Einfahrt Staben West.

Wieviel Ruhe verträgt Naturns?

Publiziert in 13 / 2002 - Erschienen am 4. Juli 2002
[K]Wie bei einem Uhrwerk ist der Bau der beiden Tunnels in Naturns und in Staben vorangetrieben worden. Die Arbeiten sollen heuer schon im Wesentlichen abgeschlossen werden. Der Eröffnungstermin steht bereits fest. Auf allen Ebenen bereiten sich die Naturnser auf die Zeit nach dem Durchzugsverkehr vor. von Erwin Bernhart[/K] [F]Freitag im Juni, etwa 14 Uhr. Siesta in Naturns, kaum ein Mensch unterwegs, zu Fuß zumindest, ansonsten wälzt sich Blech an Blech durch das Dorf. Die Ampeln im Dorfbereich schalten auf Rot, obwohl sich weit und breit kein Fußgänger befindet. Die Mauern beidseits der Hauptstraße werfen den Motorenlärm zurück zu den Verursachern.[/F] [F]Aufatmen[/F][F][/F] werden nicht nur die Naturnser selbst, sondern auch die Autofahrer, denen das Nadelöhr Naturns seit Jahren ein Gräuel ist. Vorbei werden wahrscheinlich auch die Zeiten sein, in denen Naturns mit Gratiswerbung im Verkehrsfunk diverser Radiostationen bedacht wurde: „Der Stau in Naturns in Richtung Vinschgau: ca. 3 km.“ Der Termin des Aufatmens ist festgelegt: Am 4., 5. und 6. April kommenden Jahres wird die Eröffnungsfeier der Tunnels in Naturns und in Staben sein. Die Arbeiten laufen derzeit noch auf Hochtouren, werden allerdings voraussichtlich noch innerhalb dieses Jahres abgeschlossen werden. Diese Überzeugung vertritt Günther Kiem, geschäftsführender Amtsdirektor für den Straßenbau West und gleichzeitig Projektsteurer der Baustellen. Der Stabener Tunnel ist so gut wie fertig. Die Naturnser Gemeindevertreter drängen auf eine Öffnung dises Tunnels noch vor „ferragosto“, einspurig in Richtung Vinschgau zumindest. Der Verkehr vom Vinschgau kommend soll noch durch Staben rollen. Dagegen sträubt sich der Amtsdirektor für Straßenerhaltung West, Werner Stecher, mit gutem Grund, denn solange die Schnalser Kreuzung nicht fertiggestellt sein wird, drohen Verkehrsbehinderungen in diesem Bereich. Stecher besteht wenn schon darauf, „dass alle geforderten Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden.“ Bei einer Öffnung geht die Verantwortung in seinen Bereich über. Nicht auszudenken, wenn sich gerade wegen dieses Umstandes im Tunnel ein Unfall ereignen würde. Günther Kiem vom Straßenbauamt: „Der Tunnel in Staben funktioniert erst, wenn auch der Tunnel in Naturns eröffnet wird.“ [F]Stolz[/F] blickt BM Walter Weiss, der die Gesamtkoordination, die Tunnels betreffend, inne hat, sowohl zurück als auch in die Zukunft. Ihm (Weiss: „Allen gemeinsam“) ist es gelungen, den damals größten Ausschreibungsbrocken, den die Landesverwaltung je getätigt hat, von etwa 120 Milliarden Lire nach Naturns zu holen. Soviel kosten die Tunnels samt den vier Kreuzungsbereichen. Die Bauzeit der Tunnels wird am Ende dieses Jahres knapp vier Jahre gedauert haben, und dies ohne nenneswerte Verkehrsbehinderungen. Ein gewaltiger Haufen an Kleinarbeit ist vor und während des Baues angefallen. VizeBM Helmuth Pircher hat in unzähligen Sitzungen die Situation mit den verschiedenen Grundeigentümern geklärt. „Alle haben ihren Beitrag zur Verkehrsberuhigung in Naturns geleistet,“ blickt auch Pircher zurück. [F]Die Einfahrten.