Mehr Verantwortung, mehr Kosten, mehr Papier

Publiziert in 6 / 2015 - Erschienen am 18. Februar 2015
Kompetenz für öffentliche Veranstaltungen liegt zwar bei den Gemeinden, die Durchführungsbestimmung aber fehlt noch immer. Viel Unsicherheit bei Gemeinden und Vereinen. Schlanders - Für bestimmte Großereignisse und über­gemeindliche Veranstaltungen ist weiterhin der Landeshauptmann zuständig. Die Verantwortung und Kontrolle für andere öffentliche Veranstaltungen, wie etwa Zeltfeste, Umzüge, Sportwettkämpfe und dergleichen, wurden 2013 mit einem Landesgesetz an die Gemeinden übertragen. Dass die Durchführungsbestimmung zu diesem Gesetz noch immer aussteht, war einer der Hauptkritikpunkte, die am 9. Februar im nahezu voll besetzten Kulturhaus in Schlanders geäußert wurden. Der Informations- und Diskussionsabend bildete den Auftakt der landesweiten Informationstour zum Thema „Events – Gesetze. Verantwortung. Zukunft.“ In die Wege geleitet hatten die Info-Reihe die Eventdienstleister im hds. Wie deren Präsident Alex Ploner einleitend ausführte, sei der Informationsbedarf bei den Gemeinden, den Vereinen und Veranstaltern sehr groß. Infolge der Kompetenzverschiebung vom Land an die Gemeinden stehen in erster Linie die Bürgermeister, die Gemeindetechniker sowie die Obleute von Vereinen und Veranstalter insgesamt vor neuen Herausforderungen. „Früher war ein einziges Landesamt zuständig, jetzt sind es 116 Gemeinden“, sagte Bezirkspräsident Andreas ­Tappeiner. Die Vinschger Gemeinden seien darum bemüht, gemeinsam mit den Vereinen Lösungen zu finden. „Wir wollen die Vereine nicht mit Bestimmungen ‚erschlagen’, sondern nur das einfordern, was tatsächlich notwendig ist. Wir streben praktische Lösungen an und möchten die Rettungsorganisationen vor Ort einbinden“, so Tappeiner. „Hausverstand ist gefragt“ Bestimmte Grundregeln und Vorschriften seien zweifellos einzuhalten, „aber auch hier ist Hausverstand gefragt, denn sonst wird der Weiterbestand der Vereinstätigkeit gefährdet.“ Dem sei vorzubeugen, „denn es sind die Vereine, welche die Kultur und das Dorfleben insgesamt be­reichern.“ Wie komplex die ganze Sache ist und wie viel Verantwortung und auch Bürokratie die neue Kompetenz den Gemeinden, Vereinen und Veranstaltern beschert, war den Ausführungen mehrerer Experten zu entnehmen. Oswald Mussner vom Aufsichtsamt des Landes stellte u.a. einen Leitfaden für die Feststellung der Eignung von Veranstaltungsorten vor. Für Wiesen-, Zelt- und Dorffeste zum Beispiel muss der Veranstalter eine ganze Reihe von Erklärungen vorlegen: fachgerechte Installation der Elektro- und Gasanlagen, fachgerechte Montage von Flugdächern, fachgerechter Aufbau von Bühnen und anderen Strukturen. Weiters sind allgemeine Vorschriften zu beachten, Vorgaben für die Errichtung und Ausstattung von Kochvor­richtungen, statische Bauabnahme von Zeltstrukturen, Brandschutzdienst, Flucht- und Rettungswege und viele weitere Vorschriften. „Die gesetzlichen Bestimmungen sind immer dieselben. Geändert hat sich nur, dass die Kompetenz jetzt bei den Gemeinden liegt“, so Mussner. Vorher hat eine Landeskommission die Eignung eines Veranstaltungsortes überprüft, nun liegt diese Zuständigkeit beim Bürgermeister bzw. Gemeindetechniker. Die Haftung der Veranstalter Über die zivil-, straf- und verwaltungsrechtliche Haftung bei Veranstaltungen informierte der Rechtsanwalt Heiner ­Nicolussi-Leck. Für Eigenerklärungen und die Einhaltung der Vorschriften haften der Bürgermeister und der Veranstalter, für die Kollaudierung technischer Strukturen zusätzlich auch der Techniker. Auch mit Beispielen wartete Nicolussi-Leck auf. Wenn z.B. eine Festüberdachung einstürzt und eine Eigenerklärung des