ICI: Bangen um viel Geld und Bangen um den sozialen Frieden
Publiziert in 11 / 2005 - Erschienen am 9. Juni 2005
Wie es bei Redaktionsschluss noch aussah, werden über 30 Genossenschaften in Südtirol die zum 30. Juni fällige erste Rate der Gemeindeimmobiliensteuer ICI nicht zahlen. Eine entsprechende Empfehlung hat der Raiffeisenverband den Genossenschaften unlängst zukommmen lassen. Werden auch die acht Vinschger Obstgenossenschaften tatsächlich von der ICI befreit, wird diese Befreiung zu großen Löchern in den Gemeindekassen führen. Noch viel schwerwiegender wird das Problem, wenn die Gemeinden die von den Genossenschaften in den letzten fünf Jahren kassierten ICI-Einnahmen zurückzahlen müssen.
Von Josef Laner
In seinem Rundschreiben an die Genossenschaften verweist der Raiffeisenverband auf das Urteil Nr. 6884/05 vom 4. März dieses Jahres. Mit diesem Urteil hat der Gerichtshof in punkto ICI auf Betriebsgebäude landwirtschaftlicher Genossenschaften ein für die angeschlossenen Mitgliedsgenossenschaften grundsätzlich positives Urteil im Sinne der Befreiung dieser Gebäude von der ICI gefällt. Das Oberste Gericht hatte einen Rekurs der Gemeinde Mirandola gegen eine Urteil der regionalen Steuerkommission von Bologna zu behandeln.
Der Grundsatz der ICI-Befreiung wurde vom Kassationsurteil dahingehend bestätigt, dass allen Gebäuden, die zur Ausübung der landwirtschaftlichen Tätigkeiten verwendet werden, aus steuerlicher Sicht landwirtschaftlicher Charakter anzuerkennen ist. Der entsprechende Gesetzesartikel definiert die landwirtschaftlichen Tätigkeiten ausdrücklich mit der Lagerung, Verarbeitung, Umwandlung und Vermarktung der landwirtschaftlichen Produkte.
Der Großteil der Gemeinden hat die ICI-Rückforderungen der Genossenschaften schriftlich abgelehnt. Die Genossenschaften haben daraufhin Rekurse eingebracht, sodass nun Steuerstreitverfahren bei der II. Instanz der Steuerkommission in Bozen anstehen. „Unser Rechtsberater ist überzeugt, dass die Genossenschaften Recht bekommen, ein erstes Urteil in Südtirol in dieser Sache soll demnächst im Zusammenhang mit dem Rekurs einer Genossenschaft in Kaltern fallen“, sagte Josef Wielander, der Geschäftsführer der VI.P (Vinschger Produzenten für Obst und Gemüse) dem „Der Vinschger“.
Sollte das Urteil zugunsten der Genossenschaft ausfallen, „werden alle Genossenschaften in unserem Einzugsgebiet der Empfehlung, die ICI-Rate im Juni nicht zu zahlen, natürlich nachkommen“.
Gemäß Wielanders persönlicher Meinung soll endlich Klarheit in diese verworrene Geschichte gebracht werden. „Wir als Genossenschaft wollen keineswegs eine Gesetzesänderung wie es manchmal fälschlicherweise unterstellt wird, und wir wollen uns auch keineswegs von einer Steuer drücken“, stellt Wielander fest. Es gehe ausschließlich um Rechte und Pflichten, die jeder einzuhalten hat, „auch wir natürlich namens unserer Mitglieder. Sollte das Gericht feststellen, dass die Genossenschaften ICI-befreit sind, ist es normal und legitim, dass wir auch nicht zahlen, da wir gemäß unserem statutarischen Auftrag gar nicht zahlen dürfen, andernfalls ist es selbstverständlich, dass wir unserer Pflicht nachkommen und bezahlen".
