„Man kann in diesem Beruf was bewegen“
Publiziert in 38 / 2014 - Erschienen am 29. Oktober 2014
Albert Gögele hat im Mai 2010 die 46 Jahre währende Ära von Bürgermeister Robert Tappeiner beendet. Der Tiefbauer aus Rabland wurde mit knapper Mehrheit gewählt.
Partschins - Schon in seiner ersten Ratssitzung hat Bürgermeister Gögele politisches Lehrgeld gezahlt. Der fix-fertige Vorschlag mit Referenten und Kompetenzen stieß auf Gegenwind, erwies sich aber nach gut vier Jahren als gelungene Aktion. Neben der glücklichen Hand im Zusammenstellen des Gemeindeausschusses wird man den Bau der Texelbahn, des E-Werks Birkenwald, die Projektierung des E-Werks Salten, die Verlegung mit Neubau der Zielbachbrücke und die Wiedereröffnung der Nassereith-Hütte mit ihm in Verbindung bringen. Zielstrebig ist er dabei, die Zieltalgemeinde Partschins mit Rabland und Töll Richtung Autarkie in der Energieversorgung zu führen. Geprägt hat seine Verwaltungsperiode auch die Naturkatastrophe in der „Longar“.
der Vinschger: Haben sich die 46 %, die nicht Gögele gewählt haben, inzwischen an den Bürgermeister gewöhnt?
Albert Gögele: Wir haben inzwischen eine derart ausgewogene Mannschaft im Ausschuss und im Rat, dass man von einer wirklich konstruktiven Zusammenarbeit reden kann. Siehe auch die Abstimmung zur neuen Trasse der SS 38. Wann hat’s so einen Konsens schon gegeben? Alle zogen an einem Strick.
Ist der Bürgermeister-Job immer noch interessant, wie Sie nach den ersten 100 Tagen gesagt haben?
Auf jeden Fall. Es ist ein interessanter Job, in dem man etwas bewegen kann, wenn man sich dahinter klemmt. Man ist in direktem Kontakt zu den Menschen und man bekommt wie bei jedem Beruf auch manchmal auf den Deckel.
Hat sich der Unternehmer so ohne weiteres auf die Verwaltungsbürokratie umgestellt?
Ich muss gestehen, dass in den ersten drei Jahren die Entscheidungen gar nicht mal so langsam getroffen wurden. Erst in letzter Zeit hat die Bürokratie derart überhand genommen, dass einem die Lust vergehen kann. Wir haben fünf/sechs Projekte in der Schublade, die wir in diesem Winter starten wollten, aber der Aufwand ist einfach zu hoch. Konkret denke ich nur an die „Projekt-Validierung“, die Projekt-Überprüfung, die nur einen finanziellen und zusätzlichen zeitlichen Aufwand und sonst nichts bringt.
Das kommt wohl daher, dass niemand dem anderen über den Weg traut.
Es ist ein Wahnsinn. Aber da etwas verbessern… Auf Landesebene allein wird es schwierig und in Italien…
Auch auf Landesebene könnte man noch verbessern.
Dann müsste die Politik den Mut aufbringen, nicht alle Entscheidungen den Beamten zu überlassen. Für die spielt Zeit bekanntlich keine Rolle.
Ihr habt sicher die Projekte nach Prioritäten gereiht. Was ist oder war das wichtigste für die Gemeinde?
Auf jeden Fall das E-Werk Birkenwald. Jeder Bürgermeister weiß, dass die Geldmittel immer weniger werden, daher ist ein Kraftwerk eine gute Basis. Es war ein Ruck nach vorn.
Damit hat man ja auch die entgangenen Ausfälle bei der Gemeindeimmobiliensteuer (GIS) auffangen können. Und welches Projekt kommt jetzt an die Reihe?
Das ist der Neubau des Altenheimes. Dort sind wir bisher nur schleppend weitergekommen. Es ist ein 10 Millionen Euro-Projekt, also eines der größten Hochbauprojekte im Vinschgau (bemerkenswert für einen Burggräfler, Anm. des Red.), die in den nächsten Jahren realisiert werden. Vom Land bekommen wir einen Verlustbeitrag von sechs Millionen Euro. Außerdem fallen wir noch in günstige Finanzierungskriterien, weil ja die Vorgängerverwaltung schon 2008 und 2009 die entsprechenden Beschlüsse gefasst hat.
Vom Altenheim zum Wanderweg. Zu Beginn Ihrer Legislatur wurde über den Verbindungsweg Bergstation Texelbahn – Nassereith-Hütte und über den darüber liegenden „Zielerwaalweg“ gesprochen. Letzteren wollte auch der Naturpark großzügig bezuschussen. Warum geht es nur mehr um den Verbindungsweg?
Man ist davon abgegangen, da ein neues Konzept aufgetaucht ist. Man hat sich auf das Vordringliche konzentriert und das wäre zuerst der Verbindungsweg, dann ein Wanderweg zum Wasserfall und erst dann käme der Panorama-Weg. Dazu hat es auch schon Gespräche mit dem früheren Landesrat gegeben. Inzwischen bestehen zum Verbindungsweg die beiden Positionen: auf der einen Seite die Forst, die Bedenken anmeldet, und auf der anderen Seite die Wirtschaftstreibenden.
Ist die Lage der Texelbahn so ernst? Die Einwände von Tourismusreferentin Birgit Ladurner waren eindeutig. Die Bahn brauche 1,5 Fahrten mehr, um schwarze Zahlen zu schreiben.