Veranstalters über den fachgerechten Aufbau vorliegt, trifft die Haftung - höhere Gewalt und Zufall ausgenommen - den Veranstalter. Der Bürgermeister haftet nicht. Wenn sich bei einer Sportveranstaltung ein Teilnehmer verletzt, ist der Veranstalter haftbar, wenn nicht geeignete Sicherheitsvorkehrungen getroffen wurden. Baut ein Veranstalter eine Kochvorrichtung auf und kommt der Auflage, diese zu verkleiden, nicht nach, und wird die Lizenz trotz der Feststellung, dass die Auflage nicht eingehalten wurde, ausgestellt, haften der Veranstalter und der Bürgermeister. Die zivilrechtliche Haftung (Schäden an Dritte) ist durch eine Versicherung abdeckbar. Mit detaillierten Informationen dazu wartete Norbert Spornberger vom Raiffeisen Versicherdienst auf. Was bezüglich des Brandschutzes bei öffentlichen Veranstaltungen alles zu beachten ist, legte Walter Depaoli von der Berufsfeuerwehr Bozen dar. Weitere Aspekte, wie etwa Security, Zelt- und Bühnenaufbau oder übermäßiger Alkoholkonsum, wurden zusammen mit weiteren Experten und Eventdienstleistern vertieft. Als sehr besorgniserregend bezeichnete Peter Mazzurana (Quästur Bozen) die Tatsache, dass in Südtirol pro Jahr ca. 90 Fälle von Alkohol-Koma bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 12 bis 16 Jahren zu verzeichnen sind. Alex Ploner sprach sich in seinem Impulsreferat zum Thema „Festkultur zwischen Frust und Lust“ für mehr Qualität von Festen und Veranstaltungen aus (siehe Interview auf Seite 6). Besorgte Vereine Gerald Burger (OK-Chef des Reschenseelaufs und des ­Ortler Bike Marathons) sieht in der Kompetenzverschiebung vom Land zu den Gemeinden keine Vorteile. Im Gegenteil: „Sowohl auf die Gemeinden als auch auf die Vereine kommen jetzt mehr Verantwortung, mehr Bürokratie und auch mehr Kosten zu. Die Gemeindetechniker, die ja Verantwortung übernehmen, müssen schließlich bezahlt werden.“ Große Probleme ortet Burger auch insofern, als dass es bei den Vorgaben für Veranstaltungen zu einer unterschiedlichen Handhabung innerhalb und auch zwischen den Gemeinden kommen könnte: „Eine Veranstaltung wird genehmigt, eine andere nicht. Der Bürgermeister in einer Gemeinde ist sehr flexibel, jener einer anderen äußerst restriktiv.“ Andreas Tappeiner sagte zu, dass man im Zuge einer Bürgermeister-Runde versuchen werde, sich auf eine möglichst einheitliche Vorgehensweise zu verständigen. Von mehr Papier und mehr Kosten sprach auch Mirko Stocker, der Koordinator der Ritterspiele. Durch die Übertragung der Kompetenzen an die Gemeinden seien viel Rechtssicherheit und Vertrauen verloren gegangen. Auch für Anton Gögele (Geschäftsleitung Securplan) ist diese Kompetenzverschiebung „blöd gelaufen.“ Sie sei aber beschlossene Sache und jetzt gelte es, das Beste daraus zu machen. Gögele gab zu bedenken, dass sich manche Gemeindetechniker weigern, die Verantwortung zu übernehmen: „Das ist zum Teil verständlich, denn sie wurden ins kalte Wasser geworfen.“ ­Oswald Mussner räumte ein, dass viele Gemeindetechniker kaum Erfahrungen in diesem Bereich haben. Eine Schulung wäre nicht falsch gewesen. Dennoch ist Mussner überzeugt, „dass sich die Lage nach einer Übergangszeit verbessern wird.“ Das Aufsichtsamt des Landes stehe für Beratungen und Hilfestellungen zur Verfügung. Moderiert hat den Info-Abend Markus Frings. Mitorganisiert wird die Informationstour übrigens auch vom Gemeindenverband, dem Amt für Brandverhütung und der Berufsfeuerwehr. Ziel der Tour ist es, ein Sterben traditionsreicher Veranstaltungen zu verhindern und die Motivation vieler Südtiroler, welche die heimische Fest- und Eventkultur ehrenamtlich pflegen, zu erhalten. Sepp
Josef Laner

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