Das Geheimnis um das Kind von Betlehem
Publiziert in 46 / 2016 - Erschienen am 20. Dezember 2016
Über die Geschichte der Krippe und die Krippendarstellungen
einst und jetzt. Ein Beitrag von Franz Waldner aus Laas.
Die Geburt Christi ist jenes christliche Ereignis, das in das weihnachtliche Geschehen tiefe Verbundenheit legt und menschlich große Nähe fühlen lässt. Das Hochfest von Weihnachten ist sowohl für Christen wie für Nichtchristen ein Familienfest mit gegenseitigem Beschenken, doch Konsum und Kommerz drängen sich bereits in der Adventszeit massiv in den Vordergrund und lassen vielfach den religiösen Hauptgrund erblassen. Trotzdem haben die erzählenden Worte des Evangelisten Lukas (Luk.2, 1-14) im Evangelium der Christmette nachhaltige Wirkung bis in unsere Tage. Dieses wurde bis zum zweiten Vatikanum lateinisch verlesen: „In illo tempore: Exiit edictum a Caesare Augusto, ut describeretur universus orbis… In jener Zeit erging vom Kaiser Augustus der Befehl, das ganze Reich aufzuzeichnen…“. In dieser ersten genannten Volkszählung begegnen wir dem Schicksal von Josef und Maria und ihrer verweigerten Aufnahme, aber trotz menschlichem Leid steht die Botschaft der Geburt Christi im Vordergrund, mit der das Christentum vor über zweitausend Jahren begründet worden ist.
Weihnachtsfest als Quelle künstlerischer Darstellungen
Das Weihnachtsfest wird seit frühesten Zeiten als eines der wichtigsten Feste im Kirchenjahr gefeiert und war immer schon eine unerschöpfliche Quelle für künstlerische Darstellungen. Das Geheimnis um das Kind von Betlehem hat die Menschen tatsächlich schon sehr früh in Liturgie und Kunst beschäftigt. Es ist auf Freskenbildern, in vielen mittelalterlichen Buchmalereien, ebenso auf Ikonen und Bibeln der orthodoxen Kirche zu finden. Sehr wohl mag Franz von Assisi die Künstler inspiriert und zu geistlichen Schauspielen angeregt haben, als er 1223 in Greccio zur weihnachtlichen Messfeier die Geburt Jesu in Form einer lebenden Krippe darstellen ließ. Schöne historische Krippendarstellungen finden sich auch in unseren Kirchen. Besonders heben sich die geschnitzten und gefassten Krippendarstellungen mit der Geburt Christi und der Anbetung der Könige auf gotischen Flügelaltären ab. Diese Künstlerarbeiten wurden zu allgemeinen Vorbildern für die Krippengestaltung. Der tiefe religiöse Hintergrund und die „Sichtbarmachung“ der Menschwerdung Christi gehören zum Verkündigungsauftrag der Kirche.
Erste Kirchenkrippe
1608 in Innsbruck
Nachweislich wurde in Tirol, im Jahre 1608, erstmals in der Jesuitenkirche zu Innsbruck eine Kirchenkrippe aufgestellt. Damit war zu Beginn des 17. Jahrhunderts die große Zeit der Kirchenkrippen angebrochen und eine Krippentradition begründet, die bis heute gepflegt wird. Die Krippen in den Pfarr- und Klosterkirchen erfreuten sich größter Beliebtheit beim Volk. Die ältesten, meist von Adeligen und edlen Bürgern gestiftet, sind zwar nur mehr vereinzelt erhalten, etliche jedoch durch Kirchenrechnungen belegt. Im Barock wurden sie mit bekleideten, oft sehr großen Figuren zur prunkvollen, vordergründigen Zurschaustellung. Die Köpfe dieser Figuren waren meist in Wachs geformt, teils sogar mit Glasaugen und echtem Haar versehen, Hände, Füße und bewegliche Körperteile waren aus Holz geschnitzt. Das zentrale Krippengeschehen mit der Hl. Familie erweiterte man mit verschiedenen Wechselszenen, wie mit dem Gefolge der drei Könige. Diese trugen Kleider, in den Frauenklöstern geschneidert, aus kostbaren Brokatstoffen mit Goldstreifendekor. Dem Weihnachtsgeschehen wurde damit eine prunkvolle Ausstrahlung verliehen. Zahlreiche Figuren, wie Verkündigungsengel und Hirten mit ihren Schafen, standen in einer Kulissenlandschaft, die oft fantasievoll mit Architektur- und Naturmotiven bemalt war. Die Illusionskunst erzielte im Barock durch die künstlerische Beherrschung der Perspektive dreidimensionale Effekte. Die Krippenbetrachtung führte die Gläubigen zum innigen Erlebnis. Die Fülle der Krippendarstellungen, die sich auf weitere Szenen und Stationen des Heilsgeschehens erweiterte, sprengte aber in der Folge den weihnachtlichen Rahmen. Als sogenannte „Jahreskrippen“ wurden sie zu passenden religiösen Anlässen aufgestellt. Wir kennen die „Heiliggräber“ in der Karwoche, die im Lichte von bunten Osterkugeln auch bei uns in den Kirchen zu bestaunen sind.
