Rollentausch: Landeshauptmann Luis Durnwalder auf dem Diwan, auf dem während der vergangenen 25 Jahre zigtausende Personen in aller Herrgottsfrüh gesessen und stundenlang gewartet haben, um mit dem Luis persönlich zu reden.

Isch’r do?

Publiziert in 36 / 2013 - Erschienen am 16. Oktober 2013
Luis Durnwalder über seinen Ausstieg aus der Politik, sein Privatleben, seine Zukunftspläne, über Pestizide, Straßen, Skigebiete und mehr. der Vinschger: Es ist jetzt kurz 8 Uhr und Sie haben bereits viele Leute hier in Ihrem Büro empfangen. Wann stehen Sie eigentlich auf? Luis Durnwalder: Um 10 Minuten vor 5 Uhr, damit ich rechtzeitig hier bin. Zwischen 5 und 10 Minuten vor 6 Uhr komme ich hierher zu den Sprechstunden, und zwar von Dienstag bis Freitag. Am Montag wird meistens schon um 7 Uhr mit den offiziellen Amtshandlungen begonnen. An diesem Tag findet ja immer auch die Sitzung der Landesregierung statt. Wer kommt in aller Früh zu Ihnen? Die unterschiedlichsten Leute. Ich habe mir bereits bei meinem Amtsantritt als Landeshauptmann vorgenommen, an 4 Tagen in der Woche von 6 bis 8 Uhr für alle da zu sein. Diese Zeit gehört den Leuten, die mit mir persönlich reden wollen. Es kommen durchschnittlich zwischen 20 und 30 Personen pro Tag, die ab 3.30 bis 4 Uhr warten. Niemand braucht sich vorher anzumelden. Jeder, der kommt, weiß, wer vor ihm oder nach ihm an die Reihe kommt. Das regelt sich alles von selbst. Und wenn Sie einmal nicht hier sind? Ich rate den Leuten immer, am Vortag anzurufen. Das tun sie dann auch und fragen einfach: „Isch’r do?“ Wenn ja, kommen sie, wenn nicht, wählen sie einen anderen Tag. Wenn ich nicht politische Verpflichtungen habe, wie zum Beispiel in Brüssel oder Rom, bin ich meistens hier. Und das pünktlich, denn ich bin ein richtiger Pünktlichkeitsfanatiker...(lacht) sofern es eben geht, pünktlich zu sein. Was wollen die Leute von Ihnen? Sie kommen mit den unterschiedlichsten Sachen. Nicht EU-Bürger werden ebenso vorstellig, wie Südtiroler deutscher Muttersprache, Italiener oder Ladiner. Der Proporz wird hier sozusagen automatisch eingehalten. Pfarrer kommen ebenso zu mir wie Bürgermeister, Menschen, die sich keinen Rat mehr wissen oder auch Mütter mit dem Kind auf dem Arm, die einfach nur ein Foto für das Erinnerungsalbum haben möchten. Man kann aber auch um einen ­offiziellen Termin ansuchen, um mit dem Landeshauptmann zu reden. Natürlich kann man das auch. Viele, die zu mir kommen, hätten auch einen offiziellen Termin bekommen. Das kann aber einige Wochen dauern. Daher ziehen es viele vor, einmal früh aufzustehen und direkt zu mir zu kommen. Andererseits gibt es auch Leute, die kommen und mir kalt ins Gesicht sagen: Sie sind unsere letzte Hoffnung. Das heißt, dass sie vorher schon bei vielen anderen Personen und Stellen vorgesprochen haben. Geht es nicht oft um Geld? Die Opposition spricht zum Teil gerne von Bittgängen, aber damit haben meine Sprechstunden überhaupt nichts zu tun. Politiker der Opposition müssen das kritisieren, weil sie wohl zu gemütlich sind, schon um 6 Uhr für die Bürger da zu sein. Und andererseits wird immer wieder verlangt, die Politiker sollten mit den Bürgern direkt in Kontakt treten und reden. Näher beim Bürger kann man nicht sein wie eben auf diese Art und Weise. In mehr als der Hälfte der Fälle geht es nicht um Geld oder Beiträge. Oft wollen die Menschen einfach nur Ratschläge. Bei rund einem Drittel der Fälle kann ich sofort Antwort geben. Kann ich das nicht, werden die Anfragen an die zuständigen Ämter weitergeleitet und dort bearbeitet. Jeder bekommt eine Antwort, auch wenn es ein Nein ist. Bei rund der Hälfte der Fälle hätten die Anfragenden auch von den Ämtern die entsprechenden Antworten bekommen. Es ist halt so, dass es viele vorziehen, direkt mit mir zu reden, weil sie glauben, dass es dann schneller