„Touristische Unternehmer sind größtenteils Einzelkämpfer“
Publiziert in 9 / 2016 - Erschienen am 9. März 2016
Manfred Pinzger über den Tourismus im Vinschgau, die Aussichten für die Zukunft, seinen eigenen Betrieb und die Tourismusreform.
der Vinschger: Als HGV-Landespräsident wirken Sie seit dem Frühjahr 2013 an einer der wichtigsten Schaltstellen der Tourismusbranche in Südtirol federführend mit. Was waren die wichtigsten Änderungen seit Ihrem Amtsantritt vor fast drei Jahren?
Manfred Pinzger: Der HGV ist ein Dienstleistungsunternehmen für ca. 5.000 Mitgliedsbetriebe und ist ständig bemüht, die besten Rahmenbedingungen für die Betriebe „auszuhandeln“. Dank guter Kommunikation zwischen den einzelnen Partnern konnten einige wesentliche Erfolge verbucht werden: die verpflichtende zusätzliche Tourismusabgabe wurde von einer Muss- in eine Kann-Bestimmung abgeändert, die Bargeldgrenze wurde von 1.000 Euro auf 3.000 Euro angehoben. Bei der IRAP konnten Erfolge für saisonale Arbeitsverträge erreicht und bei der Übertragung von Betriebsimmobilien steuerliche Erleichterungen erzielt werden. Die Zusammenarbeit mit anderen Verbänden konnte verbessert werden, ebenso die Gesprächsbereitschaft der Gewerkschaftsvertreter. Erfolgsversprechend ist außerdem der Ankauf der neuen Büroräume in Schlanders, welcher die Stärkung unseres Büros für unsere Vinschger Mitglieder garantiert.
Gibt es Probleme oder Anliegen, von denen Sie sagen müssen: hier sind wir als HGV nicht weitergekommen.
Ja, natürlich gibt es die. Die Arbeitsmarktreform ist ein erster Schritt, um unsere Arbeitsverträge anderen europäischen Ländern anzugleichen. Es besteht dennoch ein großes Ungleichgewicht, vor allem bei den Lehrlingsverträgen. Unsere gastgewerblichen Schulen stehen in der Vermittlung des theoretischen Wissens recht gut da, im praktischen Bereich besteht aber Handlungsbedarf. Das Bewusstsein unserer Mitbürger, dass der Tourismus viele andere Sektoren und somit sehr viele sichere Arbeitsplätze „mitnimmt“, ist leider nicht immer ausreichend vorhanden.
Das Landesinstitut für Statistik legt regelmäßig Daten zur touristischen Entwicklung in Südtirol vor. Demnach gab es im Sommerhalbjahr 2015 im Vinschgau im Vergleich zur selben Periode des Jahres zuvor 3,5% mehr Nächtigungen sowie ein Plus von 7,6% bei den Ankünften. Wie aussagekräftig sind solche Zahlen?
Die statistischen Daten sind gut, das stimmt. Es sind allerdings nur Richtwerte und daher für das Betriebsergebnis nicht wirklich ausschlaggebend. Der Vinschgau ist im touristischen Bereich mittlerweile recht gut positioniert, das gegebene Potential aber noch (lange) nicht ausgeschöpft. Die von Ihnen genannten Zahlen sind neben dem großen Einsatz der Gastwirtinnen und Gastwirte nicht zuletzt auch dem „Vinschgau Marketing“ mit seiner guten Arbeit zu verdanken. Gemeinsam ist es uns zudem gelungen, die Zusammenarbeit mit der (ehemaligen) SMG zu vertiefen.
Im Vergleich zu anderen Landesteilen, ich nenne etwa Gröden, das Hochpustertal oder den Kronplatz, sind die Zuwächse im Vinschgau doch eher bescheiden. Warum?
Bei uns im Vinschgau spielt der Tourismus insgesamt nicht jene Rolle, welche er in anderen Regionen einnimmt. Die Gründe dafür mögen vielfältig sein. Oft habe ich aber schon das Gefühl, dass in wesentlichen touristischen Entscheidungen uns die Politik nicht mit der notwendigen Überzeugung unterstützt. Bei Fachtagungen, Gesprächen und runden Tischen wird immer wieder auf die notwendige Aufwertung unseres Sektors gedrängt, ohne spürbare Verbesserung. Für den Tourismus förderliche Infrastrukturen werden oft gar „zerredet“, denken wir nur an die Bemühungen, die in Bezug auf die Errichtung eines Golfplatzes im Vinschgau seit Jahrzehnten erfolglos bleiben oder an die dringend notwendigen Zusammenschlüsse von kleineren Skigebieten. Es fehlen zum Teil das Gespür und die Einsicht, auch von Seiten der Entscheidungsträger: als Beispiel kann ich das „Zugpferd“ des Vinschgaus, den Vinschger Radweg, nennen, der in den letzten Jahren mehrmals aufgrund von verschiedensten Arbeiten in den Urlaubszeiten gesperrt worden ist.
