Ein anschauliches Beispiel dafür, wie die Landschaft ausschaut, wenn Wiesen nicht mehr gemäht und gepflegt werden, ist Planeil.

Planeil „stürzt ab“

Publiziert in 34 / 2011 - Erschienen am 28. September 2011
Planeil – Die Zeiten, als in Planeil noch Korn- und Gerstenfelder das Bild prägten, als ­Händler von weither kamen, um ein berühmtes Paar Planeiler Ochsen zu kaufen und als jeder Quadratmeter bis hin zur Waldgrenze abgemäht wurde, sind längst vorbei. Aus „Planoal“ ist ein Schlafdorf geworden. Untertags trifft man fast nur alte Leute und Kinder. Rund ein Drittel der Wiesen wird nicht mehr gemäht. „Wenn einmal die alten Bauern nicht mehr sind, wird es mit der Landwirtschaft wohl endgültig vorbei sein,“ geben einige Planeiler in einem Gespräch mit dem­ ­„Vinschger“ zu bedenken. von Sepp Laner Man trifft sich abends in der „Gemse“, dem einzigen Gasthaus im Tal. „Früher gab es zwei. Und auch ein Geschäft hatten wir hier im Dorf“, erzählen Gilbert Steck, Markus Blaas und Serafin Punter. Das Geschäft hat zu ­Allerheiligen 2008 seine Tore für immer geschlossen. Wie die meisten Planeiler und Planeilerinnen, die täglich talauswärts fahren, um zu ihrem Arbeitsplatz zu gelangen, sind auch Gilbert, Markus und Serafin soeben von der Arbeit heim gekommen. „Die meisten, die hier bei uns noch Bauern sind, kümmern sich eher aus Freude, Leidenschaft und Gewohnheit um die Bauerschaft. Verdient ist nichts. Im Gegenteil, wir arbeiten, um die Bauerschaft zu erhalten“, so Gilbert Steck. Derzeit gibt es in Planeil nur einen einzigen Vollerwerbsbauer, der als solcher bezeichnet werden kann. Die Zahl der Kühe im Hochtal, das auf fast 1.600 Meter über dem Meer liegt, beläuft sich derzeit auf insgesamt knapp 40. Galtvieh, ein paar Dutzend Schafe und ­wenige Ziegen kommen dazu. „Zurzeit schütten 5 Bauern Milch. Die Gesamtmenge ist geringer als die, wie sie zum Beispiel ein einziger Betrieb in Plawenn produziert“, schildert Markus Blaas die prekäre Situation. Eines ist für alle klar: „Mit der Viehwirtschaft geht es radikal abwärts. Wenn einmal die alten ­Bauern nicht mehr sind, ist das Aus vorprogrammiert, denn die Jungen haben verständlicherweise keine Lust, die steilen Hänge zu mähen und Futter zuzukaufen, um an Ende doch nur Defizit zu haben.“ Die Wahrheit sei, dass 80 Prozent der Viehbauern - und das nicht nur in Planeil – die Stalltür zunageln müssten. Es seien oft nur mehr die Freude und die Leidenschaft, die ein „Weitergfrettn“ garantieren. „80 % könnten die Stalltür zunageln“ Alles eher als einverstanden gibt sich Markus Blaas mit der Regelung der Erschwernispunkte in der Berglandwirtschaft: „Diese ­System krankt durch und durch.“ „Es gibt hier keinen, der keinen Beruf hat“, hakt Serafin Punter nach. Alle haben einen Beruf erlernt, „denn sie wissen, dass man hier als Bauer keine Zukunft hat. Markus Blaas: „Früher warf die Bauerschaft noch etwas ab. Man konnte mit harter Arbeit etwas herausholen. Ich erinnere mich noch gut daran, wie bei uns daheim Anfang der 70er Jahre ein Paar Ochsen verkauft wurde und dafür ein Transporter erwerben werden konnte. So etwas ist heute undenkbar.“ „Wie soll es einer schaffen, für 15.000 Euro ein Mähmaschine zu kaufen und sie mit dem Erlös aus der Landwirtschaft zu zahlen?