und sicherer geht. Ich sage den Leuten nur, was auch die Ämter mitgeteilt hätten. Mit welchen Sorgen werden Sie oft konfrontiert? Mit allen möglichen Anliegen. Einige kommen mit Scheidungsproblemen zu mir, mit Wohnungsfragen, Erziehungs- und Schulproblemen und wieder andere sind in großer Not. Solche Fälle gibt es täglich. Erst heute in der Früh war ein Mädchen hier und schilderte seine Notlage: keine Arbeit, nur mehr 10 Euro in der Tasche, keine Möglichkeit mehr, nach Hause zurückzugehen. In solchen Fällen informiere ich die Leute natürlich über Hilfsdienste, an die sich wenden können...und gebe ihnen manchmal auch einen 50er oder 100er von meinem Privatgeld. Sie sind seit 25 Jahren fast jeden Morgen hier. Wie viele Leute kennen Sie? Nach 40 Jahren Landes- und Regionalpolitik und den vielen Sprechstunden, besonders auch jenen hier im Büro, ist es halt so, dass man fast jeden zweiten Südtiroler kennt. Wenn mir die Opposition dann teilweise unterstellt, ich sei dermaßen diktatorisch, dass ich schon um 6 Uhr damit beginnen würde, die Leute „auszufratschln“, um irgendwelche Hintergründe zu erfragen, kann ich nur sagen: auch ich würde um 6 Uhr in der Früh noch lieber schlafen. Ist es nicht auch eine körperliche Belastung, täglich so früh auf den Beinen zu sein? Das hat sich so eingebürgert und manchmal wundere ich mich selbst, wie das geht. Ich bin immerhin über 70. Es ist einfach so, dass das für mich keine Belastung ist. Es ist erstens Gewohnheit und zweitens habe ich gerne Leute. Und deswegen ist es für mich eher eine Erholung, denn von 6 bis 8 Uhr kommen eigentlich die „Unfrisierten“, die noch ehrlich irgendein Problem haben. Nach 8 Uhr kommen dann schon „Schlaue“, die glauben: heute muss ich schauen, wie ich ihn so hinkriege oder anders. Ein Langschläfer sind Sie nicht? Und wie! Wenn ich im Urlaub bin, schlafe ich in den ersten Tagen immer bis 9 oder 10 Uhr. Im Arbeitsalltag bleiben mir aber normalerweise nur 4 bis 5 Stunden Schlaf. Vor Mitternacht komme ich nie ins Bett. Außerdem bin ich nicht einer, der abends schnell davonläuft. Nicht selten bleibe ich hängen. Manchmal komme ich auch nur nach Hause, um zu duschen. Sie wohnen zum Teil in Bozen und zum Teil in Tschirland bei Ihrer Partnerin Angelika. Ihre Tochter Greta ist jetzt 4 Jahre alt. Ist sie manchmal schon wach, wenn Sie das Haus verlassen? Die Angelika steht immer auf. Wenn uns die Greta hört, kommt sie auch herunter, um mir einen Kuss zu geben. Werden sie nach dem Ausstieg aus der Politik ein Vinschger? Ja, automatisch. Nachdem die Angelika in Tschirland ihren Hof hat, werde ich mehrheitlich oben sein. Die Greta ist als Gemeindebürgerin von Naturns eingetragen. Haben Sie die Jagdrechte des Klosters Marienberg schon gepachtet? Die Verhandlungen sind im Gang. Ich habe gesagt, dass ich diese Jagdrechte gerne pachten möchte, aber erst nach dem Ablauf meines Amtes als Landeshauptmann und nicht um jeden Preis. Ich bin bereits Mitglied zweier Reviere und von Naturns aus wäre die Entfernung zu Marienberg nicht so groß. Sie sind auch sonst gerne im ­Vinschgau? Der Vinschgau war der einzige Bezirk, in dem ich bei den Wahlen nicht an erster Stelle war. Die Vinschger haben immer gesagt, wir wählen Vinschger. Ich bin im Vinschgau zwar immer gut gewählt worden, aber nie an erster Stelle, wie das in allen anderen Bezirken der Fall war. Mit den Vinschgern habe ich mich aber immer sehr gut verstanden und bin gut mit ihnen ausgekommen. Daher werde ich mich auch in Zukunft dort sicher wohlfühlen. Gibt es etwas, was Sie für den Vinschgau noch vor dem Ablauf ihrer Amtsperiode gerne getan hätten, es aber nicht mehr schaffen bzw. nicht mehr die Zeit dazu haben? Beim Nationalpark ist es uns zwar gelungen, die Talsohle auszuklammern und ein Mitspracherecht zu verankern. Dank dieser und anderer Errungenschaften sind