Marathon mit Endspurt
Walter Gostner: „Erneuerbare Energiequelle, rasch und gut gebaut, ökologisch sauber und sicher trotz eines anfänglichen Zwischenfalls.“
Laatsch - Betrachtet man die Entstehungsgeschichte des Rambach-Kraftwerks, drängt sich der Vergleich mit einem Marathon-Rennen auf. Nach einem jahrelangen, mühseligen, konfliktreichen und verhandlungsintensiven Vorlauf - man denke nur an die Volksabstimmung, die Streitereien um die Beteiligung oder den Hickhack rund um die Konzessionsvergabe - kann der eigentliche Bau des Werks als erfolgreicher und gut gelungener Endspurt angesehen werden. Es war im August 2018, als man sich bei der konstituierenden Sitzung der Rambach Konsortial GmbH darauf einigte, auch die Gemeinde Glurns als Gesellschafterin mit aufzunehmen. Walter Gostner, der Präsident der GmbH, und die Verwaltungsratsmitglieder Christoph Prader und Norma Waldner machten sich sofort daran, einen zwar engen, aber doch realistischen Zeitplan für den Bau des Werks festzulegen. „Es ist uns gelungen, parallel zur Abwicklung von Genehmigungsverfahren und weiteren Verwaltungsprozeduren wie etwa die Sicherung der Grundverfügbarkeiten, das Auflagenheft mit darauffolgender Ausstellung der Konzession, die teils nicht leichten Entscheidungen der Gesellschafterversammlung, die Sicherung der Finanzierung und der Wirtschaftsplan, immer auch die konkrete Planung und die Ausschreibung der Arbeiten voranzutreiben sowie auch die Lieferung der elektromaschinellen Ausrüstung“, blickt Walter Gostner zurück. Das führte dazu, dass bereits am 20. September 2019 mit den Arbeiten begonnen werden konnte. Es galt, die Fassungsstelle samt Sandfang und Fischtreppe in Puntweil nahe der Grenze zur Schweiz zu errichten, sowie die etwas über 6 Kilometer lange Druckleitung und das Krafthaus in Laatsch. Die Wasserkonzession hatte die Rambach GmbH erst 3 Wochen vorher bekommen. Der ehrgeizige Plan, das Werk im Mai 2020 in Betrieb zu nehmen, ging nahezu auf. Die ungünstigen Wetterverhältnisse im Herbst 2019 - es gab u.a. ergiebige Schneefälle - konnten den Fortschritt der Arbeiten nicht wirklich hemmen. Auch während der Corona-Krise gab es nur kurze Ausfälle. Eingehalten werden konnte der straffe Bauzeitenplan, weil alle Beteiligten (Berater und Dienstleister, Baufirmen, Gesellschafter) an einem Strang gezogen haben.
„Kein Werk einer Hexe“
Als am 6. Juni 2020 nach 22 arbeitsintensiven Monaten erstmals Wasser in die Druckleitung geleitet wurde, um den Probebetrieb aufzunehmen, kam es bei Rifair zu einem unerwarteten Wasserausbruch. Laut Walter Gostner war der Hals von einem der 6 Mannlöcher entlang der Rohrleitung geborsten. Mannlöcher sind auf der Druckleitung montierte Öffnungen, in die man in das Innere der Druckrohrleitung gelangt. Sie werden für Inspektionszwecke eingebaut. Nicht dem Druck standgehalten hat das Mannloch laut Gostner aufgrund eines Herstellungsfehlers. Zumal nicht ausgeschlossen werden konnte, dass auch die restlichen Mannlöcher mit einem Produktfehler behaftet sind, wurde beschlossen, alle Mannlöcher auszutauschen, mit geraden GFK-Rohrteilen zu ersetzen und zu schließen. Aus GFK (Glasfaserverstärkter Kunststoff) bestehen auch die Rohre der Druckleitung, die einen Durchmesser von 1,2 Meter haben. Walter Gostner: „Die Sicherheit steht an oberster Stelle. Es war besser, alle Mannlöcher auszutauschen, auch wenn jetzt Inspektionen in der Leitung vorerst nicht möglich sind.“ Die Sicherheit der Druckleitung sei jetzt gleich hoch wie jene bei jeder neuen Druckleitung. „Ein Werk der ‚Rambachhexe’ war dieser Zwischenfall nicht“, scherzt Gostner.