“, fragt Gilbert Steck. Das sei unmöglich. Alles sei gestiegen, nur nicht das Einkommen der Bauern: „Für eine Kalbin bekommt man heute genauso viel wie vor 20 Jahren.“ Auch auf die Steilheit des Gebietes wird verwiesen, auf die Tatsache, dass es im ganzen Tal keine Einzelhöfe gibt, sondern nur das einzige verschachtelte Haufendorf. Markus Blaas: „Jeder hat die Mistlege drinnen im Stall. Wir müssen zweimal vor Woche den Mist abtransportieren. Aufladen müssen wir ihn mit den Händen....und müssen schon ­darüber froh sein, dass uns der Nachbar auf seinem Grundstück mit dem Traktor wenden lässt.“ Die schöne Planeiler Alm wird zurzeit übrigens fast ausschließlich mit Vieh von auswärts bestoßen. Die Beregnungsleitung, über die früher von St. Valentin auf der Haide Wasser ins trockene Tal floss, ist nicht mehr in Funktion. Hand in Hand mit Bau des Kraftwerks an der Puni bekam die Fraktion Planeil eine Konzession für Beregnungswasser. Gebaut ist die neue Leitung allerdings noch nicht. Die Fraktion hofft, das Vorhaben umsetzen zu können, möglicherweise mit Geld, das ihr aus dem Kraftwerk zufließt. Das Ringen um die Beteiligung der Fraktion am Kraftwerk hat die Planeiler übrigens stark zusammen geschweißt. Wenn man nach Perspektiven fragt, nach ­Visionen, Wünschen oder Vorstellungen für die Zukunft, fallen die Antworten - wenn überhaupt - kurz aus: Die Landwirtschaft ist im steilen Sinkflug, Sonderkulturen als Alternativen sind nur schwer umzusetzen, die Möglichkeiten, Urlaub auf dem Bauernhof anzubieten, sind beschränkt. Serafin Punter: „Es gibt zurzeit nur einen, der Urlaub auf dem Bauernhof anbietet. Weil es keine Einzelhofstellen gibt, ist es sehr schwierig, auf diesem Gebiet tätig zu werden.“ Erstmals versucht wurde heuer der Anbau von Erdbeeren. „Sonderkulturen können bestenfalls eine Nische sein, aber nicht mehr. Keiner ist bereit, seinen sichern Job aufzugeben, um sich in dieses Risiko zu stürzen“, stimmen Gilbert, Markus und Serafin überein. „Die meisten arbeiten nur, um die Bauerschaft zu erhalten“ Eine erste „Pendlerwelle“ gab es in Planeil, wo zurzeit rund 180 Menschen leben, als in Schluderns die HOPPE-Niederlassung er­öffnet wurde. Nicht wenige arbeiteten und arbeiten immer noch in der Schweiz. Dass manche Wiesen nicht mehr gemäht und gepflegt werden, ist insofern verständlich. ­Serafin Punter: „Natürlich empfinden es jene, die von außen nach Planeil kommen, als unschön, wenn die Landschaft nicht gepflegt ist. Diese Leute sollten sich aber auch die Mühe machen, hinter die Kulissen zu schauen und zu fragen, warum das so ist.“ Ein Teil der einstigen Wiesen wurde mittlerweile aufge­forstet. Eine Vorliebe für frisch gemähte und gepflegte Wiesen hat das Rotwild, dessen Druck heuer besonders stark zu spüren war. „Planoal“ ist mittlerweile zu einem Pendlerdorf geworden. „Gezwungenermaßen“, so Markus Blaas, „denn von etwas müssen die Leute ja leben. Heute ist es vielfach sogar so, dass nicht nur die Männer, sondern auch die Frauen täglich pendeln müssen, um das karge Familieneinkommen etwas aufzubessern.