„Mir hobm olle an kloan Teggn“
Publiziert in 24 / 2008 - Erschienen am 25. Juni 2008
Martell – Am frühen Morgen werden sie gepflückt, um 10 Uhr kommen sie in die Kühlzelle, um 12 Uhr lädt sie der Frächter auf und am nächsten Morgen stehen sie im Verkaufsregal in Rom: frische Erdbeeren aus Martell. Die heurige Ernte hat sich wegen der jüngsten Regenperiode zwar etwas verspätet, doch für die 10. Auflage des Südtiroler Erdbeerfestes, das am 28. und 29. Juni in Trattla stattfindet, sind die Erdbeeranbauer bestens gerüstet. Wie aber kommt ein ganzes Tal auf den Anbau von Beeren? Was bringt diese intensive Gartenarbeit den Anbauern? Wohin führt die „rote Reise“?
von Sepp Laner
Diese Fragen stellte der „Vinschger“ dem Geschäftsführer und dem Obmann der Marteller Erzeugergenossenschaft MEG, den Brüdern Peter und Manfred Gamper. Peter ist seines Zeichens auch Bürgermeister im Hochgebirgstal Martell, das trotz „Berge, Beeren, Biathlon“ nach wie vor als strukturschwach einzustufen ist.
Die Suche nach einem zusätzlichen wirtschaftlichen Einkommen war wohl auch der hauptsächliche Grund dafür, warum Adolf Gamper (der Vater der Brüder Gamper) und Heinrich Fleischmann Ende der 50er Jahre mit dem Anbau von Schwarzen Johannisbeeren begonnen haben.
Mit Schwarzen
Johannisbeeren fing es an
Nach und nach kamen weitere Anbauer dazu, ebenso andere Produkte wie Gemüse und vor allem die Erdbeeren. Für den Anbau der Königin der Beeren war und ist das Klima in Martell geradezu ideal. Den ersten Boom erlebte der Erdbeeranbau in den 70er Jahren bis herauf zum Beginn der 80er Jahre. „Der damalige Großhändler Luciano Barbon aus Bozen sicherte erstmals eine feste Abnahme und auch einen Mindestpreis zu“, erinnert sich Peter Gamper. Ein weiterer wichtiger Abnehmer war der selbstständige Obsthändler Roman Tartarotti aus Latsch sowie auch Walter Rizzi, der auf dem Markt in Deutschland aktiv wurde.
Mitte der 80er Jahre kam es zu Absatzeinbrüchen und zu Problemen in der Produktionstechnik. Um diesen Schwierigkeiten zu entkommen, wurde 1989 die MEG gegründet. Ein maßgeblicher Schritt nach vorne wurde laut Peter und Manfred Gamper mit der Einführung der so genannten Terminpflanzung gemacht. Es handelt sich hierbei um eine in Holland erfundene Art der Pflanzung. Die Jungpflanzen werden Ende November im Pfalzbeet gerodet, den Winter über eingefroren und im Frühjahr ohne Stärkeverlust gepflanzt, sodass bereits 6 bis 8 Wochen nachher mit der Ernte begonnen werden kann.
Sorte Elsanta
setzt sich durch
Holländischer Herkunft ist in Martell auch die Erdbeer-Hauptsorte, nämlich die Elsanta. Peter Gamper: „Von der Fruchtqualität her ist die Elsanta als Sommererdbeere kaum zu übertreffen. Sie ist hell glänzend, fest, geschmackvoll und vor allem gut haltbar.“ Von weniger gut haltbaren, also „weichen“ Sorten haben sich die Marteller verabschiedet. Bis zu einer Meereshöhe von 1.500 Metern wird derzeit zu 90 Prozent Elsanta angebaut und in Lagen über 1.500 Metern die Sorte Marmolada. In Martell Dorf betreibt das Versuchszentrum Laimburg außerdem ein Sortenversuchsfeld, wo jährlich rund 30 neue Sorten gepflanzt und getestet werden. Gut bewährt hat sich 2007 die Sorte Gallia. Heuer wurden bereits rund 50.000 Gallia-Pflanzen ausgebracht.
Die Anbauflächen steigen Jahr für Jahr, allein von 2007 bis 2008 stiegen sie um ca. 15 Prozent. Derzeit werden auf rund 50 Hektar Erdbeeren angebaut und auf ca. 5 Hektar Himbeeren. Während die Erdbeere ein typisches Sommerprodukt ist, kann die Himbeere als „zeitlos“ bezeichnet werden. Zusätzlich zu den bisherigern Beerensorten und auch zum Gemüseanbau wird in Zukunft auch die Süßkirsche eine immer größere Rolle spielen. Zurzeit wachsen auf knapp 5 Hektar Süßkirschen. Im Rekordjahr 2007 wurden 900 Tonnen Erdbeeren zur MEG geliefert. Peter und Manfred Gamper sind zuversichtlich, die Grenze von einer Million Kilogramm bald überschreiten zu können.