Das Zeitalter der Aufklärung
Am Ende des 18. Jahrhunderts begann das Zeitalter der Aufklärung, das mit der Säkularisation in Tirol einen großen Einschnitt brachte. Kaiser Josef II, der Sohn von Kaiserin Maria Theresia, verbannte 1782 alle Krippen aus den Kirchen, weil er sie als „Verdummungsmittel für das Volk“ hinstellte. Auslöser für den kaiserlichen Erlass sei angeblich eine Kaminkehrer-Figur gewesen, die in seiner Symbolik als Überbringer einer guten Nachricht und des Glückes auf einer Krippe aufgestellt worden war. Es dauerte etliche Jahrzehnte bis der angerichtete Schaden überwunden war und die Krippen wieder in die Kirchen zurückkehrten. Das Volk, dem der Krippenbrauch sehr ins Herz gewachsen war, suchte daraufhin einen legalen Ausweg, indem es die weihnachtliche Frohbotschaft in die heimelige Stube trug und die Weihnachtskrippe zum Mittelpunkt in der christlichen Familie machte. In der Folge entwickelten sich eigenständige Traditionen und Kulturen von Hauskrippen, die in der Abgeschiedenheit mancher Täler ihre besondere Prägung hatten, was den Stil aber auch die verwendeten Materialien betraf. Mehrheitlich zeichnete sie die Schnitzkunst aus, das fachliche Rüstzeug dafür holte man sich bei Bildhauern, Tischlermeistern oder bei Kursen an den Schnitzschulen. Mit den ersten, beschwerlichen und gefahrvollen Pilgerfahrten in das Heilige Land in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, an denen sich Krippenfreunde von Nord-, Ost- und Südtirol beteiligten, wurde das Feuer für die orientalische Krippe regelrecht entfacht: Man versuchte das Erlebte und Gesehene am Ursprung der Heilsgeschichte auf die Krippe zu übertragen. Bedeutende und berühmte Künstlerdynastien der Schnitzkunst Tirols haben exzellente Beispiele solcher orientalischen Weihnachtskrippen hinterlassen.
„Krippeleschauen“
Als Kostbarkeiten sind sie in unseren heimatlichen Museen ausgestellt oder in Privathäusern, beim traditionellen „Krippeleschauen“, in der Weihnachtszeit zu bewundern. Eine Sonderstellung nahmen die handgemalten Papierfiguren ein, welche bereits im 18. Jahrhundert von berufsmäßigen Malern mit Pinsel und Farbe zu echten Meisterwerken gestaltet wurden. Bekannt wurden auch die Bretterkrippen, die meist nach künstlerischen Bildvorlagen auf Holztafeln gemalte Figuren und Figurengruppen mit ausgeschnittenen Konturen waren. So konnten die teuren, vollplastischen Figuren ersetzt werden. Anzuführen ist die Bedeutung der Bildhauerkunst im Grödner Tal, die sich in der Ausstattung von Kirchen Weltruf schuf. Der begabte Figurenschnitzer ließ sich in früherer Zeit von den Geschichten und mitgebrachten Bildern aus dem Heiligen Land inspirieren, weshalb die selbstgefertigte Krippe häufig eigenartige Züge erhielt, wenn beispielsweise zu den ländlich aussehenden Figuren solche im orientalischen Kleid, neben Tannen auch Palmen auf den Krippenberg gestellt wurden. Und manche exotischen Tiere, die man nur vom Hörensagen kannte, kamen als merkwürdige Gebilde zur restlichen Krippengesellschaft hinzu.