[/F] Erkämpft haben sich die Naturnser einen Kreisverkehr bei der Einfahrt Ost am Lahnbichl. Vorgesehen war ein solcher ursprünglich nicht. „Weil der Naturpark Texelgruppe unter den Zeichen Licht und Wasser steht, werden wir das Rondell mit Wasser gestalten,“ so BM Weiss. Überhaupt wird der Gestaltung der Einfahrten große Bedeutung zugemessen. „Die Einfahrten müssen stimmen“, ist die Vizeobfrau der Naturnser Kaufleute Waltraud Prieht überzeugt und „zudem müssen sie unkompliziert sein.“ Bei der Schnalser Einfahrt waren laut Projektant Norbert Wackernell für die Ausfahrt zwei Ebenen (Über- und Unterführung) vorgesehen. Diese wurden allerdings aus Umweltschutzgründen abgelehnt. Keine Ein- und Ausfahrt ist für Staben Ost geplant, außer für Traktoren, für die ein Weg über die Tunnelöffnung vorgesehen ist. Ein Teil der Stabener hätte gern eine Ein- und Ausfahrt auch in Staben Ost. „Dafür müsste das Bachbett der Etsch verlegt werden“, weist Kiem als Ingenieur auf das technisch zwar Machbare hin, die Frage der Sinnhaftigkeit lässt er und auch VizeBM Pircher dabei offen. [F]Schulterschluss.[/F] Der Tunnelbau und die damit verknüpften Aussichten haben in Naturns auch einen Schulterschluss der Wirtschaftstreibenden bewirkt. Eine Arbeitsgruppe wurde aufgrund einer Wirtschaftsstudie der Beratungsgruppe Harrasser & Partner eingesetzt, bestehend aus Waltraud Prieth (Kaufleute), Dietmar Hofer (Gastronomie), Ewald Brunner und Beate Schwienbacher (Tourismusverein), BM Walter Weiss und den Assessoren Renate Lechner und Andreas Heidegger (Gemeinde) und Karl Wallnöfer (Handwerker). Über den Namen dieser Projektgruppe ist man sich noch nicht einig und behilft sich derzeit mit „Naturns aktiv“. „Naturns, die Nr. 1“ war auch schon im Gespräch, ist aber noch nicht zum Zuge gekommen. „Nach anfänglicher Skepsis von Seiten vieler Kaufleute“, so Prieth, „ist es der Gruppe gelungen, durchwegs positive Einstellungen zu erzeugen. Wir wollen ein gesamtes Erscheinungsbild für Naturns schaffen.“ Laut dem Tourismuspräsidenten Stefan Perathoner spielt der Tagestourismus durch Passanten in der Nächtigungsstatistik keine nennenswerte Rolle und betont dabei, dass sich die Naturnser Hotellerie gerade wegen des Durchzugsverkehrs besonders anstrengen musste. „Die Verkehrsberuhigung in Naturns wird für den Tourismus ein riesiges Plus werden“. Zusätzlich zur Nähe zu Meran, zur Nähe zum Gletscher im Schnalstal, zum Sonnenberg, zu Reinhold Messners Juval könne man dem Gast sagen, dass es auch ruhig sein werde. [F]Passanten.[/F] Den heimischen Passanten, gerade aus dem Vinschgau und auch aus dem Burggräfler Raum misst Prieth für die Kaufleute mehr Bedeutung zu: „Es ist verständlich, dass bei einigen Kaufleuten die Angst vorhanden ist, Kunden zu verlieren. Allerdings müssen wir Naturns gemeinsam gut vermarkten“. Durch den permanenten Stau habe man die Kunden aus dem Meraner Raum am Samstagvormittag bereits verloren. Als Beispiel für einen gelungenen Straßenrückbau nennt Perathoner Laas, als abschreckend die Dörfer entlang der alten Hauptstraße Meran Bozen, in denen die Straße de facto erhalten geblieben sei: „Es kommt auch darauf an, wie das Ambiente innerhalb des Dorfes gestaltet wird. Dort wird eine Basis zu schaffen sein und dann kommt es darauf an, was wir daraus zu machen imstande sind.