Bald eine Million Kilogramm pro Jahr
Der Beeren- und Gemüseanbau ist schon lange zu einem bedeutenden Standbein in der Marteller Landwirtschaft geworden. Der derzeitige Jahresumsatz beläuft sich auf rund 5 Millionen Euro. Von den derzeit 65 Mitgliedsbetrieben der MEG, die übrigens nicht nur aus dem Martelltal stammen, sondern auch aus anderen Gemeinden des Vinschgaus und darüber hinaus, sind zurzeit nur 6 Haupterwerbsbetriebe, der Rest betreibt den Beerenanbau als Nebenerwerb. Wobei das Vorwort „neben“ nicht darüber hinwegtäuschen soll, dass der Anbau von Sonderkulturen nicht nur viel Feldarbeit von der ganzen Familie abverlangt, sondern auch sonst noch viel Zeitaufwand mit sich bringt, vor allem für Weiterbildung, für Zertifizierungen, für Qualitätskontrolle, für die Rückverfolgbarkeit der Produkte und für bürokratische Obliegenheiten. Eine bestimmte Leidenschaft muss laut Peter Gamper schon vorhanden sein: „Mir hobm olle an kloan Teggn.“ Aber nur so ist es möglich, Profi zu werden und zu bleiben, „denn der Markt ist hart und verzeiht nichts.“
Die MEG beschäftigt übrigens 4 Festangestellte. Während der Erntezeit (Juni bis September) helfen in der MEG zudem zwischen 15 und 20 Saisonkräfte mit. Bei diesen handelt es sich großteils um Oberschülerinnen und Oberschüler. Auf den Feldern finden zur Haupterntezeit im Juli bis zu 350 Erntehelfer Arbeit.
Als eine der Alternativen zur immer stärker kriselnden Viehwirtschaft in den Berggebieten ist der Beeren- und Gemüseanbau mit Sicherheit anzusehen. Der Viehbestand im Martelltal ist Hand in Hand mit der Ausweitung der Sonderkulturen natürlich zurückgegangen. Das schmerzt aber kaum, „denn wer mit Fleiß Beeren oder Gemüse anbaut, kommt auch zu etwas Geld und braucht sich nicht als Almosenempfänger oder reiner Landschaftspfleger zu fühlen“, bringt der MEG-Geschäftsführer das Problem auf den Punkt.
„Nicht nur Almosenempfänger“
Zusätzlich zum Verkauf der frischen Waren legt die MEG seit jeher auch besonderen Wert auf die Produktveredelung. Entsprechend vielfältig ist die Produktpalette, die im Detailhandels-Geschäft der MEG angeboten wird. Die Ziele der MEG für die Zukunft sind durchaus hehr. Zusätzlich zum Ausbau der Beratertätigkeit und weiterer Dienstleistungen für die Mitglieder in punkto Weiterbildung und Produktionstechnik will sich die MEG nicht nur vinschgau-, sondern landesweit als einziges Beeren-Vertriebszentrum Südtirols etablierten. Peter Gamper: „Wir setzen dabei auf die Zusammenarbeit mit bereits bestehenden Genossenschaften. Was wir nicht brauchen und wollen, ist eine interne Konkurrenz. Ich kann mir vorstellen, dass auf dem Gebiet des Beerenanbaus ein Konzept erarbeitet wird, und zwar in der Art wie es sich im Obstbau bereits mit dem VI.P-3-Konzet gut bewährt hat.“ Der Geschäftsführer glaubt auch daran, die Produktion mittel-, langfristig verdoppeln zu können.
Hehre Pläne für die Zukunft
Diese und weitere Pläne werden 2009 näher erörtert, wenn im Beerental das 10-jährige Jubiläum des Erdbeerfestes und das 20-jährige Bestehen der MEG mit einem mehrtätigen Symposium und weiteren Veranstaltungshöhepunkten begangen wird. Eines steht jetzt schon fest: Martell bleibt rot.
Südtiroler Erdbeerfest
Das Programm des Südtiroler Erdbeerfestes, das am 28. und 29. Juni in der Freizeitanlage Trattla in Martell stattfindet, kann sich sehen lassen.
Am Samstag, 28. Juni werden um 11 Uhr die neue Schokolade mit Marteller Erdbeerfüllung und die neuen trinkfertigen Erdbeer- und Himbeersäfte vorgestellt. Festbeginn ist um 12 Uhr. Um 15 Uhr schneidet die Erdbeerkönigin Laura Fleischmann die Riesenerdbeertorte an, das Wahrzeichen des Festes. Weiter geht es mit einem Tschurtschlanklaubn-Wettbewerb und einem Zeltfest.
Am Sonntag, 29. Juni beginnt das Fest bereits um 10 Uhr. An diesem Tag bietet sich die Gelegenheit an einer Führung durch die Erzeugergenossenschaft MEG teilzunehmen. Gegen 14 Uhr folgt der Einzug der Produktköniginnen mit Landeshauptmann Luis Durnwalder, begleitet von der Musikkapelle Martell. Am späten Nachmittag erfolgt die Preisvergabe des Gastronomiepreises „Kulinarium Martell.“ Ab 20.30 Uhr wird das Finale der Fußball-Europameisterschaft auf Großleinwand übertragen.
Außerdem gehören an beiden Tagen Kutschfahrten, Kinderanimation, eine Kletterburg, Tage der offenen Tür in der Kletterhalle und auf dem Erdbeerversuchsfeld sowie Präsentationsstände von „Slow Food“ und den Südtiroler Qualitätsprodukten zum Rahmenprogramm.
Josef Laner