Allein in der Gemeinde Latsch, in der mit der MIVO und mit der ORTLER gleich zwei Genossenschaften angesiedelt sind, kassiert die Gemeinde von diesen zwei Genossenschaften rund 140.000 Euro im Jahr. In Schlanders (GEOS) dürfte es sich in etwa um denselben Betrag handeln. Aber auch für die Gemeinden Laas (ALPE und OVEG), Kastelbell-Tschars (JUVAL), Naturns (NOG) und Partschins (POG) stellt die ICI der Genossenschaften ein bedeutende Einnahmequelle dar. In durchaus ernste Schwierigkeiten könnten einige Gemeinden kommen, wenn sie den Genossenschaften die ICI von fünf Jahren zurückzahlen müssen.
In der Brust von Karl Weiss, dem neuen Bürgermeister von Latsch, schlagen sozusagen zwei Herzen, denn er ist zugleich VI.P-Obmann. „Ich vertrete als Obmann natürlich die Interessen der Genossenschaften. Die Gemeinde muss mit dem Geld auskommen, das ihr gemäß dem Haushalt zur Verfügung steht“, sagte Karl Weiss. Es sei in dieser Sache noch alles offen und er hoffe auf eine Einigung zwischen dem Gemeindenverband und dem Raiffeisenverband.
Der Laaser Bürgermeister Andreas Tappeiner, seines Zeichens auch Bezirksobmann des Bauernbundes, sagte, dass seine Gemeinde die Rückzahlungsforderungen nicht schriftlich, sondern nach vorhergehender Aussprache mit den Genossenschaften stillschweigend abgelehnt habe. Ein Streitverfahren sei damit vermieden worden. „Ich habe schon immer gesagt, dass die Landwirtschaft ihren Beitrag an die Gemeinde in Form der ICI-Zahlungen leistet. Der Landwirtschaft muss der soziale Friede so viel Wert sein, andere Betriebe müssen auch zahlen“, sagte Andreas Tappeiner. Derzeit leiste die Landwirtschaft (10 bis 15 Prozent der Bevölkerung) sehr wohl ihren Beitrag, denn der ICI-Beitrag der Genossenschaften mache rund ein Viertel des gesamten ICI-Einkommens aus. „Die erste Priorität für uns als Gemeinde ist es, dass alle Erstwohnungen weiterhin ICI-befreit bleiben“, so Tappeiner. Sollte das Gericht die ICI-Befreiung der Genossenschaften bestätigen, „werden wir den Steuerausfall des heurigen Jahres mit dem Uferzins, mit Einnahmen aus dem Wassereinzugsgebiet der Etsch und mit der Beteiligung an der Reschenstaussee-Konzession ausgleichen können“.
Offen sei aber, wie es weitergehen soll, wenn die Gemeinde die ICI-Rückzahlungen leisten muss.
Alles eher als glücklich über eine Nichtzahlung der ICI bzw. sogar über eine eventuelle Rückerstattung gibt sich Hans Mitterer, der Vorsitzende des SVP-Bezirkssozialausschusses. „Wir als Arbeitnehmer fragen uns, wo hier die Steuergerechtigkeit bleibt“, sagt Mitterer. „Wo sollen die Steuern herkommen?“ Als eines der Beispiele nennt Hans Mitterer die Studienstipendien. Die Bauern seien insofern begünstigt, als dass ihr erklärtes Einkommen in der Regel tief sei. Die Arbeitnehmer hoffen sehr, dass es zu einer Einigung zwischen der Landwirtschaft und dem Land kommt. Die Arbeitnehmer werden sich wehren und sich dafür einsetzen, dass das Land eine Kompromisslösung findet. Sonst sei der soziale Friede gefährdet.
„Bevor die rechtliche Seite nicht eindeutig geklärt ist, sind Polemiken fehl am Platz“, sagte der Schlanderser Bürgermeister Johann Wallnöfer. Er glaubt nicht, dass das Urteil in Bezug auf die Gemeinde Mirandola eins zu eins auf Südtirol umgelegt werden kann.
Solange die Rechtsunsicherheit nicht ausgeräumt ist, ist es laut Wallnöfer besser, dass die Genossenschaften die ICI weiterhin zahlen, denn sonst laufen sie Gefahr, später auch eine empfindliche Strafe nachzahlen zu müssen. Ohne eine rechtliche Sicherheit gebe es auch keinen Verhandlungsspielraum, und zwar weder für die Gemeinden, noch für die Genossenschaften und auch nicht für das Land.
Josef Laner