Es sind Abschreibungen zu tätigen und die ungünstige Witterung durch den ganzen Sommer macht sich auch bemerkbar. Eine bestimmte Frequenz muss sein.
Unter Bike-Liebhabern in der Gemeinde wird über einen anderen Verbindungsweg geredet. Er soll von Plars über den Töll-Graben nach Partschins und Rabland führen.
Ja, der Gedanke wäre gewesen, mit Algund und der Bezirksgemeinschaft einen übergemeindlichen Radweg zu bauen. Eine Projektstudie gibt es schon. Das wäre dann auch eine Lösung für den Übergang über den Töll-Graben und eine Sanierung der talseitigen Stützmauern über den Feldweg. Bisher verläuft der Übergang auf einer Behelfsbrücke, die bei jeder Vermurung mitgerissen wird. Es wäre schon ideal, die Dörfer zu verbinden und die Radfahrer ins Dorf zu bringen. Hier sehen aber die Landwirte Probleme mit der Abdrift.
Die Folge wären außerdem Leserbriefe, die das Verschwinden uriger Wegabschnitte beklagen.
Das ist ja das Problem. Auch nach Nassereith kommt man problemlos, aber wir haben eine bestimmte Gästeschicht in Partschins. Die Leute müssen ja nicht nur hin, sie müssen auch wieder zurück. Natürlich werden wir uns anpassen müssen. Die Leute müssen sagen: Das war ein feiner Weg, den machen wir wieder. Wir dürfen uns aber nichts vormachen. Es gibt nicht nur befürworter sondern auch Kritiker, auch unter den 100 Mitbesitzern auf Nassereith wie man immer wieder gehört hat. Im Gemeinderat kam letzthin der Eindruck auf, dass der Wegebau kein Problem sei, aber Dr. Klotz vom Forstamt hat schon recht, wenn er sagt, er sei nicht dagegen, aber wir müssten wissen, auf was wir uns einlassen. Es ist aufwändig und es entstehen Kosten. Wir müssen genau wissen, was wir wollen. Wenn es der Rat will, dann geht das gut.
Reden wir weiter von Wegen, diesmal von Durchfahrtswegen. Sind die „Tempodrossler“ auf der Vinschgaustraße nicht ein Schuss nach hinten? Oder ist es eine geniale Maßnahme, um den Vinschger Politikern im Stau die Problematik vor Augen zu führen?
Die Staus kommen ja nicht von den Tempodrosslern. Es ist noch nicht so lange her, dass sich auf dem Zebrastreifen an der Apotheke zwei schwere Unfälle ereignet haben. Zwei andere gab es mit Todesfolgen. Es geht um Schutz und Gesundheit der Bürger und um ihre Lebensqualität. Der gesamte Vinschgau hat aber ein wirtschaftliches Problem. Daher wundere ich mich, dass man keinen Druck von dieser Seite ausübt. Wir reden von Erreichbarkeit und vom Ausbau des Flughafens und dabei ist man von Meran nach Latsch eineinhalb Stunden im Auto. Ich vertraue darauf, dass die Entscheidungsträger irgendwann sagen, was im Straßenbauprogramm Vorrang haben muss.
Zurück zur Stromproduktion. Seid ihr eigentliche schon eine energieautarke Gemeinde?
Wenn wir die Unterstufe gebaut haben, werden wir so viel produzieren, wie viel wir verbrauchen.
Das wäre dann das Werk Salten. Wie weit seid ihr?
Heute (13.10.2014. Anm. des Red.) sind die Angebote zur Verlegung der Druckrohrleitung geöffnet worden.
Und wie viel Strom kommt dazu?
12 bis 13 Millionen KWh dürften es werden.
Dann seid ihr eine reiche Gemeinde. Zumal ihr auch das Netz selbst betreibt.
Wir haben zwar Einnahmen, aber es sind auch große Projekte und Investitionen zu stemmen. Zum Beispiel müssen wir das Hauptumspannwerk an der Töll anpassen. An die 675.000 Euro müssen aus Eigenmitteln der Gemeinde gestemmt werden.
Ein Sorgenkind ist die „Longar“ (am 2. August 2011 sind 80.000 m³ Geröll zu Tal gestürzt. Anm. d. Red.). Wie geht es dort weiter, nachdem das Verbauungsprojekt abgeändert worden ist?
Im Zivilschutzbereich hat die Gemeinde schon seit den Unwettern 2008 sehr viel getan. Wir haben da seit Jahren eine enge und sehr gute Zusammenarbeit mit der Wildbachverbauung und mit dem Landeszivilschutz. Damit man in der Longar überhaupt erst arbeiten kann, mussten 6.000 m² mit Netzen abgedeckt werden. Das hat uns 130.000 Euro gekostet, aber es hat sich bewährt. Trotz der starken Niederschläge im Jahreslauf ist alles stabil geblieben. Das gesamte Projekt kommt auf 700.000 Euro. So viel Geld für einen Hof im Werte von 300.000, hat man uns vorgehalten. Aber da muss man weiter blicken. Es sollen wieder alle Wege gefahrlos zugänglich sein und es sollte alles begrünt werden, wegen der Stabilität, aber auch wegen der Optik.
Um die vielen Projekte umzusetzen, wird Bürgermeister Gögele wohl noch fünf Jahre brauchen?
Darüber haben wir noch nie gesprochen. Ja, die Zeit vergeht. In einem halben Jahre sind Wahlen. Man wird sehen, wie es im Ortsausschuss aussieht und ob auch geeignete Mitstreiter zur Verfügung stehen.
Interview: Günther Schöpf
Günther Schöpf