Erich Platzgummer erzählt
Insgesamt vier Stickmaschinen wurden erfolgreich wegtransportiert.
Erich und Annemarie.
3 Generationen (v.l.): Elisa Tappeiner, ihre Tante Evelyn Platzgummer Raffeiner, die seit den 1990er Jahren in der Stickerei arbeitet, und Erich Platzgummer; das Titelbild zeigt Erich Platzgummer im Untergeschoss seines Wohnhauses, kurz bevor die Maschinen wegtransportiert wurden.
Die blaue Schürze wird im großen Stil, wie hier für das Spatzenfest, bestickt.

Eine Vinschger Pionier-Geschichte

Erich Platzgummer und sein Stickservice.

Publiziert in 21 / 2023 - Erschienen am 21. November 2023

TSCHARS - „Nun ist es etwas ruhiger“, lacht Erich Platzgummer. Freilich ist hierbei auch etwas Wehmut dabei, schließlich verlässt ein Teil Geschichte die eigenen vier Wände. Kürzlich erfolgte der Umzug der Stickerei in die Gewerbezone Galsaun, dort wo die Firma „Schneider & Sticker“ von Elisa und Matthias Tappeiner bereits ihren offiziellen Betriebssitz hat. Der Umzug war aufwendig, verlief aber problemlos, die schweren Stickmaschinen - insgesamt vier an der Zahl, wovon die schwerste 1.600 Kilogramm wiegt - wurden per Kran und Transporter weggebracht. Dass Betrieb und Maschinen in guten Händen sind, weiß Erich Platzgummer. Mit 1. Jänner 2022 hatte er die erfolgreiche Firma an seine Enkelin Elisa Tappeiner übergeben. Seit Jahrzehnten hatte der Betrieb den Sitz im Untergeschoss seines Wohnhauses am Pardellweg in Tschars.

1977 Schneiderei gegründet
Es war 1977, als er seine eigene Firma gegründet hatte. „Damals noch als reine Schneiderei“, erinnert sich Platzgummer, der am 16. Dezember seinen 80. Geburtstag feiert. Sein Leben war quasi dem Schneider-Handwerk und der damals noch innovativen Stickerei gewidmet. Im Alter von 13 Jahren machte er eine Ausbildung zum Schneider, die Lehrstelle fand er im benachbarten Staben. „Zu dieser Zeit war quasi niemand Schneider“, erzählt er. Lernjahre folgten, Platzgummer absolvierte die Gesellenprüfung erfolgreich, entschied sich dann jedoch für einen anderen Beruf und arbeitete als Verkäufer. Als Vertreter reiste er später durchs Land, bekam einiges zu sehen, kehrte dann aber wieder zu seinem eigentlichen Metier zurück und gründete die Schneiderei. Grossisten wurden beliefert, zudem war Platzgummer von 1983 bis 1988 als Wanderhändler unterwegs. 1985 erfolgte der Neubau des Wohnhauses, die Schneiderei fand im Untergeschoss noch größere Räumlichkeiten. „Glücklicherweise wurde es gut isoliert, der Lärm der Maschinen war kaum zu hören. Ganz zur Ruhe kommt man aber halt nie, wenn sich ein Betrieb im Wohnhaus befindet“, erzählt der Tscharser.

„Es war zu Beginn eine Katastrophe“
Weil er als Vertreter auch blaue Schürzen vertreten hatte, kam die Idee zur Stickerei. Auf den Märkten wurden bereits einige bestickte Schürzen vertrieben, „und kamen gut an“, erinnert er sich. Nachdem er einige Großhändler von den bestickten blauen Schürzen überzeugen konnte, gründete er Anfang der 1990er Jahre das Stickereiunternehmen, der Südtiroler Stickservice war geboren.
Im Vinschgau war er damit ein Pionier, südtirolweit gab es noch zwei weitere Unternehmen in diesem Bereich. „Die Arbeit war anfangs noch eine Katastrophe, mühevoll und aufwendig“, erinnert sich Platzgummer. Zu Beginn wurden die Produkte nämlich noch mithilfe eines Lochkartensystems bestickt. Schnell jedoch modernisierte der Tscharser seinen Betrieb und stieg auf maschinelle Arbeit mit Stickmaschinen um. Die Sprüche für die bestickten blauen Sprüche entwickelte er größtenteils selbst, ließ sich aber auch inspirieren bzw. „kaufte sie von anderen auf Bauernmärkten ab“, lacht Platzgummer. Wie dies damals funktionierte? „Ein Schurz kostete etwa 7.000 Lire. Ich kaufte den Leuten diesen für 20.000 Lire ab und hatte damit eine Vorlage, während sie sich über das Geld freuten“. Freche und lustige Sprüche gab es bereits damals zuhauf. Der Betrieb, lange als Ein-Mann-Betrieb geführt, konnte im Laufe der Jahre wachsen, die Töchter stiegen in das Unternehmen ein, in den 1990er Jahren zählt die Firma phasenweise bis zu 10 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Wie ein Schurz beinahe die Hochzeit verhindert hätte
Der Betrieb lief - und auch privat lief es gut. Bereits 1965 hatte er seine Annemarie geheiratet, drei Töchter, die genauso wie seine Ehefrau ebenfalls tatkräftig in der Schneiderei und im Stickservice mithalfen, folgten. „Dabei wäre die Hochzeit fast gescheitert“, erinnert sich das verheiratete Paar. Warum wohl? „Wegen eines Schurzes. Ich wollte diesen unbedingt im Kleiderkasten aufbewahren, Annemarie meinte jedoch dies passe nicht“, erzählt er die Anekdote. Sie konnte jedoch vom Schurz überzeugt werden, gar einige Schürze erhielten noch Platz in Kleiderkästen der beiden und schlussendlich auch in ihrem Leben.

Heute und in Zukunft
Dass seine Enkel den Traditionsbetrieb weiterführen, darauf ist Erich Platzgummer stolz. Er selbst hilft heute noch ab und zu im Familienbetrieb mit, insbesondere wenn es Probleme mit den Stickmaschinen gibt. Insgesamt 13 Personen arbeiten mittlerweile im Betrieb, der sich heute „Schneider & Sticker“ nennt. Elisa und Matthias wollen den Weg ihres Großvaters fortsetzen. In der Manufaktur werden innovative, hochwertige Produkte kreiert und freilich wird auch noch der blaue Schurz produziert und bestickt. Heute und in Zukunft.

Michael Andres

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