Wohl verdiente Rast hinter der Berglhütte
Endlich werden Menschen und Tiere ihre Lasten los.
Dieses Bild der Schaferhütte hat Tania Wallnöfer gemalt.
Günther Gutgsell (links), der „Seppele-Hubert“ und die Esel beim Aufstieg zur Berglhütte.
Der Schafhirte Kevin Pinggera
Hüttenwirt Johann Mazagg und seine Partnerin Sandra
Die seit geraumer Zeit geschlossene Edelweißhütte.

Schritt für Schritt

Schon seit Jahren tragen der „Seppele-Hubert“ und seine Esel regelmäßig Waren auf die Schutzhütte.

Publiziert in 27-28 / 2021 - Erschienen am 31. August 2021

Trafoi - Im Frühjahr ist es in der Regel ein Hubschrauber, der in Trafoi auf die Berglhütte fliegt, um Getränke, Dieselöl, Gasflaschen und andere schwere Dinge zur Schutzhütte zu bringen und beim Rückflug den Müll des Jahres zuvor mit ins Tal zu transportieren. Organisiert wird der Hubschrauberflug seit vielen Jahren von Alfred Thöni aus Trafoi. Weil es auf der 2.188 Meter hohen Schutzhütte aber auch während der Hüttensaison immer wieder neue Vorräte braucht, hat sich Hubert Theiner schon vor einiger Zeit entschlossen, jeden Sommer mit seinen Eseln Lebensmittel auf die Berglhütte zu bringen. Im Vorjahr bewältigte er den Aufstieg von den Heiligen Drei Brunnen bis zur Schutzhütte gleich drei Mal. Heuer war es am 21. August soweit. Zusammen mit dem Hüttenwart Günther Gutgsell aus Prad belädt der „Seppele-Hubert“, der vom Prader Berg stammt, die 16 Jahre alte Eselin Lisa und den 10-jährigen Esel Moritz mit Milch, Eiern, Zucker, Mehl, Hundefutter und anderen Waren, die es auf der Berglhütte braucht. Das kleine Eselmännchen Lori, das erst heuer Ende Mai geboren ist, darf zuschauen und braucht nichts zu tragen. Lisa und Moritz hingegen machen sich mit je rund 50 Kilogramm auf den Weg. Zusätzliche 22 Kilo trägt Hubert auf seiner Kraxe mit. Begleitet wird er von seiner Partnerin Tania Wallnöfer, die auch ihren Sohn Talin mitgenommen hat. 

Die Esel kennen den Weg

Lisa und Moritz kennen den Steig, der hinter der Wallfahrtskirche durch den Wald in die Höhe führt, bestens. Wenn steile Abschnitte anstehen, machen sie kurz Halt, nehmen sozusagen Anlauf und bewältigen die schweren Teilstücke mühelos. „Wenn man die Esel nicht zu schwer belädt, braucht man sie nicht anzutreiben. Sie sind perfekte Tragtiere. Wichtig ist, dass man ihren Rhythmus respektiert und sich ihrer Gangart anpasst“, ist Hubert Theiner überzeugt. Als Lasttiere seien Esel besser als Pferde. Mit Tieren hat er seit seiner Kindheit zu tun. Der „Seppele-Hubert“ stammt aus einer Familie mit 16 Kindern, die auf Vellnair aufgewachsen sind. 15 davon sind noch am Leben. Josef, der Älteste, ist 2016 gestorben. Die Mittelschule hat Hubert, geboren 1957, in Prad besucht. „Wir gingen täglich zu Fuß zur Schule und zurück“, erinnert er sich. Dabei habe er an der Mittelschule all das, was er in der Volksschule am Prader Berg gelernt hatte, wieder verlernt. In Trafoi ist der „Seppele-Hubert“ schon seit langem als Viehbauer tätig. Einen besonderen Bezug zur Berglhütte hat er auch deshalb, weil er im Gebiet am „Oberen Leger“ ab 2005 für 12 Jahre Schafhirte war. In früheren Zeiten seien bis zu 1.000 Schafe aufgetrieben worden.