“ Dass sich die Abwanderung bisher trotz der prekären Umstände einigermaßen in Grenzen gehalten hat, ist darauf zurückzuführen, dass nach den Großbränden von 1985 und 1986 viele Häuser neu gebaut und auch die Besitzverhältnisse neu geregelt wurden. „Ohne diese Neubau-Welle wäre die Ein­wohnerzahl stark zurückgegangen“, ist Serafin Punter überzeugt. Während in den 70er Jahren laut Markus Blaas noch 45 Grundschüler in Planeil die Schulbank drückten, „sind es jetzt nur mehr 10. Unserer Schule droht schon seit Jahren das Aus.“ Einen kleinen Hoffnungsschimmer sehen die Planeiler im Tourismus. Das Tal sei ein sehr schönes Wandergebiet, im Sommer ebenso wie im Winter, etwa für Schneeschuhwanderer oder Skitourengeher. Um den Tourismus zu fördern, brauche es aber auch Infrastrukturen, wie zum Beispiel Parkplätze. Einige sind zwar vorhanden, „doch die sind immer schnell besetzt, wenn irgendetwas los ist.“ Zur „Politik“ im Hauptort Mals meinte ­Serafin Punter, „dass man speziell in der Vergangenheit schon etwas mehr auf Planeil hätte schauen sollen.“ Planeil sei oft zu kurz gekommen. Zurzeit haben die Planeiler übrigens keinen Vertreter im Gemeinderat. Kaum Visionen für die Zukunft Für die Fraktion zuständig ist der Landwirtschaftsreferent Josef Thurner (im Bild). Auch Thurner be­stätigt, dass die Lage in Planeil insgesamt eher prekär ist. Eine intensive Landwirtschaft sei schon allein wegen der Steilheit des Geländes schwierig. Intensivkulturen könnten bestenfalls eine Nische darstellen. Auch ein Kornanbau in größerem Stil sei kaum vorstellbar. Planeil sei nun einmal nicht so wie etwa ­Schlinig mit seinen meliorierten Böden, wie Matsch oder andere Fraktionen. Was ­Thurner bemängelt, ist auch das Fehlen von Visionen: „Der größte Wunsch bei der Fragebogen­aktion zum Leitbild war die Beteiligung am Kraftwerk an der Puni. Daraus sollen pro Jahr ca. 100.000 Euro für Planeil abfallen. Was sie mit dem Geld konkret machen wollen, weiß ich allerdings nicht.“ „Zu tun gibt es genug“, hieß es beim Gespräch in Planeil: Weideverbesserung, Zäune. Beregnung usw.. Kleine Möglichkeiten einer künftigen Entwicklung ortet Thurner im Fremdenverkehr: Förderung des Tages­tourismus, Urlaub auf dem Bauerhof, Wanderangebote. Für den Erhalt der Schule werde die Gemeindeverwaltung kämpfen. Was in Planeil gut funktioniert, ist das Vereinsleben. Es gibt zwar nicht viele Vereine, dafür aber sehr rührige. Sehr dankbar ist die Bevölkerung für den Citybus, der dreimal pro Woche je viermal verkehrt. Vor allem für ältere Leute ist der Citybus nicht mehr wegzudenken. Nach längerer Verzögerung endlich zustande gekommen ist kürzlich eine neue Fraktionsverwaltung. Das Dekret aus Bozen, mit dem das 5-köpfige Gremium (Oskar Steck, Markus Blaas, Meinrad Schöpf, Serafin Punter und Harald Punter) formell eingesetzt wird, soll in diesen Tagen eintreffen. Der Präsident ist noch zu wählen. „Der Vinschgau ist der Vinschgau, und ­Planoal ist Planoal“, sagte einst ein Wirt aus Mals einer Frau, die einen Planeiler heiratete. Beda Weber schrieb über die Planeiler: „Die Bewohner desselben (des Planeiltales) zeichnen sich durch leichten Sinn und Lebelust aus, die grösstenteils den Wirten in Mals zu Gute kommt.“
Josef Laner

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