Lässt sich derzeit bereits die Entwicklung der noch laufenden Wintersaison im Vinschgau bzw. auch landesweit abschätzen?
Wir haben im Vinschgau das Glück, dass unsere Skigebiete doch etwas höher liegen. So haben z.B. Sulden, aber auch das Schnalstal beste Voraussetzungen für gute Schneeverhältnisse. Landesweit haben aber alle Betreibergesellschaften ihr Bestes gegeben, damit die Pisten perfekt präpariert waren. Die zweite Januarhälfte war schlecht gebucht, das kann natürlich nicht mehr aufgeholt werden. Zuversichtlich sehen wir allerdings den frühen Osterfeiertagen entgegen, die zeitlich noch in die Skisaison fallen.
Es heißt immer wieder, auch seitens der Politik, dass speziell im Vinschgau im Bereich Tourismus noch viel Potential steckt. Wie kann dieses Potential genutzt werden?
Wir hätten im Vinschgau sicherlich sehr gute Voraussetzungen, um den Bereich Tourismus und somit auch weitere Sektoren verstärkt „anzukurbeln“. Unser Tal ist ein wunderbares Wanderparadies: der Sonnenberg, der Nationalpark, die vielen landschaftlich schönen Seitentäler, die Berggipfel und die vielen Waalwege locken Touristen an. Mountainbike-Routen sowie verschiedenste Trails, aber auch der Vinschger Radweg, sind wichtige Anziehungspunkte für Aktivurlauber. Dieses Potential müssen wir gemeinsam stärken.
Sie sind selbst Hotelier und haben in der Vergangenheit immer wieder in den „Vinschgerhof“ in Vetzan investiert. Derzeit sind weitere Arbeiten im Gang. Kürzlich stand in einem Zweiwochenblatt geschrieben, dass die Firma Recla das Hotel kaufen möchte. Seitens der Führung der Recla wurde uns bestätigt, dass diese Meldung jeder Grundlage entbehre. Es habe nie Gespräche in diese Richtung gegeben und man wisse selbst nicht, woher diese Meldung komme. Was sagen Sie zu dieser Sache?
Unser Hotel wurde lange vor der Errichtung der Gewerbezone von meinen Eltern als kleiner Gasthof erbaut. Damals umgeben von grünen Wiesen. Die Baumaßnahmen der vergangenen Jahrzehnte im Gewerbegebiet sowie die Ansiedlung von Betrieben in unserer unmittelbaren Nähe haben unserem Betrieb enorme Belastungen beschert. Ich habe nach dem frühzeitigen Ableben meines Vaters im Jahre 1988 verstanden, dass es aufgrund der starken Beeinträchtigungen durch das Gewerbegebiet nicht mehr möglich sein würde, die Hotelzimmer zu verkaufen, so habe ich umgehend auf Pizzeria umgestellt und mit dieser Maßnahme 20 Jahre wirtschaftlich gut gearbeitet. Trotz der sukzessiven Verbauung in unmittelbarer Nähe zu unserem Betrieb, wagten wir im Jahre 1999 eine Veränderung und realisierten einen größeren Zubau mit 19 neuen Hotelzimmern, Hallenschwimmbad und kleinem Wellnessbereich. Im Jahre 2011 wurde der Altbau unseres Hauses im Zuge der stetigen Weiterentwicklung und Erneuerung abgerissen, es entstanden 21 neue, großzügig und modern ausgestattete Gästezimmer. Durch gute und einfühlsame Betreuung der Gäste konnte eine stattliche Anzahl an Stammgästen aufgebaut werden. Die Nächtigungszahlen unseres Betriebes liegen weit über dem Durchschnitt. Im vergangenen Jahr konnten wir laut Tourismusverein die meisten Nächtigungen im Gemeindegebiet verbuchen. Die wirtschaftlich positive Entwicklung, aber vor allem das Interesse unserer Kinder am Betrieb stimmt uns positiv. So sind wir derzeit dabei, die 19 Hotelzimmer, die 1999 realisiert wurden, komplett zu renovieren. Weitere Investitionen sind geplant.