„Günstig gebaut“
Die Gesamtkosten des Vorhabens beliefen sich auf ca. 11 Millionen Euro. Dass das Werk insgesamt gesehen günstig errichtet werden konnte, führt Gostner einerseits darauf zurück, dass die Firmen aus dem Vinschgau, die sich bei den Ausschreibungen den Großteil der Arbeiten sicherten, gute Angebote unterbreitet haben, und dass es andererseits stets eine gute Zusammenarbeit mit den Gesellschaftern, den Firmen, dem VEK (Vinschgauer Energiekonsortium sowie auch mit den Grundeigentümern gegeben habe, die ihrerseits immer ein Entgegenkommen gezeigt hätten. Die Finanzierung des Vorhabens haben die Gesellschafter anteilsmäßig auf die Beine gestellt und dabei entweder Darlehen aufgenommen oder zum Teil auch Eigenmittel eingesetzt. Die größte Beteiligung am Rambachwerk hält die Gemeinde Taufers im Münstertal (39%), gefolgt von der Gemeinde Mals (27%), der Gemeinde Glurns (20%), der Fraktion Laatsch (8%), der Gemeinde Schluderns (3%) und der SEG (3%). Wenngleich es für dieses Wasserkraftwerk keine staatlichen Förderungen gibt, wird sich das Rambachwerk laut Gostner mittel- bzw. langfristig wirtschaftlich sicher rechnen: „Der Strompreis ist derzeit zwar im Keller, aber das wird nicht immer so bleiben. Dass das Werk nach 6 Jahren abgeschrieben sein wird, ist andererseits auch nicht realistisch. Aber Gewinne wird es über kurz oder lang sicher geben. Auch unter schlechtesten Bedingungen, wie wir sie zum Beispiel heuer haben, würde das Werk, das jährlich rund 21 Millionen Kilowattstunden produziert, einen Umsatz von mindestens 600.000 Euro bringen.“ Dass sich die Darlehen mit möglichst hohen Jahreserträgen leichter bedienen lassen, liege auf der Hand. Nicht zu vergessen seien auch die Zusatzeinkünfte der Ufergemeinden Taufers und Mals in Form von Uferzins und Ausgleichszahlungen. „Als Ufergemeinden können Taufers und Mals anteilsmäßig mit jährlichen Zusatzeinnahmen im Ausmaß von 80.000 bis 100.000 Euro rechnen.“ Wünschenswert wäre, wenn diese Geldmittel gezielt für Umweltmaßnahmen am Rambach verwendet würden.
„Keine Belastung für den Fluss“
Durch die Nutzung eines Teils des Wassers aus dem Rambach für die Produktion von erneuerbarer Energie erfährt dieses Gewässer laut Gostner keine ökologische Beeinträchtigung: „Im Gegenteil. Nach Ansicht des Biologen, der uns beraten hat, ist sogar mit einer Aufwertung der Fischfauna zu rechnen, nicht zuletzt auch deshalb, weil bei der Fassungsstelle in Puntweil eine Fischtreppe errichtet wurde.“ Außerdem wurde als sogenannte Ausgleichmaßnahme von der Fraktion Laatsch für rund 300.000 Euro ein ca. 8.000 Quadratmeter großes Grundstück angekauft, das direkt am Fluss in Laatsch liegt, und wo u.a. eine Flussaufweitung und weitere Umweltmaßnahmen geplant sind. Das Grundstück geht dann in das Eigentum des Landes über und wird somit ein Ruhe- und Erholungsraum für alle. Nichts abgewinnen kann Gostner, für den seine Arbeit als Wasserbauingenieur seit jeher „Beruf und Berufung“ ist, dem Argument, wonach mit dem Bau des Kraftwerks das letzte frei fließende Fließgewässer in den Alpen betroffen wäre: „Von Glurns bis Laatsch ist der Rambach eine ‚Autobahn’ und von Laatsch bis Rifair eine ‚Sperrenstaffel’.“ Unter freien und unberührten Fließgewässern verstehe er etwas anderes: „Beispiele dafür gibt es noch, auch bei uns.“
Generationenwerk
Walter Gostner, der übrigens in Innsbruck und Rom studierte, eine zweijährige Spezialisierung in der Schweiz absolvierte und seit über 20 Jahren beim Unternehmen „Ingenieure Patscheider & Partner GmbH“ in Mals arbeitet, ist überzeugt, dass am Rambach ein gut gelungenes Generationenwerk entstanden ist: „Hier wird mit unserem Wasser erneuerbare Energie produziert. Der Strom wird direkt in das lokale Stromnetz eingespeist. Diese Investition ist umweltfreundlich und nachhaltig, sie stärkt die lokalen Kreisläufe, speist die Kassen der Gemeinden und anderen Gesellschafter dauerhaft mit Geldmitteln und kommt somit der gesamten Bevölkerung des Einzugsgebietes zu Gute.“ Ein weiterer positiver Nebeneffekt hat sich dadurch ergeben, dass beim architektonisch ansprechenden, zum Teil mit Holz verkleideten Krafthaus ein Abzweiger errichtet wurde, von dem aus ab dem Frühjahr 2021 die Leitung für die Beregnungsanlage Mitterwaal in Glurns gespeist werden kann. Die bisherige Beregnungsleitung zwischen Rifair und Laatsch kann somit abgebaut werden.
Konsortial GmbH in Liquidation
Wie berichtet, befindet sich die Rambach Konsortial GmbH mittlerweile in Liquidation. Aufgelöst wird die GmbH deshalb, weil es nach Ansicht der Mehrheit der Gesellschafter für die Gemeinden günstiger ist, dass das Kraftwerk von einer Gemeinde geführt wird und nicht von einer Konsortialgesellschaft. Die Führung soll demnach der Gemeinde Taufers übertragen werden, der größten Gesellschafterin. Mit der technischen Betriebsführung ist das VEK betraut worden. Aufgrund der Diskussionen rund um die Führungsform, die medial teilweise arg aufgebauscht wurden, drohte in der öffentlichen Wahrnehmung das unterzugehen, worum es tatsächlich ging und geht: um ein neues Kraftwerk im Obervinschgau. Walter Gostner ist dankbar dafür, dass er die Aufgabe als Präsident der GmbH hat erfüllen dürfen. Wenngleich es die GmbH samt dem Verwaltungsrat nicht mehr gibt, wartet der bisherige Präsident der bisherigen Führung mit einem konkreten Ratschlag auf: „Es sollte versucht werden, mit den Fischern gut zusammenzuarbeiten, damit ein Einvernehmen zustande kommt.“ Ein solches habe man bisher leider nicht erreichen können.