Ein Tal der Museums-Individualisten
Publiziert in 12 / 2003 - Erschienen am 19. Juni 2003
[F] Der Vinschgau hat über 20 museale Einrichtungen. Jede hat ihr Eigenleben. Jede hat ihre Eigenverantwortlichkeit. Was fehlt sind Ideen und ein Konzept für eine Zusammenarbeit und vor allem das nötige Geld.
von Hansjörg Telfser [/F]
Positiv ausgedrückt sind die Vinschger große Individualisten, formuliert man es negativ salopp, muss man sie als „eigensinnige, sture Leit“ bezeichnen.
Folgen und Auswirkungen hat dies vor allem dort, wo zusammengearbeitet werden muss. Und trifft man dann noch auf einen Bereich, in dem die „landesfürstliche“ Geldquelle nicht sprudelt, sondern nur tropft, liegt das Ergebnis auf der Hand.
Ein solcher Bereich ist die gesamte Museumslandschaft im Tale. Zählt man Kirchen und Museen zusammen, kommt man auf beinahe 30 Strukturen (die wichtigsten siehe im Kasten), die man besuchen könnte. Zwar fließen viele ehrenamtliche Stunden und genauso viel ehrenamtliches Engagement ein, doch unter dem Strich sieht es so aus, als ob man „zum Sterben zu viel und zum Leben zu wenig hat.“
In der Zeit als noch die LEADER-Gelder via Brüssel, Rom und Bozen in das Tal flossen, stetzten die Vinschger Politiker vor allem auf bauliche Maßnahmen. Milliarden (Lire) wurden beispielsweise für die Adaptierung der Räumlichkeiten des Vintschger Museums in Schluderns aufgewendet, hohe Millionen Beträge (wieder in alten Lire) wurde dann noch für die Füllung abgestellt. Als es aber darum ging das Ganze in Bewegung zu setzen und qualifiziertes Personal zu finden, geizte man. Die Folgekosten sollten so niedrig wie möglich gehalten werden. Dazu kam noch, dass die Museumslobby nur über eine schwache Stimme verfügt. Die Ergebnisse sind bekannt. Beispielsweise wird heute das Vintschger Museum in Schluderns mit einer Halbtagesstelle abgedeckt.
Auch im Archeoparc ergaben sich ähnliche Probleme. Bau und Ausstattung kosteten 2,45 Milliarden Lire - finanziert hauptsächlich über die öffentliche Hand. Mit der Führung betraute man eine GmbH. Die gewinnorientiert arbeiten muss. Die Folge: Rationalisierungen beim Personal. Hätten im entscheidenden Moment die Schnalser und mit ihnen die Vinschger Politiker die Tragweite der Ötzi-Entdeckung erkannt, hätte man sicher mehr herausholen können. So bleibt es dabei, dass man auch im Schnalstal um jeden Cent hart kämpfen muss.
Nicht weniger schwierig ist es auch in den vom Park betriebenen Naturhäusern. Nach den großzügigen Baumaßnahmen hat man nun Probleme, das geeignete Personal zu finden oder zu suchen. Allein für die Betreuung der Aquarien im Aquaprad sind nicht nur angelernte Arbeiter, sondern teuere qualifizierte Fachkräfte erforderlich.
Dass eine derartige Einrichtung auch nach der Fertigstellung noch etwas kosten wird, hätte allen klar sein müssen, die sich für solche Infrastrukturen stark machen.
Dennoch ist es so, dass sich durch die Vinschger Museumslandschaft wie ein roter Faden die Kurzfristigkeit zieht. Nach dem Motto: Zuerst einmal bauen, dann schau’n wir weiter. Ausnahmen bilden die Churburg und Messners Schloss Juval. Während die Trappsche Burg vor allem von der Einmaligkeit der Rüstkammer zehrt, schafft es Messner mit seinen - nicht einmal außergewöhnlichen - tibetischen Exponaten auf Juval, durch seinen Namen und sein mediales Wirken Tausende von Besucher diesseits und jenseits der Alpen auf sein Schloss zu lotsen.
Auf alle Fälle braucht es eine gewaltige Menge von Besuchern, dass sich ein Museum selbst tragen kann. Wie der Herr auf der Churburg, Johannes Graf Trapp, es ausdrückt (siehe auch Interview), würde man die gut 70.000 Besucher schon brauchen, um alle Kosten zu decken und noch einen kleinen Gewinn zu erzielen.
