Die Gäste am Podium (v.l.): Luca Critelli, Martha Stocker, Franz Kripp, Ulrich Veith, Michael Peintner, Alexander Nitz und Getrud Telser Schwabl.

Viel Hilfsbereitschaft, aber auch Ängste

Publiziert in 33 / 2015 - Erschienen am 23. September 2015
Asylbewerber werden zwischen 10 und 15 Monate im alten Altersheim verbringen. Vorbereitung auf das Leben danach. Mals - „Wir schätzen uns glücklich, 40 Flüchtlinge aufnehmen zu können. Angesichts der vielen Millionen Menschen, die zurzeit auf der Flucht sind, ist das ein bescheidener Beitrag.“ Mit diesen Worten eröffnete die Sozialreferentin Gertrud Telser Schwabl am 14. September einen Informationsabend im Martinsheim. Viele waren gekommen, um sich aus erster Hand über die Ankunft und Unterbringung der Asylbewerber zu informieren. Bürgermeister Ulrich Veith kündigte an, dass die Adaptierungsarbeiten im alten ­Altersheim so gut wie abgeschlossen seien. Die Aufnahme von 40 Menschen sei für eine Großgemeinde wie Mals ein kleiner Beitrag. Wie schon Gertrud Telser Schwabl, die bei der Unterbringung der Flüchtlinge in Mals die Aufgabe als Koordinatorin übernommen hat, zeigte sich auch Veith über die große Hilfsbereitschaft der Bevölkerung erfreut: „Es gibt viele Leute, die bereits Hilfen in unterschiedlichsten Formen angeboten haben.“ Viele wollen helfen Auch Vereine und Schulen haben sich gemeldet. Neben der Hilfsbereitschaft gibt es laut ­Gertrud Telser Schwabl aber auch bei vielen Bürgerinnen und Bürgern Ängste und Befürchtungen, „die wir ernst nehmen.“ Landesrätin Martha Stocker sieht in der Bereitschaft, zumindest einem kleinen Teil der Flüchtlinge zu helfen, eine gesellschaftliche Verpflichtung. Sie sei dankbar, dass es Gemeinden wie Mals gibt, „die positiv auf diese Herausforderung reagieren.“ Südtirol beherberge derzeit ca. 800 Flüchtlinge. Das sei ein sehr kleiner Teil von zig ­Millionen Menschen, die aus ­ihren Herkunftsländern fliehen, weil sie um Leib und Leben fürchten. Dass unter den Flüchtlingen auch einige darunter sind, die nicht vor Kriegen oder ähnlichen ­Situationen flüchten, treffe sicher zu. Nicht wenige Flüchtlinge, die nach Südtirol kommen, befinden sich nur auf der Durchreise und wollen andere Länder erreichen, in erster Linie Deutschland. „Einigermaßen gerechte Aufteilung“ Jene Menschen, die der Staat dem Land Südtirol zuteilt, ­versuche man laut Stocker ­„einigermaßen gerecht aufzuteilen, und zwar nicht nur in den Städten, sondern im ganzen Land. Das alte Altersheim in Mals wird demnächst bezogen. Wir danken der Gemeinde und den Verantwortlichen der Stiftung Martinsheim, der die Struktur gehört.“ Die Führung übernimmt die Caritas, die für das Haus den biblischen Namen Ruben ausgewählt hat. Caritas-Direktor Franz Kripp erinnerte an die Zeit vor 20 ­Jahren, als in Mals viele bosnische Flüchtlinge aufgenommen wurden, wobei einige in Mals und Umgebung eine zweite Heimat gefunden haben. Nun werden in Mals rund 40 Menschen, zum Großteil Männer, erwartet, die vorwiegend aus westafrikanischen Ländern geflohen und mit ­Booten über das Mittelmeer nach ­Italien gelangt sind. Es handelt sich um Menschen, die bereits einen Antrag auf Asyl gestellt haben. Die Abwicklung der Asylverfahren dauert zwischen 10 und 15 ­Monate. Während dieser Zeit werden sich die Asylbewerber im Haus Ruben aufhalten. Während der ersten 6 Monate dürfen sie nicht arbeiten, „danach hingegen können sie regulär beschäftigt werden.“ Wie sieht es mit den Kosten aus? Auch in Sachen Kosten schenkte Franz Kripp reinen Wein ein: „Der Staat zahlt dem Land 28 Euro pro Person und Tag. Das Land gibt rund 90% davon an die Caritas weiter, die das Haus führt.“ Die Asylbewerber bekommen von der Caritas 8 Euro pro Person und Tag, und zwar für das Essen sowie für Dinge für den persönlichen Bedarf. Die Bewohner müssen selbst kochen und putzen. Außerdem haben sie sich an eine Hausordnung zu halten. Verpflichtend für die Asylbewerber ist zudem der Besuch von Sprachkursen für das Erlernen der deutschen bzw. italienischen Sprache. Auch in die Kultur und Gewohnheiten des Landes werden sie eingeführt, so zum Beispiel in die Mülltrennung. Mit der Leitung des Hauses Ruben ist der Caritas-Mitarbeiter Matteo Contegiacomo beauftragt. Ihm stehen weitere 3 bis 4 Mitarbeiter zur Seite, die im Haus Ruben Tag- und Nachtdienste versehen werden. Abteilungsdirektor Luca Critelli vom Landesamt für ­Soziales zeichnete ein Gesamtbild der derzeitigen Situation in Südtirol in Bezug auf die Flüchtlinge. Neben der Erstaufnahme-Einrichtung in Bozen gibt es landesweit mehrere Zweitaufnahme-Einrichtungen, die von der Caritas bzw. dem Verein Volontarius geführt werden und zu denen auch nun auch das Haus Ruben in Mals gehört. Laut Critelli werden alle Asylbewerber bereits in Bozen ärztlich untersucht. „Einige werden bleiben wollen“ In Mals werden vorwiegend Flüchtlinge aus Zentralafrika erwartet. Bisherige Erfahrungen hätten gezeigt, dass einige der Flüchtlinge im Anschluss an den Aufenthalt in Zweitauf­nahme-Einrichtungen in andere europäische Länder weiterreisen oder sich irgendwo anders in Italien niederlassen. „Und einige werden in Mals oder der Umgebung bleiben wollen.