Ein „Schnapsl“ bei der Ankunft

Auf der Berglhütte werden die Menschen, Esel und Waren schon sehnsüchtig vom Hüttenwirt Johann Mazagg aus Trafoi und seiner Partnerin Sandra erwartet. Für die Menschen gibt es traditionsgemäß ein „Schnapsl“, für die Esel leckere Nudel. Die Tiere machen es sich auf dem Grasboden hinter der Hütte gemütlich. Sie scheinen den rund eineinhalbstündigen, 600 Höhenmeter steilen Aufstieg im Nu vergessen zu haben. Die Hüttenbesucher, die am frühen Morgen aufgebrochen waren, um den Ortler über den sogenannten Meraner Weg zu erreichen, haben den Gipfel zu diesem Zeitpunkt schon längst erklommen. In der Berglhütte, die im nächsten Jahr das 125-jährige Bestehen feiert, können bis zu 35 Leute übernachten. Bei den Gästen handelt es sich zum Großteil um Bergsteiger, die auf den Ortler wollen, aber zunehmend auch um Wanderer und Tagestouristen. Was die Corona-Pandemie betrifft, so sind die Nächtigungen laut Johann und Sandra zum Teil eingebrochen. Die Wochenendöffnungen im Frühjahr für Skitourengeher fielen 2021 infolge des Lockdowns vollständig aus. Johann Mazagg hatte die Berglhütte, die übrigens dem Land gehört, zunächst für 5 Jahre geführt, setzte 4 Jahre aus und ist nun wieder seit 6 Jahren Hüttenwirt, „aber wer weiß, wie lange noch, denn es ist nicht so einfach“, wie er einräumt. Bedauerlich sei, dass der aus Sicherheitsgründen seit einiger Zeit gesperrte Gletscherweg, der von der Berglhütte zur Franzenshöhe führt, noch immer nicht instandgesetzt wurde. Detail am Rande: Mit 2.188 Metern liegt das Berghotel Franzenshöhe genau auf derselben Höhe wie die Berglhütte. 

„Edelweißhütte wieder öffnen“

Zusätzlich zu Verbesserungen des Wegenetzes wäre es auch angeracht, die Edelweißhütte herzurichten und wieder zu eröffnen, zumindest in Form einer Selbstversorgerhütte. Die Edelweißhütte (2.481 m), von der aus früher eine Materialseilbahn bis zur Payerhütte in Betrieb war, gehört ebenfalls dem Land. Das neue Dach, das im Vorjahr von Johann Mazagg und Mitstreitern in Eigenregie angebracht worden war, musste auf Anordnung der zuständigen Landestellen wieder entfernt und durch das bisherige ersetzt werden, weil angeblich keine Genehmigungen eingeholt worden waren. „Es ist schade, dass es aufgrund bürokratischer Hindernisse und weiterer Schwierigkeiten nicht gelungen ist, diese Hütte wieder in Schuss zu bringen“, so Johann und Sandra. Dabei wären viele Personen bereit, mit Eigenleistung mitzuhelfen. Zusammen mit der Edelweißhütte und der Berglhütte könnte ein ansprechendes Hüttenwanderungs-Angebot geschaffen werden. Von der einstigen Alpenrosenhütte (2.029 m) im Wald oberhalb von Trafoi ist schon längst nur mehr ein Bretter- und Steinhaufen übriggeblieben. Renovierungs- und Erweiterungsarbeiten an der Berglhütte hätten eigentlich schon im heurigen Sommer durchgeführt werden sollen. Die Verzögerung ist laut Günther Gutgsell auf zum Teil noch ungeklärte Besitzverhältnisse der Grundflächen im unmittelbaren Umkreis der Hütte zurückzuführen. Die Berglhütte (italienisch heißt sie Rifugio Borletti, genauer Rifugio Aldo e Vanni Borletti) steht auf einer Anhöhe unterhalb des Pleißhorngrates des Ortlers. Sie wird in der Regel von Mai bzw. Juni bis Mitte Oktober bewirtschaftet und darüber hinaus wird sie im Frühling für Skitourengeher geöffnet, die den Ortler über die Hohe Eisrinne besteigen. Die Schutzhütte ist ein wichtiger Stützpunkt für die Besteigung des Ortlers über den „Meraner Weg“ sowie ein Ausgangspunkt für Touren auf den Zebrù (3.735 m), die Thurwieserspitze (3.652 m), die Trafoier Eiswand (3.565 m) und den Großen Eiskogel (3.547 m). 

„Gras vom Stein“

Auf dem Tabarettakopf war am 21. August auch der Schafhirte Kevin Pinggera aus Stilfs anzutreffen. Er ist heuer im 3. Sommer als Schafhirte im Einsatz und betreut heuer genau 400 Tiere aus Prad, Stilfs, Tschengls und anderen Orten. Die Nächte verbringt er meistens in der Hirtenhütte am „Oberen Leger“. Auf die Frage, was die sichtlich gut genährten Schafe in dieser buchstäblich steinreichen Gegend zum Fressen finden, hat er rasch eine Antwort parat: „Fleisch van Boan, Gros van Stoan … und Weibr van Roan.“

Josef Laner

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