Einfache Volkskrippen
Viele dieser einfachen Volkskrippen, seien es sog. alpenländische Heimatkrippen oder orientalische Krippen, entstanden zur Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert. Bis in die Nachkriegszeit herauf zählen sie zu den originellsten, weil sich die Volksseele in ihnen spiegelt. Vor dem Hintergrund sozialer Not und harter, bäuerlicher Arbeit war die Auseinandersetzung mit der Welt der Krippe für deren Schöpfer Ausdruck gelebter Volksfrömmigkeit. An der Hauskrippe hat der Krippenbauer wohl selbst einfühlsam und innerlich den Entschluss der Hirten nachvollzogen: „Lasst uns nach Betlehem gehen, um das Ereignis zu sehen …“ (Lukas 2, – 15). Vielleicht aber war das Krippenschnitzen – sofern nicht gewerblich betrieben und für den Lebensunterhalt bestimmt – auch ein sinnvoller Zeitvertreib während der kalten und dunklen Winterzeit.
Josef Bachlechner als Vorbild
für die Tiroler Weihnachtskunst
Ein begehrtes Vorbild für die Tiroler Weihnachtskunst war der Bildhauer Josef Bachlechner (1871 in Bruneck; † 17. Oktober 1923 in Hall), dessen Witwe Klara mit dem „Bachlechner Buch“, herausgebracht 1928, große Begeisterung bei den Krippenfreunden ausgelöst hat. Die Figuren wurden nach seinen zeichnerischen Entwürfen geschnitzt oder noch aus den vom Künstler selbst veröffentlichten Ausschneidebögen auf Holzbrettchen geklebt und mit der Laubsäge ausgesägt. Zusätzlich holten sich die Krippenbegeisterten praktische Tipps aus veröffentlichten Anleitungen zum Krippenberg-Bau und tauschten gegenseitig die „Geheimnisse aus der Krippenwerkstatt“ aus. Doch nicht selten wurden dann die Krippenstücke aus mangelndem Interesse der Nachbesitzer, auch in Verbindung mit Auswandererschicksalen, verkauft. Dabei gingen etliche Volkskrippen unwiederbringlich verloren, bzw. sie verschwanden auch, weil sie – im Staub der Dachböden zerfallen - in den Jahren des zunehmenden Wohlstandes „aus der Mode“ gekommen waren.
Weihnachtskrippe gewinnt ihre Bedeutung zurück
Erst durch die verstärkten Bemühungen der wieder erwachten Krippenvereine gewann die Weihnachtskrippe ihre Bedeutung zurück: Die Krippenbaukurse erfreuen sich großer Beliebtheit bei Alt und Jung und tragen unter dem Gesichtspunkt ihrer religiösen, künstlerischen und heimatkundlichen Bedeutung und der Verbreitung des Krippengedankens in der Öffentlichkeit zum Erhalt des edlen Volksgutes bei. Und für den Krippenfreund selbst gibt es kein schöneres Weihnachten als an der Krippe!
Literatur:
Rehm, Adolf; Krippen aus drei Jahrhunderten, München 1996
Waldner, Franz;
Laaser Krippelen, Laas 1985
Bachlechner, Wwe. Klara;
Das Bachlechner Buch,
Innsbruck 1929
Mayr, Anton, Finsterwirt und Plattner, Ferd.; Der Krippenbau, Brixen 1925
Egg, Erich – Menardi, Herlinde; Das Tiroler Krippenbuch, Innsbruck 1985
Landesverband der Tiroler
Krippenfreunde;
Krippenschauen in Tirol,
Innsbruck 2009