„Die ‚Kleinen’ müssen wieder bei uns Heimat finden“

Publiziert in 39 / 2008 - Erschienen am 5. November 2008
„Viele haben den Eindruck, dass die SVP nur die Interessen der ‚Großkopfeten’ vertritt“. Mit dieser Aussage trifft Richard Theiner den Nagel zweimal auf den Kopf. Zum einen räumt er ein, dass sich seine Partei von den so genannten kleinen ­Leuten immer weiter entfernt hat. Zum anderen legt er damit auch die Marschrichtung für die Zukunft, ja für das Überleben der Südtiroler Volks­partei als Sammelpartei vor: „Die Menschen, die mit niedrigsten Einkommen überleben müssen, sollen bei uns wieder Heimat finden.“ Es brauche mehr Gerechtigkeit „und dafür müssen wir alle die Ärmel hochkrempeln.“ Dass der Ausnahme-Mann aus dem Westen, der von 2003 bis jetzt als Landesrat für Gesundheit und Soziales gute Regierungsarbeit geleistet hat, mit seiner Einschätzung nicht falsch liegt, beweist auch sein Traumergebnis bei den Landtagswahlen. von Sepp Laner Trotz des starken Einbruchs der Arbeitnehmer hat Theiner, selbst ein Arbeitnehmerver­treter, von allen bisherigen Landesräten am meisten zugelegt. Im Vergleich zu 2003 bekam er um 7.557 Stimmen mehr und landete mit insgesamt 23.949 Vorzugsstimmen auf dem 4. Platz aller SVP-Mandatare. Das zweitbeste Ergebnis (plus 4.173 Stimmen) fuhr Florian ­Mussner ein. Martha Stocker legte um 2.307 Stimmen zu, Thomas Widmann um 1.317. Bei einer näheren Betrachtung der Ergebnisse der SVP-Mandatare auf Bezirksebene fällt auf, dass der politische SVP Bezirk Vinschgau im Vergleich zu anderen Bezirken sehr stark hinter den eigenen Bezirkskandidaten gestanden ist. Im Vinschgau zum Beispiel bekam Theiner heuer 70,9 Prozent der SVP-Stimmen. Das ist eindeutig ein Traumergebnis, wenngleich es vor 5 Jahren noch 75,21 Prozent gewesen sind. Im Vinschgau liegt Theiner mit 9.879 Stimmen klar an erster Stelle, gefolgt von Luis Durnwalder (7.212), Josef Noggler (6.733) und Arnold Schuler (3.489). Auch der Rückhalt für Josef Noggler war mit 48,32 Prozent im Vergleich zu teils sehr niedrigen Prozentsätzen, welche andere Kandidaten, darunter auch amtierende Landesräte, in ihren jeweiligen Bezirken erreichten, relativ gut. Mit Ausnahme von Landeshauptmann Luis Durnwalder, der fast überall im Land und auch im eigenen Bezirk Pustertal an erster Stelle liegt, und mit Ausnahme von Christian Egartner, der in seinem Heimatbezirk Wipptal auf 77 Prozent der SVP-Stimmen kam, kann Richard Theiner auf das mit Abstand beste Bezirksergebnis verweisen. Beachtlich sind auch seine Stimmenzuwächse in den anderen Bezirken: von 7,53 auf 16,11 Prozent im Burggrafenamt, von 2,24 auf 8,12 Prozent in Bozen, von 1,25 auf 9,02 Prozent im Eisacktal, von 1,23 auf 11,48 Prozent im Bezirk Salten-Schlern, von 1,69 auf 11,95 im Südtiroler Unterland, von 1,31 auf 7,41 im Wipptal und von 0,69 auf 6,25 Prozent im Pustertal. Auf die Frage, warum er, und nur er in diesem Ausmaß, trotz des starken Abwärtstrends der Arbeitnehmer so stark zulegen konnte, meinte Theiner: „Ich habe den Leuten zu verstehen gegeben, auf welcher Seite ich stehe. Ich stamme aus einfachen Verhältnissen und ich weiß, was es bedeutet, mit wenig Geld über die Runden kommen zu müssen. Meine Freizeit verbringe ich immer noch mit Menschen, die ich seit der Kindergarten- und Schulzeit kenne, in Bozner ­Schickeria-Kreisen bin ich nicht anzutreffen.