wir aber nur zum Teil vom Staat losgekommen. Zufrieden sein kann man noch nicht, denn ich möchte, dass wir den Park wirklich selbst verwalten können. Das ist so auch im Abkommen mit dem Regierungschef Enrico Letta festgeschrieben. Ich habe Letta gestern (2. Oktober, Anmerkung der Redaktion) dazu gratuliert, dass die Regierungskrise abgewendet werden konnte und ihn gleichzeitig an das Thema Nationalpark erinnert. Es geht darum, die 6er- und 12er-Kommission formell einzusetzen. Wir hätten schon eine Einigung, auch mit der Lombardei. Auch mit Roberto Maroni, dem Präsidenten der Region Lombardei, gibt es eine Einigung? Maroni wäre einverstanden. Wir müssen allerdings zahlen. Gibt es noch andere „unerledigte“ Vinschger Anliegen? Was der Vinschgau unbedingt braucht, sind bessere Verkehrsverhältnisse. Wer zum Beispiel in Naturns einfährt und Richtung Meran will, hat keine Chance, ­zügig weiterzukommen, auch nicht um 5 Uhr in der Früh. Wenn man zum Beispiel einen „Kriecher“ vor sich hat, gibt es keine Möglichkeiten zum Überholen. Zum Unterschied von anderen Gebieten ist es bei den Vinschgern so, dass man gegen die eigenen Leute kämpfen muss, damit sie dich überhaupt bauen lassen. Jetzt sind sie dafür, dass man Kastelbell wenigsten umfahren darf. Die Trassenführung ist geklärt und in den nächsten Jahren dürfte die Umfahrung gebaut werden, obwohl bei den Kosten eher von 60 als von 50 Millionen Euro auszugehen ist. Nach dem Abschluss der großen Straßenbauprojekte in Meran und Brixen wird die Umfahrung Kastelbell/Galsaun an die Reihe kommen. Auch die Neugestaltung der Einfahrt in Spondinig ist in Angriff zu nehmen. Ebenso der weitere Ausbau der Strecke Forst-Töll. Bei diesem Vorhaben haben wir das Glück, dass von privater Seite mitgezahlt wird. Und wir steht es mit Rabland? Die bisher ins Auge gefasste Variante wird man wahrscheinlich nicht beibehalten werden können, weil entlang der Trasse Grundwasser da ist. Es werden also weitere Möglichkeiten studiert werden müssen. Sicher ist, dass es für Rabland eine Umfahrung braucht. Auch weil der Verkehr fließen muss, zumindest im Abschnitt von der Töll bis hinauf zur Plauser Geraden. Was den Obervinschgau betrifft, so ist es kein Geheimnis, dass ich ein Freund der großen Umfahrung bin. Allerdings muss es eine Einigung unter den Gemeinden geben. Bevor man über die Finanzierung redet, müssen die Gemeinden wissen, was sie wollen. Bei der Vinschgerbahn hatte man seinerzeit im Vorfeld auch lange Zeit nicht gewusst, ob man sie will oder nicht. Sobald die Vinschger selbst dahinter standen, wurde sie auch gebaut. Jetzt ist sie ein Erfolgsmodell, wenngleich wir für den Betrieb jährlich zwischen 4 und 5 Millionen Euro als Ausgleich zahlen müssen. Grundsätzlich glaube ich, dass der Vinschgau in Sachen Straßen die guten Zeiten ein bisschen versäumt hat, denn mittlerweile ist es so, dass weniger Geld da ist und es eine lange Rangordnung von Straßenbauprojekten gibt. Zuerst wird man das bauen müssen, was unbedingt notwendig ist und der Rest wird zurückgestellt. Nicht einig ist man sich im Obervinschgau auch beim Thema Skigebiete. Auch bei den Skigebieten muss man wissen, was man will. Es hat keinen Sinn, wenn am Vormittag jemand kommt und für den Zusammenschluss Kaunertal-­Langtaufers plädiert und am Nachmittag von anderer Seite gesagt wird, nein, das wollen wir nicht. Über einen Zusammenschluss kann man reden, wenn alle Gemeinden dafür sich und wenn die Skigebiete die Träger werden. Zu schauen ist auch auf das Gebiet Sulden und Trafoi. Auch dieses Gebiet muss zu einem kleinen Zentrum werden. Sulden und Trafoi müssen gemeinsam etwas machen. Die Initiativen sollen von privater Seite kommen und wir werden bereit sein, sie zu unterstützen. Werner Netzer, der Eigentümer der Aufstiegsanlagen in Sulden und Trafoi, war schon mehrmals bei