„Wer nichts tut, versündigt sich an den Nachfahren“
Publiziert in 36 / 2014 - Erschienen am 15. Oktober 2014
Fraktionsvorsteher Armin Plagg und seine Mitverwalter Friedl Noggler brachen wieder eine Lanze für den Schutzwald. Vor einem Jahr wurde der Burgeiser, diesmal der Malser Berg begangen.
Mals - „Ich will nicht der Laggl sein, von dem man sagt, er ist 25 Jahre in der Fraktionsverwaltung gesessen und hat nichts getan“.
Auf einprägsame Art formulierte Vorsteher Plagg sein persönliches Motiv der Begehung. Vertretern der Fraktionen Mals, Laatsch, Schleis, Burgeis, Schlinig, Planail und Tartsch, Landwirtschaftsreferent Josef Thurner, Bauernbund-Obmann Mathias Seifert, Revierleiter Otto Jochberger, Amtsdirektor Mario Broll vom Forstinspektorat Schlanders, und Stellvertreter Georg Pircher erklärte er im Forstamt Mals, dass er nicht eingeladen habe, um „jemand an den Pranger zu stellen, sondern um Lösungen zu finden“. Lösungen für ein tragbares Miteinander der drei Malser „W's“, für Wald, Weide, Wild. „Wenn wir jetzt nicht Maßnahmen setzen, wird es für die nächsten Generationen zu spät sein“, unterstrich Plagg die Bedeutung des Treffens.
Ein stimmiges Konzept
Die Exkursion führte in Fahrgemeinschaften an der „Kuhrast“ vorbei zum „Kircharuan“ und von dort nach „Malettes“. Zu Fuß ging es dann über den „Ganalweg“ und schließlich querfeldein zu den „Unteren Wiegen“. Die Tour führte auf dem Forstweg durch die „Oberen Wiegen“ zum „Mösl“ und zurück zur Hasenwarthütte. Mehrmals wurde angehalten und auf die Besonderheit des Geländes hingewiesen. Dabei kamen der Artenreichtum der Vegetation und das Weide-Konzept der Fraktionsverwaltung zur Sprache. „Die Idee wäre, den Wald von der Weide zu trennen“, sagte Plagg. Man wolle versuchen, das Vieh aus dem Wald heraus und dorthin zu bringen, wo gute Weide zur Verfügung stehe. Dazu zeigte er auf einen Böschungsabschnitt, an dem seit neun Jahren kein Vieh mehr geweidet hatte und der von zahlreichen Fichten- und Lärchen-Sämlingen bestockt war. Das Thema Trittschäden wurde angesprochen und Direktor Broll wog ab zwischen Bodenverdichtung mit geringerer Wasseraufnahme auf der einen und Bodenauflockerung mit Diversität im Bewuchs auf der anderen Seite. Die Folgen der Beweidung seien umso gravierender, je höher das Weidegebiet liege, da die Vegetationszeit wesentlich kürzer sei. Ein normaler Waldboden halte 10 Mal mehr Wasser zurück als ein verdichteter Boden. Broll hielt das Konzept der Fraktionsverwaltung für stimmig und nachhaltig.
Wilddruck ist entscheidend
Auf einer Schlag-Lichtung mit alten Baumstrünken und darum herum verbissenen Sämlingen bemerkte Stefan Peer, Leiter der Forststation Mals, dass in der Vergangenheit der eine oder andere Schlag vielleicht zu groß ausgefallen sein könnte. Es wurde der Aspekt Sonneneinstrahlung angesprochen. Mitarbeiter Albert Pritzi berichtete von Messungen mit dem „Sonnenkompass“ und merkte an, dass Fichten trotz Licht und Wärme nicht aufkommen, weil sie wegen ihres grünen Nadelbestandes im Winter dem Wildverbiss zum Opfer fielen. Für ihn lag es klar auf der Hand: Das Wild ist am Malser Berg ausschlaggebend. Stand zu Beginn der Exkursion der Schwerpunkt auf das Verhältnis Wald und Weide, rückte mit zunehmender Höhe das Wild in den Mittelpunkt der Diskussion. Direktor Broll fasste zusammen: „Damit sich der Boden regenerieren kann, braucht er Licht, Wärme, Wasser, Nährstoffe und 'a Rua' „. Das Potenzial im Boden sei vorhanden, entwickeln könne sich aber durch den Wilddruck nichts, erklärte er vor einem „Kotter“, einer umzäunten Fläche mit Jungwuchs. Pritzi gab zu bedenken, dass Schutzwald nicht erst auf 1.500 Metern Meereshöhe beginne. Als Revierleiter Otto Jochberger sachte dazwischen fragte, ob man dem Wild nicht eine Äsungsfläche zugestehen solle, drohte die Stimmung zu kippen. Die Wortmeldungen wurden erregter.