“ Außerdem stehe er landesweit- und im Vinschgau in jeder Gemeinde – regelmäßig für Sprechstunden zur Verfügung, „und ich lege auch Wert darauf, selbst in Betriebe hineinzugehen und mit den Arbeitern sowie den Unternehmern zu sprechen.“ Nicht zu vergessen sei bezüglich des Ergebnisses im Vinschgau natürlich auch, „und das betrifft Josef Noggler und mich gleichermaßen, dass unsere Bezirksobfrau Roselinde Gunsch Koch und ihr Team in der Bezirkskanzlei einen ­Super-Job gemacht haben.“ Positiv ausgewirkt hätten sich auch die Ermittlung der Kandidaten mit Vorwahlen sowie die Begrenzung der Anzahl der Kandidaten auf zwei. Warum sackte die SVP im Vinchgau von 72,3 auf 59 Prozent ab? Richard Theiner: „Dieser starke Verlust schmerzt uns sehr. Wenn wir ein wenig zurückblicken, müssen wir feststellen, dass die SVP seit einiger Zeit kontinuierlich Stimmen verloren hat, bei den Gemeinderatswahlen 2005, bei den Europawahlen, bei den zwei Parlamentswahlen und jetzt bei diesen Landtagswahlen. Besonders die jetzigen massiven Verluste müssen uns aufrütteln. Als der Abwärtstrend begonnen hat, haben wir noch nach Einzelursachen gesucht: was stimmt in dieser Gemeinde nicht, was läuft in jener schief, lag es bei den Kandidaten? Mittlerweile verliert die Partei als Ganzes an Substanz und an Struktur, und genau hier liegt der Punkt, bei dem wir ansetzen müssen, und zwar alle, ganz gleich ob Mandatare in Bozen, Rom und Europa, ob Gemeinderäte oder Funktionäre.“ Auf die Frage, warum offensichtlich viele SVP Wähler zu den Freiheitlichen wechselten, meinte Theiner: „Ich glaube nicht, dass die Südtiroler mit extremistischen Parteien vorlieb nehmen wollen oder dass die Ausländerfrage das Thema Nummer eins im Lande ist. Viel mehr bin ich davon überzeugt, dass viele einfach den Eindruck haben, dass die SVP die Interessen der ‚Großkopfeten’ vertritt.“ Der frühere CSU-Chef Edmund Stoiber habe einmal gesagt: „Die CSU wird nur solange Volkspartei bleiben, solange sie nicht die Sekt-, sondern die Leberwurst-Etage vertritt.“ Von der Idee der SVP als Sammelpartei sei er voll und ganz überzeugt, „nur muss es uns jetzt gelingen, den Arbeitern, den Bergbauern, den Kleinbetrieben und allen so genannten Kleinen wieder eine Heimat in der Sammelpartei zu bieten, was natürlich nicht heißt, einen Klassenkampf vom Zaun zu brechen, denn eine blühende Wirtschaft war, ist und bleibt eines unserer großen Ziele. Man darf die Dinge nicht getrennt sehen.“ Im Grunde geht es laut Theiner darum, „mehr Gerechtigkeit im Land zu schaffen.“ Er habe im Wahlkampf nichts ver­sprochen, sondern nur seinen Einsatz dafür zugesichert. Die SVP müsse den Leuten vermitteln, dass ihr das Wohl aller am Herzen liegt, „und dafür haben wir die Ärmel aufzukrempeln, besonders angesichts der derzeitigen Finanz- und vermutlich darauf folgenden Wirtschaftskrise.“ Nicht große Theorien seien gefragt, sondern Arbeiten, Arbeiten und noch einmal Arbeiten. Einer der Schwerpunkte werde die Sicherung der Arbeitsplätze sein, vor allem auch im Vinschgau: „Hier sind schon seit ­Jahren deutliche Anzeichen einer Krise festzustellen, speziell im Obervinschgau.“
Josef Laner

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