An diese Zahlen wird Messner mit seiner tibetanischen Kultur nicht herankommen, doch in den 5 Monaten, in denen Schloss Juval den Besuchern zugänglich ist, stürmen auch Tausende den Burghügel.
Abgesehen von den beiden Sternen am Vinschger Museumshimmel fallen die Besucherzahlen bei den übrigen Einrichtungen stark ab. Das sicherlich interessante und mit Exponaten reich gesegnte Schreibmaschinenmuseum in Partschins verkaufte im letzten Jahr 6.500 Eintrittskarten. In diesen Bereich pendelte sich auch das Vintschger Museum in Schluderns ein. Besser sah es nur für den Archeoparc in Schnals aus. Über 20.000 Besucher wurden dort im abgelaufenen Jahr gezählt.
Dennoch immer noch zu wenig, um Kosten deckend arbeiten zu können. In Partschins wird, wie in den meisten anderen Museen auch, der Fehlbetrag über die Landesförderung, Gelder von der Gemeinde und durch kleinere Sponsoren abgedeckt. So kocht jede dieser Einrichtungen ihre eigene Suppe und ein Ausweg aus dieser Kleinstaaterei ist nicht in Sicht.
Zwar gibt es einen Vorschlag von Silvia Renhart und dem EU-Experten und ehemaligen Koordinator des LEADER-Programms im Vinschgau Helmut Pinggera, doch käme es zur Realisierung dieses Konzeptes, müssen viele alten Zöpfe abgeschnitten werden. Herzstück dieses Vorschlages wäre das gemeinsame Marketing aller kleinen Einrichtugen mit den beiden Juwelen Churburg und Schloss Juval. Einen ersten Versuch hat es mit der Bewerbung des „Magischen Rätischen Dreiecks“ gegeben, in dem sich Museen und museumsähnliche Einrichtungen aus den drei Regionen Oberinntal, Vinschgau und Müstair gemeinsam in einem Folder vorstellen. Doch dabei ist es auch schon geblieben. Treffen doch die gesetzlichen Auflagen in Österreich, dass EU-Gelder nachhaltig und über Jahre gebunden werden müssen, auf das Prinzip der Kurzfristigkeit bei uns.
Kann dieser Gegensatz überwunden werden, könnte sich noch etwas entwickeln. Auch dann wenn andere Vorschläge aus der Studie zum Tragen kämen: Der Zusammenschluss aller Museen und Kulturstätten im Vinschgau zu einem „Netzwerk“ mit gemeinsamer wirtschaftlicher Führung und Jahresplanung. Mit der Schaffung der Zentralstelle würden aber vieleVorstände der kleinen Museen ihre Spielwiese verlieren. Ob das im Vinschgau möglich ist?
[F] Archeoparc Schnals für „European Museum of the Year Award“ vorgeschlagen [/F]
Awards werden in allen möglichen Sparten wie Kunst, Film, Architektur und Sport vergeben, aber immer für besondere und außergewöhnliche Leistungen.
Beworben für den diesjährigen „European Museum of the Year Award“ hat sich auch der Archeoparc in Schnals mit der im vergangenen Jahr noch tätigen Museumsleiterin Silvia Renhart. Sie konnte das Schnalser Konzept in Kopenhagen zwischen dem 14. und 17. Mai mit einer Präsentation und in einem Hearing vorstellen. Zwar hat es nicht zu einem Preis gereicht, - den Award hat sich die „British Galleries“ Abteilung des „Victoria und Albert Museums“ in London geholt - doch immerhin schaffte es Renhart mit „ihrem“ Archeoparc in die Runde der besten 30 europäischen Museen, die in den vergangenen beiden Jahren neu entstanden bzw. umgebaut wurden. Laut der Jury ist das Schnalser Museumsprojekt ein Beispiel gebendes Modell für die interaktive Aufarbeitung eines Themas.