Vergreister Schutzwald
Amtsdirektor Broll versuchte zu versachlichen. Es gehe um die Verhältnismäßigkeit. Die Verjüngung sei in diesem Wald einfach nicht sicher gestellt. Dabei habe er paradoxerweise an wirtschaftlichen Wert verloren, aber als Schutzwald eine immer größere Bedeutung, weil die Wertschöpfung im Tal viel höher geworden sei. Inzwischen müssten Hiebsätze gedrosselt werden, Altholz falle an und der Borkenkäfer feiere „fröhliche Urständ“. Im überalterten Baumbestand fehle das Mittelalter. Er bemühte den Vergleich mit einer Bevölkerung, in der es nur „Greise und Kindergartler“ gibt. Auf dem Forstweg in den „Wiegen“ zeigte Vorsteher Plagg auf eine Reihe von Zwergfichten: „Im Winter stehen hier die Hirsche wie am Futterbarren.“ „Obwohl es immer mehr Jäger gibt, merken wir nichts von einer Abnahme des Wilddrucks“, warf Engelbert Pazeller aus Tartsch ein. Revierleiter Jochberger merkte an, dass man sich trotz Jagdintervallen sehr schwer getan habe, überhaupt Wild anzutreffen. Vielleicht könnte man sich vorstellen, in bestimmten Bereichen die Jagd zu verlängern. Vielleicht sollten sich die Jäger bemühen, ruhiger zu jagen und weniger mit dem Auto unterwegs sein, hielt Luis Pobitzer, Vorsteher in Schleis, dagegen. Dazu meinte der Burgeiser Vorsteher Florian Punt: „Auch Jäger müssen arbeiten und haben nicht so viel Freizeit, nächtelang unterwegs zu sein, um vom Hochsitz aus Schwammlklauber zu beobachten.“
Das Tal muss zusammenstehen
Mario Broll kam auf die Verantwortung des Jägers für die Öffentlichkeit zu sprechen. Es gehe um die Frage: „Wenn es die Jäger nicht schaffen, wer soll es sonst schaffen? Eine Wildpopulation muss lebensraumgerecht sein.“ Verwalter Noggler sah auch die Landesregierung in die Pflicht genommen. „Dieser Schutzwald wird in 20 Jahren zusammenbrechen. Man muss aber für die Bringung auch was bekommen.“ Direktor Broll verteidigte die Politiker und stellte fest, dass auf der begangenen Fläche nicht ein einziger, unverbissener Jungbaum anzutreffen war. Einen konkreten Beweis erbrachte Albert Pritzi. An einem 90 cm hohen Jungbaum zählte Josef Thurner 35 Jahresringe. Armin Plagg sprach von einem „babylonischen Wald“, der in der Höhe in einem noch schlechteren Zustand sei, und nannte als eigentliches Problem am Malser Berg die Wintereinstände. „Wir öffnen ab 2. November gern die Forstschranken; nur schauen wir uns vorher und nachher die Wege an“, erklärte er mit Nachdruck. Es würde nichts nützen, die Schranken zu öffnen, wenn die Jägerschaft nicht einsieht, dass hier ein zu hoher Wildbestand sei, ergänzte Broll. Stefan Peer gab zu bedenken: „Wir diskutieren umsonst. Ich sehe niemanden von Matsch, Schluderns oder Taufers hier. Ein einzelnes Revier kann tun, was es will, es muss das ganze Tal mitziehen.“ „Aber wir haben wenigstens den konkreten Vorschlag, in Gebieten mit viel Wilddruck mehr zu schießen“, fand Mario Broll und meinte, es müsse jemand in die Hand nehmen, an den zuständigen Stellen über neue Formen der Bejagung zu reden. Dazu habe die Forst schon vor 25 Jahren interveniert, Eigentümer und Politiker hätten aber nichts unternommen. Dazu brauche es auch die Koordination über alle Reviere hinweg, ergänzte Stefan Peer. Es kamen zahlreiche Wortmeldungen und Einwände. Man erinnerte an das jagd-ethische Problem, tragende Tiere zu jagen. Über Abschusspläne wurde diskutiert und Möglichkeiten, Jungbäume zu besprühen, aufgezeigt.
Ohne Wald, kein Wild
Karl Peer, Schlinig, zitierte ein Beispiel aus der Schweiz, wo das „Stammwild“ dezimiert wurde und wo die Jägerschaft inzwischen auf die winterlichen Zuzüge aus dem Nationalpark angewiesen sei. Die lebhafte Diskussion, die auch die Borkenkäfer-Plage einschloss, wurde auch nach der Grillpause auf der Hasenwarthütte fortgesetzt. Revierleiter Jochberger fand es wichtig, dass man zusammengekommen sei. Er würde sich allerdings mehr Jäger unter den Teilnehmern wünschen. Denen fehle ja die „Schneid“, kam ein Zwischenruf. „Wir vom Revier“, ließ sich Jochberger nicht aus der Fassung bringen, „werden sicher keine Hemmnisse einbauen, aber ich zweifle, dass der Verbiss ganz ausgemerzt werden kann“. „Es muss ein Gleichgewicht entstehen, damit auch unsere Nachkommen etwas vom Wald haben“, warf Plagg ein. Pazeller erinnerte: „Wenn kein Wald, dann auch kein Wild mehr.“ Fraktionssekretär Meinrad Schöpf erkundigte sich nach Finanzierungsmöglichkeiten für Schutzwälder. Amtsleiter Broll hielt einen Kurzvortrag über die Sichtweisen der EU und deren Definition von Schutzwald. Bei immer bescheideneren Mitteln müssten inzwischen Schwerpunkte gesetzt werden. Sicher gehe es nicht an, dass 5.000 Malser bei 50 Jägern betteln gehen. Die Jagd sei auch eine Verpflichtung, nicht nur ein Hobby. Wichtig sei: Nach Daten müssten Taten folgen.
Günther Schöpf
Günther Schöpf