Also keine Verkaufsabsichten.
Absolut richtig. Mit den Inhabern der Firma Recla, den Gebrüdern Gino und Franz Recla, pflegen wir sehr gute nachbarschaftliche Beziehungen. Die Meldung in der Zeitung „Vinschger Wind“, dass die Gebrüder Recla daran denken, unser Hotel anzukaufen, hat uns sehr verwundert und betroffen zurückgelassen, da es diesbezüglich nie Gespräche gegeben hat. Das grenzt doch schon fast an Rufschädigung, wenn der „Vinschger Wind“ Spekulationen über den Verkauf unseres Hauses anstellt, ohne mit den betroffenen Parteien darüber zu reden. Der Schreiber ist sich wahrscheinlich nicht bewusst, was solch unseriöse Berichterstattung, abgesehen von dauernden Richtigstellungen, welche ich zu machen habe, auch bei den Mitarbeitereinstellungen und anderen betrieblichen Notwendigkeiten mit sich bringt.
Themenwechsel: Mit dem Vorhaben, den Vinschgau an das Eisenbahnnetz in der Schweiz anzubinden scheint es die Landesregierung sehr ernst zu meinen. Was dürfte sich der Vinschgau von einer Zugverbindung Mals-Scuol erwarten?
Die Anbindung an die Rhätische Bahn und somit auch an den Großraum Zürich wäre für die westliche Landeshälfte ein enormer Gewinn. Auch unser Landeshauptmann Arno Kompatscher ist vom Vorhaben überzeugt und hat schon, sei es von römischer Seite als auch von der Seite der EU, Zusagen in Bezug auf die Finanzierung einer Machbarkeitsstudie erhalten. Die Schweizer Bundespolitiker zögern noch etwas. Hoffen wir aber auf die Realisierung dieses Vorhabens, es wäre ein Riesenschritt in Bezug auf eine zusätzliche effiziente Erreichbarkeit unseres Landes.
Das Thema Golfplatz in Glurns scheint endgültig vom Tisch zu sein. Gäbe es nicht noch andere Standorte für einen Golfplatz im Tal?
Leider haben in Glurns die Bemühungen des Bürgermeisters und weiterer Mitstreiter keine Früchte getragen. Wir vom HGV haben uns absichtlich nicht aktiv am Geschehen beteiligt, jedoch klargestellt, dass jegliche notwendige Unterstützung, falls erwünscht, garantiert ist. Die erfolgte Ablehnung ist eine weitere vertane Chance, unser Tal konkurrenzfähig und touristisch attraktiv zu gestalten. Ich sehe darin ein typisches Beispiel unüberlegten und engstirnigen Verhaltens Ewiggestriger und fehlender Unterstützung eines Sektors, der in unserer Gegend noch viel zur Wertschöpfung beitragen könnte. Ich sehe nach bald 30 Jahren der Diskussion derzeit keine Chance, einen anderen Standort für einen Golfplatz ausfindig zu machen.
Kürzlich hat eine eigens eingesetzte Arbeitsgruppe die viel diskutierte Tourismusreform verabschiedet. Welche Auswirkungen wird die Reform auf den Vinschgau haben?
Die von Landeshauptmann Arno Kompatscher geführte Arbeitsgruppe Tourismusreform hat am 23. Februar ihren Auftrag vorerst abgeschlossen. In meiner Eigenschaft als HGV-Präsident war ich bei den beiden letzten Sitzungen dabei. Natürlich habe ich als Landespräsident in erster Linie die Interessen der gesamten Tourismusdestination Südtirol zu vertreten, das hindert jedoch nicht, gut eingeführte Strukturen, wie eben „Vinschgau Marketing“, entsprechend zu platzieren. Mit der Neueinteilung in drei sogenannte Regionale Managementeinheiten (RME) werden wir künftig gemeinsam mit dem Burggrafenamt unsere touristischen Angebote vermarkten. Die Zusage des Landeshauptmannes, pro RME zwei Büroeinheiten vorzusehen, garantiert den Standort Glurns. Somit haben wir die Möglichkeit, in Absprache mit Meran, im Vinschgau weiterhin unsere bisherige erfolgreiche Arbeit fortzusetzen. Mein Einsatz für den Vinschgau hat sich gelohnt, und die lautstarken, teilweise unqualifizierten Zwischenrufe und Berichterstattungen dürften somit der Vergangenheit angehören.
Interview: Sepp Laner
Josef Laner