[F] Museen und museumsähnliche
Einrichtungen im Vinschgau [/F]
Museum Vintschger Oberland (Graun)
Fotodokumentation über die Seestauung
Kloster Marienberg (Burgeis)
Benediktinerabtei - Krypta
Fürstenburg (Burgeis)
Architektur von der Romanik bis zur Moderne - Rundgang
St. Benedikt (Mals)
Fresken aus der Karolingerzeit
St. Veith-Kirche (Tartsch)
Archäologische Grabungen am Tartscher Bühel
Churburg (Schluderns)
Renaissanceschloss, Arkadenhof, Rüstkammer genießt Weltruf
Vintschger Museum (Schluderns)
Archaischer Vinschgau; Wasserwosser- Bewässerungssysteme
Tauferer Tor Turm (Glurns)
Stadtgeschichte - Schlacht an der Calven/Chalavaina 1499
Hospizkirche St. Johann in Taufers (Taufers i. M.)
Romanik im Vinschgau
Pfarrmuseum St. Michael (Taufers i. M.)
Sakrale Kunstwerke
Flohhäuschen (Sulden)
Reinhold Messner und seine alpinen Kuriositäten
Aquaprad - Nationalpark (Prad)
Thema: Nahe und fremde Welt der Fische im Gebirge. Aquarien
Haus der Natur - Nationalpark (Trafoi)
Thema: Leben an der Grenze
Haus der Natur - Nationalpark (Martell)
Thema: „In Martell, in mein Tol“ einst und heute
Spitalkirche, Heimatmuseum, Bichlkirche (Latsch)
Lederer Altar, Menhir (siehe Titelbild)
Schloss KasteLbell
Ausstellung zeitgenössischer Künstler
Archeoparc (Schnals)
Archäologiepark - Urgeschichte zum „Er-leben und Be-greifen“
Schloss Juval
Reinhold Messner und seine tibetanischen Kunstgegenstände
St. Prokuluskirche (Naturns)
Fresken, Thema Pest - St. Prokulus im Bürger- und Rathaus
Schreibmaschinenmuseum (Partschins)
Peter Mitterhofer Erfinder, 1.200 Schreibmaschinen
[F] Gemeinsame Vermarktung: „Eine Wunde aufreißen“ [/F]
„Der Vinschger“: Herr Graf, Sie sind mit Ihrer Churburg das Aushängeschild im Bereich der Museen im Vinschgau
Johannes Graf Trapp: Danke. Ja, die Churburg wurde in den letzten Jahren durchschnittlich von 72 bis 74.000 Menschen jährlich besucht.
Wurde nie daran gedacht, alle Vinschger Museen gemeinsam zu vermarkten?
Ich verfolge die Idee gemeinsam aufzutreten, schon seit zehn Jahren. Aber es funktioniert nicht.
Woran scheitert’s - an den Kirchtürmen?
Ja, ich denke schon. Was wir gemeinsam zustande gebracht haben, ist der Folder für das „Magische Rätische Dreieck“ mit der Einbindung des Oberen Gerichtes, von Müstair und jetzt auch noch des Valtellina. Aber in der nächsten Nähe liegt kein Konzept auf, obwohl ich mich mit den Leuten gut verstehe.Nicht dass wir gegeneinander arbeiten, aber jeder arbeitet nur für sich.
Schafft man es auch nicht, Strukturen wie die Churburg und das Vintschger Museum, die in derselben Gemeinde beheimatet sind, gemeinsam zu vermarkten?
Hier„ reißen Sie mir eine Wunde“ auf. Ich war nicht von vornherein gegen das Vintschger Museum. Nur - es mit x-Milliarden (gemeint sind Lire) zu einem Tagungszentrum auszubauen, finde ich nicht zielführend. Ich habe sogar das Angebot gemacht, ein gemeinsames Ticket einzuführen. Das wurde abgelehnt.
...und die Begründung?
Das Argument war: Wir sind selber in der Lage das zu vermarkten.
... und das Ergebnis?
Sie stehen bei 6 bis 8.000 Besuchern und wir haben im letzten Jahr zugelegt. Es liegt kein Konzept vor.
Bei der Archeoparc-Geschichte kam der Vorwurf: „Ein Museum ist kein Gasthaus“ - liegt es an den Führungen?
Nichts gegen die ehrenamtlichen Verwalter und die Bürgermeister und alljene, die sich einsetzen, aber es ist das Konzept nicht da. Ich bin auch kein Museumspädagoge, aber es gibt dafür Fachleute und man muss sich in der Welt umschauen.
Interview: Hansjörg Telfser
Hansjörg Telfser