Im Bild (v.l.): Die Hausärzte Wunibald Wallnöfer, Georg Valentin Hofer, Bettina Skocir, Christian Hofer und Hansjörg Gluderer.

Mit Umwandlung in Day Hospital wäre die Chirurgie praktisch „tot“

Publiziert in 2 / 2015 - Erschienen am 21. Januar 2015
Für mehr Augenmerk auf ganzheitliche Versorgung. Nein zu Zwei-Klassen-Medizin. Politik hat über Jahrzehnte „geschlafen“. Vinschgau - Im Kampf um den Erhalt der Dienste und Abteilungen im Krankenhaus Schlanders melden sich nun auch die Hausärzte aus dem Ober- und Mittelvinschgau deutlich zu Wort. Ihre größten Befürchtungen sind, dass mit einer Umwandlung des Krankenhauses in ein Day Hospital die Chirurgie praktisch zum „Sterben“ verurteilt ist, dass die ganzheitliche Grundversorgung unter die Räder kommt und der Zwei-Klassen-Medizin Tür und Tor geöffnet wird. Einig waren sich die Basisärzte Bettina ­Skocir, Wunibald Wallnöfer, Georg ­Valentin Hofer, Hansjörg Gluderer und Christian Hofer bei einem Gespräch mit Medienvertretern im Hotel „Zentral“ in Prad unter anderem darin, dass es die Landespolitik über Jahrzehnte hinweg versäumt habe, vernünftige Maßnahmen zu setzen und die Gesundheitsversorgung rechtzeitig auf neue, zeitgerechte Beine zu stellen. Die genannten Hausärzte sprachen im Namen aller Kollegen des Einzugsgebietes. „Grausame“ Versäumnisse Zu den eklatantesten Versäumnissen gehört laut Wunibald Wallnöfer die Tatsache, dass es bis dato weder in den Krankenhäusern noch bei den Basisärzten ein einheitliches Informatik­system gibt: „Wir Hausärzte müssen uns seit über 30 Jahren selbst organisieren. Eine Hilfe seitens des Sanitätsbetriebs gab es bisher nie.“ Und jetzt werde nach 35 Jahren Untätigkeit plötzlich eine Vernetzung gefordert. Nicht viel mehr als eine Floskel werten Wallnöfer und seine Mitstreiter die sogenannte Stärkung der Basismedizin. Auch in diesem Bereich sei die Politik alles andere als vorausschauend gewesen: „Viele Kollegen sind nach 30 Jahren ausgebrannt. Die Zahl der Allgemeinmediziner ist viel zu gering.“ Derzeit laufe zwar ein Kurs, jedoch stammen nur 5 Teilnehmer aus Südtirol, der Rest hingegen aus Süditalien. Mit der Forderung, die Höchstzahl der Patienten pro Hausarzt auf 1.500 zurückzu­fahren seien die Hausärzte sofort einverstanden. Unmittelbar mit einer Stärkung der Basismedizin verbunden sei auch eine Stärkung des Pflegdienstes an Wochenenden. Wallnöfer: „Wir sind an Werktagen 24 Stunden in Bereitschaft. Das Ansuchen um eine Krankenschwester als Hilfe für an Wochenenden unvorhergesehen auftretende Problemfälle wurde leider nicht genehmigt, sodass unnötige Krankenhausauf­nahmen oft nicht vermieden werden können.“ Kein verbindlicher Leistungskatalog Was laut den Hausärzten nach wie vor fehlt, ist ein verbindlicher Leistungskatalog für die Allgemeinmediziner. Derzeit liege es oft im Ermessen der Hausärzte, bestimmte Leistungen zu erbringen oder nicht. Auch das Fehlen eines solchen Katalogs führt laut den Vinschger Hausärzten zu Überlastungen in den Erste-Hilfe-Stationen. „Landesrätin Martha Stocker soll sich trauen, ihr Versprechen einzulösen und von allen, die ungerechtfertigt die Erste Hilfe aufsuchen, eine Gebühr zu verlangen“, fordert Wallnöfer. Als geradezu „bescheuert“ findet er den in Schlanders geäußerten Vorschlag von Landesrätin Stocker, als Ausgleich zum etwaigen Wegfall der Chirurgie und Geburtshilfe Hubschrauberflüge mit Notarzt auch über Nacht einzuführen. Das würde einen über 365 Nächte pro Jahr bestehenden Bereitschaftsdienst mit je 2 Piloten, Notarzt und Flugbegleiter voraussetzen, Bodenpersonal nicht eingerechnet. „Wir stehen stramm hinter dem Krankenhaus“ Keine Zweifel gibt es bei den Hausärzten darüber, dass das Krankenhaus Schlanders mit allen seinen bestehenden Diensten und Leistungen zu erhalten ist. „Mit dem Abbau von Diensten und einer ‚Verkrüppelung’ des Krankenhauses durch die Umwandlung in ein Day Hospital würde die Grundversorgung unter die Räder kommen“, hieß es unisono. Das Krankenhaus ist das Rückgrat der Basisversorgung und darf nicht gebrochen werden.