mir. Er hat klare Vorstellungen, ist innerlich von der Sache begeistert und auch bereit zu investieren. Lassen sich die offenen Energiefragen im Vinschgau noch innerhalb dieser Legislaturperiode lösen? Beim Kraftwerk Laas/Martell gibt es schon eine grundsätzlich Einigung. Die anderen Fragen sollen in absehbarer Zeit einer Lösung zugeführt werden, zum Beispiel in Bezug auf das Kraftwerk Graun/Langtaufers. Ich hoffe sehr, dass es zu einem generellen „Stromfrieden“ kommt. Was die Stromverteilung betrifft, so haben die Gemeinden das Recht, das Netz zu übernehmen. Ich wiederhole aber noch einmal das, was man mir oft übel genommen hat: ich danke jedem Bürgermeister und wäre sogar bereit, ihn für eine Ehrung vorzuschlagen, wenn er das Netz übernimmt. Für Prad oder Schlanders kann es vielleicht interessant sein, den Strom selbst zu verteilen, weil man selbst eine Produktion hat, sonst aber ist das ein Defizitgeschäft, ich nenne nur die Leitungen zu den vielen entlegenen Höfen. Die Gemeinden haben aber sicher das Recht, das Netz zu übernehmen und es auf interne Gesellschaften abzutreten. Um welchen Preis? Es ist grundsätzlich das zu zahlen, was wir als Land für das Netz ausgegeben haben, die Zinsen sowie das, was inzwischen investiert wurde. Hier gibt es aber noch offene Fragen und bekanntlich auch einen Streit zwischen der SELNET und den Gemeinden. Einen Streit gibt es auch zwischen Schlanders und Laas in Bezug auf den Abtransport des Marmors. Es soll die Garantie gegeben werden, dass der abgebaute Marmor herunter kommt. All das, was über die Schrägbahn transportiert werden kann, soll über die Schrägbahn befördert werden. Besonders schwere Blöcke mit einem Gewicht von über 20 Tonnen sollen ausnahmsweise über die Straße abtransportiert werden können. Es darf aber nicht sein, dass alle ­Blöcke zu schweren gemacht werden. Wir haben es mit einer Forststraße zu tun, die nicht für den Marmorabtransport gebaut wurde und die zudem im Nationalpark liegt. Zu den großen Diskussionsthemen, speziell im Obervinschgau, gehört seit Monaten die Debatte rund um den Einsatz von Pestiziden. Das ist eine Grundsatzdiskussion. Wenn Pestizide gesundheitsgefährdend sind, sind sie es überall und nicht nur in Mals. Pestizide und Herbizide werden vor dem Einsatz von zig Behörden überprüft. Ist ein Mittel in Glurns schädlich, ist es das auch in Mals. Ist es in Glurns unschädlich, ist es auch in Mals unbedenklich. Das ist nicht eine Sache von Mals. Ein Referendum, wie es einige in Mals durchziehen wollen, kann sicher nicht zugelassen werden. Ich kann doch nicht sagen, ein generell zugelassenes Mittel darf in einer Gemeinde verwendet werden und in einer anderen nicht. Und nebenbei möchte ich wissen, wie man das kontrollieren will. Es gibt ja auch Lebensmittel wie Bananen und anderes Obst von außen, bei dem ich auch nicht kontrollieren kann, ob Pestizide eingesetzt wurden. Hier geht es einfach darum, die gesetzlichen Bestimmungen einzuhalten. Was in Mals und im Obervinschgau anders sein kann, sind die Abstände. Die Laimburg führt auf einem Versuchsfeld Messungen durch, auch was die Abdrift betrifft. Wenn kleine Parzellen zusammengelegt werden, dann brauche ich die Abstände innerhalb der Parzellen nicht einzuhalten. Das muss ich nur, wenn einer angrenzt, der dagegen ist. Im Obervinschgau wird in diesem Punkt schon ein bisschen Prinzipienreiterei betrieben. Noch einmal: das ist nicht ein Problem für Mals, sondern wenn schon, ist das eine generelle Diskussion für ganz Europa. Wir sind in Südtirol sowieso schon soweit, dass wir aufgrund der Agrios-Programme freiwillig unter der Hälfte von dem bleiben, was laut EU zulässig ist. Haben Sie konkrete Vorstellungen für die Zeit nach der Politik? Ich habe viele Vorstellungen. Erst gestern habe ich wieder zwei Angebote bekommen, eines davon für einen