bis zu 1.300 Metern und darüber vorgestoßen ist. Schon seit 1996 arbeitet das Forstinspektorat Schlanders an einer Umwandlung von Schwarzkiefernbeständen in laubholzreiche Mischwälder.