“ „Das Gegenteil muss geschehen, sprich ein Ausbau“, fordert Hansjörg Gluderer: „Es ist völlig unlogisch, wenn zum Beispiel daran gedacht wird, in Schlanders die sehr gut funktionierende Endoprothetik, sprich das Einsetzen von Knie-, Hüft- und Schulterprothesen, aufzulassen. Wir haben nichts gegen das Zusammenlegen von Primariaten, aber Schlanders muss ein gleichwertiger Partner bleiben.“ Würde die Chirurgie nur mehr als eine Art „Anhängsel“ von Meran weitergeführt, würden die Basis und die Peripherie noch weiter geschwächt. Schwierige Kommunikation Bereits derzeit sei es für die ­peripheren Hausärzte schwierig, mit Fachärzten in größeren Krankenhäusern zu kommunizieren, wie Christian Hofer, Georg Valentin Hofer und weitere Arztkollegen bestätigen. „Wenn ich eine Abklärung mit einem Facharzt in Bozen möchte, ist es zunächst sehr schwierig, den betreffenden Arzt überhaupt zu erreichen, und wenn es gelingt, habe ich gelegentlich das Gefühl, als ‚Halbidiot abgetan zu werden“, bringt es Wunibald Wallnöfer spitz auf den Punkt. Die Zusammenarbeit zwischen Allgemeinmedizinern und kleinen Krankenhäusern sei in der Regel besser. Zudem ­könnten manche Fachvisiten genauso bei Hausärzten gemacht werden. ­Einig sind sich die Hausärzte darin, dass es ohne weiteres möglich wäre, auch dadurch zu sparen, indem Verschwendungen eingeschränkt bzw. vermieden werden. Als eines der Beispiele nannte Christian Hofer den Umstand, dass das Weiße Kreuz verpflichtet ist, die Patienten zu den Krankenhäusern zu bringen, „auch wenn sie am Hausarzt vorbeifahren und dieser in vielen Fällen helfen könnte.“ Unvernünftig sei es zum Beispiel auch, dass Patienten für chemotherapeutische Behandlungen nach Meran gebracht werden, „obwohl diese Behandlungen gleicht gut in Schlanders durchgeführt werden könnten.“ Zwei-Klassen-Medizin Bettina Skocir und weitere Arztkollegen befürchten, dass just die Zwei-Klassen-Medizin, wie sie der frühere Landesrat Richard Theiner zu verhindern versprach, zunehmend um sich greift. „Schon allein bei einem ‚Skihax’ kann es ohne private Visiten und Behandlungen Monate dauern, bis der Patient geheilt ist und wieder arbeiten kann“, so Skocir. Georg Valentin Hofer gab zu bedenken, dass es sich immer mehr Menschen nicht leisten können, zum Beispiel privat für eine Magnetresonanz zu zahlen. Und wird eine solche in einem Krankenhaus vorgemerkt, bedeutet das, monatelang zu warten und mitunter auch lange mit Schmerzen zu leben. Was die Hausärzte noch anprangern, ist ein Ausufern der Spezialisierung. Jeder Facharzt kümmert sich in der Regel nur um seinen Fachbereich und anstatt den Patienten bei Bedarf an seinen Kollegen an der nächsten Tür des Krankenhauses weiterzuleiten, wird er zum Hausarzt zurückgeschickt, der dann eine dringende Visite verschreiben soll. Spezialisierte Fachärzte seien zwar notwendig und wichtig, „doch wenn ­Patienten nach mehreren Visiten mit einer Flut von Diagnosen und Zetteln zum Hausarzt kommen, wird es nicht nur für den Patienten selbst schwierig, sondern auch die Allgemeinärzte haben eine schwierige Koordinierungsaufgabe“, hieß es. Es müsse daher wieder verstärkt die ganzheitliche Betreuung des Patienten in den Vordergrund rücken. „Patient muss sich zu Hause fühlen“ Zu den Argumenten der Haus­ärzte gegen den weiteren Abbau von Diensten und Abteilungen im Krankenhaus gehört nicht zuletzt jenes, dass sich der Patient in kleinen Krankenhäusern in der Regel zu Hause fühlt und dass er in seiner Muttersprache betreut wird. Worüber sich Wunibald Wallnöfer und seine Kollegen besonders ärgern, ist der Umstand, dass sich die ganze Reform-Diskussion mehr oder weniger auf das Thema der Kosten kon­zentriert, und nicht auf das, was die Bevölkerung tatsächlich will und braucht. Sepp
Josef Laner

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