diplomatischen Dienst. Ein paar Monate werde ich noch bleiben, auch in der Regionalpolitik. Ich rechne damit, dass die neue Landesregierung zwischen Mitte Dezember und Mitte Jänner gebildet wird. Dann werde ich für ein paar Monate total Abstand nehmen, das heißt überhaupt nichts annehmen. Ich werde schauen, was auf mich zukommt und was mir selbst einfällt. Jedenfalls will ich nicht etwas aus finanziellen Überlegungen heraus tun. Ich kann mir vorstellen, etwas zu machen, wo nicht das Geld im Vordergrund steht, sondern wo ich meine Erfahrungen einbringen kann. Jedenfalls möchte ich nicht etwas übernehmen, zum Beispiel eine Obmannschaft, weil jene, die dahinter stehen, glauben, so aufgrund der Beziehungen, die ich habe, zu irgendwelchen Vorteilen zu kommen. Ich bin 72, möchte auch meine Freizeit genießen und ein bisschen reisen. Was mich aber schon interessiert, ist der Bereich der internationalen Entwicklungsarbeit. Daher werde ich mich mit dem Arzt Toni Pizzecco in Latsch in Verbindung setzen, der auf diesem Gebiet tätig ist. Sie sagen oft, dass wir uns nicht mehr wirklich freuen können. Während meiner Amtszeit war ich fast an jedem Wochenende bei Einweihungen und Eröffnungen dabei, nicht selten auch bei 4 oder 5. Ich habe schon manchmal den Eindruck, dass wir uns nicht mehr freuen können, wenn etwas gemacht wurde. Für viele Leute ist alles einfach selbstverständlich. Früher hat man für jede Struktur 5 Jahre gebraucht. Heutzutage haben die Leute vielfach kein Gespür mehr für die Zeit, das Machbare und das Geld, und vor allem auch für das Private und das Öffentliche. Viele fordern einfach: das hat die Gemeinde zu machen und jenes das Land. Wird nicht schnell, schön und teuer gebaut, geht man zur Opposition. Apropos Opposition, wie lautet ihre Prognose für das Abschneiden der SVP am 27. Oktober? Ich bin überzeugt, dass wir die Absolute halten. Die Leute werden schon ein bisschen abwägen, was gemacht worden ist und wie die Listen ausschauen, auch jene der Opposition. Gewisse ­Oppositionspolitiker gibt es schon sehr lange, was aber haben sie in Wirklichkeit erreicht? Wir haben eine gute Liste mit guten Leuten. Arno Kompatscher und Richard Theiner sind ein gutes Duo an der Spitze. Wichtig ist nur, dass sie im Team arbeiten, auch nach den Wahlen. Ich glaube, dass ­Theiner teilweise unterbewertet wird, vielleicht auch, weil er schon ein bisschen länger im Amt ist somit der Aha-Effekt nicht mehr so da ist. Was hat sie in den all den Jahren geschmerzt? Man bekommt fast täglich Ohrfeigen. Zum Beispiel wenn man auf einer Pressekonferenz etwas sagt und am Tag nachher das Gegenteil in der Zeitung steht. Bei Sachen, für die ich am meisten ausgepfiffen wurde, stellte sich im Nachhinein heraus, dass sie die besten waren, ich denke zum Beispiel an die MeBo, die Universität, an den botanischen Garten, die Therme, den Brennerbasistunnel oder an den Flughafen, wobei die Flughafen-Frage noch nicht gelöst ist. Und auch die Energie möchte ich nennen. Es hat Probleme gegeben, aber man kann deswegen nicht das Kind mit dem Bad ausschütten. Geschmerzt hat mich auch die Vorgehensweise des Rechnungshofs bezüglich der Repräsentationsausgaben. Seit 50 Jahren wird das so gehandhabt, und zwar auch von allen Landesräten und dem Landtagspräsidium. Und ich soll jetzt der einzige sein, der etwas falsch gemacht hat, nur weil ich die Dinge aufgeschrieben habe. Andere haben überhaupt nichts aufgeschrieben. Es wird doch wohl noch zulässig sein, einem Chor nach einem Auftritt ein Trinkgeld zu geben, oder einer Musikkapelle, die stundenlang stramm steht. Und nebenbei geht es auch um die Würde des Landes. Oder soll ich dem Dalai Lama, wenn er zu Besuch kommt, Pippenwasser anbieten und ihn zu Mittag zum Würstelstand schicken? Sepp Laner
Josef Laner

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