“ Zum Thema ­Sicherheit hielt Critelli fest, dass es diesbezüglich in Südtirol bisher kaum Probleme zwischen den Flüchtlingen und der Bevölkerung gegeben habe. Zu Streitigkeiten untereinander sei es hingegen schon gekommen. Über Erfahrungen im Meraner Flüchtlingshaus Arnika berichtete dessen Leiter Michael Peintner. Ein großes Ziel sei es, die Menschen dahin zu bringen, dass sie imstande sind, möglichst autonom zu handeln. Die Pflicht-Sprachkurse seien nur ein Teil dieses Weges. Ein großer Stellenwert komme der Begegnung mit der einheimischen Bevölkerung zu. Besonders in diesem Punkt sei der Einsatz von Freiwilligen ausschlaggebend, aber auch jener der Schulen und Vereine sowie der gesamten Bevölkerung. Einen besonderen Handlungsbedarf sieht Peintner in der psychologischen Betreuung jener Flüchtlinge, die traumatische Erfahrungen gemacht haben. Als sehr begrüßenswert lobte Peintner das Caritas-Projekt „Freihand“ als erste Chance, in die Arbeitswelt hinein zu schnuppern. Schlüsselbegriff Arbeit Auch Alexander Nitz vom Haus der Solidarität in Brixen sieht in der Arbeit den Schlüsselbegriff aller Bemühungen um Integration: „Je schneller die Integration gelingt, desto besser. Es dauert in der Regel 3 bis 4 Jahre, bis Flüchtlinge eine Arbeit finden.“ Damit ­Integration tatsächlich gelingt, brauche es einen langen Atem, „denn der anfängliche Enthusiasmus wird abklingen.“ Bei der ­Diskussion wurde u.a. gefragt, wie die Hausordnung konkret aussieht. Es ist demnach festgeschrieben, dass die Asylbewerber ab 23 Uhr in der Struktur sein müssen und diese ab 6.30 Uhr verlassen können. Wenn sie sich z.B. für einen Tag entfernen, müssen sie angeben, wo und bei wem sie sich aufhalten. Länger als höchstens drei Tage dürfen sie nicht außer Haus bleiben. In diesem herrscht übrigens ein Alkohol- und Rauchverbot. Ziemlich strenge Hausordnung Zur Frage, ob sich speziell Frauen Sorgen machen müssten, wenn sie z.B. abends durch das Dorf gehen und auf Gruppen von jungen Männern stoßen, meinten mehrere Gäste am Podium, dass es diesbezüglich keinen Anlass zur Sorge gebe. Im Haus Arnika z.B. habe es in nunmehr 4 Jahren so gut wie keine Probleme gegeben. Sehr wohl sei es zu internen Konflikten gekommen, wobei diese aber nicht auf die unterschiedlichen religiösen Einstellungen zurückzuführen waren, sondern auf persönliche Zwistigkeiten, wie sie überall dort vorkommen, wo größere Gruppen von Menschen zusammenleben. Mehrere Fragen bezogen sich darauf, wie Privatpersonen, Vereine oder Schulen helfen können. Die Caritas-Vertreter unter­strichen, dass es sinnvoll ist, alle Hilfsaktionen und Angebote mit der Hausleitung abzusprechen. Dies gelte auch für Sach- oder Geldspenden. Besonders wichtig sei die menschliche Hilfe, sprich die Offenheit und Aufgeschlossenheit der Bevölkerung sowie die Bereitschaft, mit den Flüchtlingen ins Gespräch zu kommen. Den Menschen offen begegnen Es gebe eine Vielzahl von Möglichkeiten, einander zu begegnen. Im Geschäft zum Beispiel, auf der Straße, auf dem Fußballplatz oder in der Schule. Wer sich als Freiwilliger einbringen möchte, kann sich an die Caritas-Dienststelle „Freiwilligenarbeit“ wenden. Bedauert haben einige ­Diskussionsteilnehmer, dass es während der ersten 6 Monate keine Beschäftigungsmöglichkeiten gibt. Critelli sagte, dass dies das Gesetz so vorsehe. Der Aufenthalt in den Zweitaufnahme-Einrichtungen sei insgesamt als Vorbereitung auf das Leben danach anzusehen, wenn es darum geht, eine Arbeit und eine Wohnung zu finden. Auch Abt Markus Spanier brachte sich bei der Diskussion ein. Das Kloster Marienberg wolle nicht untätig bleiben. Daher sei beschlossen worden, die Sanierung einer Wohnung im Kloster zeitlich vorzuziehen. Diese Wohnung könnte kurzfristig für eine Flüchtlingsfamilie bereitgestellt werden. In Zukunft sollen dort Familien beherbergt werden, die sich keinen Urlaub leisten können. Martha Stocker und Franz Kripp begrüßten das Engagement der Klostergemeinschaft. „Für Menschen, deren Asylantrag angenommen wird, wird es in Zukunft sicher Wohnraum brauchen“, sagte Stocker. Auch private Wohnungsanbieter und Pfarreien werden dann gefordert sein. Sepp
Josef Laner

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