“ Von einer reinen Fußgängerzone in Naturns wollen weder Prieth noch Perathoner, vorerst zumindest, etwas wissen. Vorgesehen sind mehrere Parkplätze am Dorfrand, einer davon wird derzeit in der Nähe des Hotels Sunnwies gebaut, ein weiterer wird „unterhalb des Friedhofes im Zuge der Friedhofserweiterung“ (Weiss) dazukommen. [F]Dorfgestaltung.[/F] Für das Gesamtkonzept der Dorfgestaltung und auch für die „Infopoints“ an den Kreuzungen Naturns Ost und Staben West zeichnen Assessor Andreas Heidegger und Architekt Karl Spitaler verantwortlich. Von der Gemeinde ist dafür rund eine Million Euro vorgesehen. „Das Dorfzentrum soll gestalterisch und urbanistisch gewaltig aufgewertet werden, wobei sich ein roter Faden von der Beleuchtung bis hin zu kleinsten Details durchziehen wird“, so Heideggers optimistische Zukunftsvision. Laut Karl Spitaler sollen an den Dorfenden Eingangsbereiche geschaffen werden, die den urbanen Bereich deutlich abgrenzen. Der Burggräflerplatz soll bis zur Eröffnung der Tunnels bereits fertiggestellt sein, wobei eine Bodenversiegelung vermieden werden soll. Spitaler: „Von der Athmosphäre an einen Gastgarten erinnernd.“ Durch das Zusammenspiel zwischen einem attraktivem Zentrum und den Parkplätzen in der Peripherie soll eine möglichst große Verkehrsberuhigung erreicht werden und dies ohne ausgewiesene Fußgängerzone. Zudem läuft derzeit ein Künstlerwettbewerb zum Thema „Zeichen in der Landschaft“. Am Lahnbachbichl wird ein Gebilde entstehen, welches die Vorbeifahrenden auf Naturns aufmerksam machen soll. [F]Der Zug.[/F] Eine nicht zu unterschätzende Position wird im Naturnser Verkehrsgeschehen der Vinschger Zug einnehmen. Waltraud Prieth und Stefan Perathoner sind sich der Problematik bewusst, dass die Naturnser Tunnels nicht das Verkehrsproblem des Vinschgaus lösen werden: „Der Stau wird sich möglicherweise in Richtung der Ampeln von Rabland und Töll verlagern.“ In diesem Zusammenhang spricht auch der erwiesene Zugfan Walter Weiss davon, dass der Zug die Funktion jenes Verkehrsmittels einnehmen wird, welches einen staufreien Korridor in Richtung Bozen garantieren wird. Auch Zugbefürworter Perathoner sieht für den Gast enorme Vorteile: „Wenn die Anbindungen funktionieren, können die Gäste das Auto beim Hotel stehen lassen.“ In der Kombination Zug-Rad kann Perathoner ebenfalls Positives erkennen. Waltraud Prieth steht dem Zug als Kundenvehikel eher skeptisch gegenüber: „Es kann sein, dass jemand aus dem oberen Vinschgau den Zug benutzt, um nach Naturns zum Einkaufen zu kommen, allerdings spüren wir, geschweige denn Meran, die Mebo sehr wohl. Diesen Kundensog nach Bozen kann auch der Zug bewirken.“
Erwin Bernhart

Diese Seite verwendet Cookies für funktionale und analytische Zwecke. Lesen Sie unsere Cookie-Richtlinien für weitere Informationen. Durch die Nutzung dieser Website erklären Sie sich damit einverstanden.