Bald geht es los
Energiegemeinschaft kommt.
VINSCHGAU - „Das übergeordnete Ziel ist es, eine Energiegemeinschaft zu gründen, die alle mitnimmt. Die Energieakteure, die Bevölkerung, die Unternehmen“, erklärte Dieter Pinggera. Am Sitz der Bezirksgemeinschaft Vinschgau fand am 9. Februar ein Treffen zur geplanten Gründung einer Vinschger Energiegemeinschaft statt. Bezirkspräsident Dieter Pinggera, der geschäftsführende Verwaltungsrat vom E-Werk Prad, Michael Wunderer, und Alexander Telser, der Geschäftsführer des VEK (Vinschgauer Energie Konsortium), berichteten über die Fortschritte der Arbeitsgruppe.
„Eine Energiegemeinschaft ist seit über zwei Jahren ein Thema“, so Pinggera. Nach langer Zeit des Wartens war Ende des vergangenen Jahres in Rom ein Gesetzesdekret beschlossen worden. Im Jänner wurde es veröffentlicht. „Den Entwurf dazu gab es schon lange, leider ging viel Zeit verloren. Nun kennen wir den Inhalt, einiges war zu erwarten, leider gibt es auch einige Enttäuschungen“, betonte Pinggera. Insbesondere was den Zeitpunkt für die für Förderungen der zur Energiegemeinschaften in Frage kommenden Anlagen betreffe. So starte man nun bei einem Nullpunkt. Eigentlich hatte man sich erwartet, dass alle Anlagen seit Dezember 2021 miteinberechnet werden. „Dem ist aber nicht so. Es gilt erst ab dem Moment der Gründung der Gemeinschaft“, erklärte der Bezirkspräsident. Auch deshalb solle die Gründung so schnell wie möglich vonstattengehen und bereits in den nächsten Wochen ein Notartermin vereinbart werden.
Noch viele Details zu klären
Doch worum geht es genau? Das Dekret regelt die Gründung von Energiegemeinschaften, liefert Antworten auf – zumindest einige – offene Fragen. Die Produktion von Strom und Energie aus erneuerbaren Quellen soll gefördert werden, Produzenten und Konsumenten schließen sich zusammen. Aber: Viele technische Details gelte es noch zu klären. Dies solle in den nächsten Wochen der Fall sein. Bereits 2022 hatte die Bezirksgemeinschaft Vinschgau die Zusage für über vier Millionen Euro aus dem staatlichen PNRR-Fonds in der Kategorie „Green Communities“ erhalten. Für die Bezirksgemeinschaft erarbeitet hatte das Projekt BASIS Vinschgau Venosta. Michael Wunderer, der nicht nur Experte für Energie ist, sondern auch Mitglied im BASIS-Vorstand, hatte wesentlichen Anteil an der Ausarbeitung. Ein großes Modul der Förderungen, rund 1,3 Millionen Euro, betreffe Fotovoltaikanlagen. Zusammen mit weiteren Förderungen, etwa seitens der Gemeinden, komme man auf etwa 2,5 bis 3 Millionen Euro allein für Fotovoltaikanlagen und Batteriesysteme.
Eine einzige große Gemeinschaft
Sobald die Zusage für die Förderungen aus dem PNRR-Fonds da war, wurde im Bezirk eine Steuerungsgruppe eingesetzt, die sich mit den juristisch-technischen Aspekten beschäftigt. „Dabei wurde überlegt, was im Vinschgau am meisten Sinn macht“, so Pinggera. Man einigte sich schließlich auf eine übergemeindliche Energiegemeinschaft, die sich von Reschen bis nach Naturns erstrecken wird und die Rechtsform einer Genossenschaft tragen soll. Der Energiegemeinschaft untergeordnet sind die jeweiligen Primärkabinen im Gebiet. Die Förderungen werden nämlich auf die Primärkabinen berechnet. Bei solchen Strukturen handelt es sich um die Verbindung zwischen der Hoch- und Mittelspannung, sie sind also sozusagen für die Stromverteilung in einer abgegrenzten Zone zuständig. Im Bezirk Vinschgau gibt es gleich mehrere Primärkabinen, und zwar in Glurns für den Obervinschgau, in Laas, in Goldrain sowie Kastelbell-Tschars. Eine weitere gibt es in Naturns. Weil es allerdings aus verwaltungs- und kostentechnischen Gründen „wenige Sinn macht“, mehrere Energiegemeinschaften zu haben, habe man sich für eine große übergemeindliche Energiegemeinschaft entschieden. Auch die weiteren Gemeinden im geografischen Vinschgau, Naturns und Plaus, sollen dafür ins Boot geholt werden. So könnte eine Gemeinschaft mit fünf oder sechs Primärkabinen-Unterzonen entstehen.
Jeder kann der Energiegemeinschaft beitreten
Der Energiegemeinschaft könne dann jeder beitreten. Öffentliche Körperschaften, Unternehmen sowie Privathaushalte. „Produzenten und Konsumenten kommen dann sozusagen virtuell zusammen“, erklärte Michael Wunderer. Die einen produzieren den Strom, die anderen verbrauchen ihn. Wiederum andere gelten als „Prosumer“ und sind gleichzeitig Konsumenten und Produzenten. Das Schlagwort dabei lautet „virtueller“ Energieaustausch. „Das ist nämlich ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zu den bereits bestehenden Energiegenossenschaften im Vinschgau, wie beispielsweise die EGO Oberland, VEK oder die beiden historischen Genossenschaften in Prad und Stilfs, die ihre Mitglieder bereits seit vielen Jahre bzw. Jahrzehnten mit Strom bzw. Energie versorgen und für die sich auch mit Einführung der Energiegemeinschaft nichts ändern wird“, so Wunderer.
Bei der Energiegemeinschaft handelt es sich somit um einen virtuellen Energieaustausch zwischen den Produzenten und Konsumenten. Dabei werden die stündlichen Produktionsmengen mit den stündlichen Verbrauchsmengen der Mitglieder der Energiegemeinschaft jeweils innerhalb der Primärkabine gegenübergestellt. „Je höher dabei der Anteil des Eigenverbrauchs ist, desto höher ist die Förderung des Staates bzw. vom GSE (Anm. „Gestore dei Servizi Energetici“, der staatliche Energiedienstleister) und desto mehr kann die Energiegemeinschaft an die Mitglieder künftig auszahlen. „Die Energiegemeinschaft ist somit nicht als Konkurrenzbetrieb zu den bestehenden Betrieben im Vinschgau zu sehen, sondern als Ergänzung und als weitere Möglichkeit des aktiven Einbringens der Bürgerinnen und Bürger für eine erfolgreiche Energiewende“, präzisiert Wunderer.
Wichtig sei, dass langsam aber sicher nach der Gründung möglichst viele Anlagen errichtet werden und in Betrieb gehen. Man könne freilich auch ausschließlich als Verbraucher der Energiegemeinschaft beitreten und dann zu einem späteren Zeitpunkt eventuell eine Anlage errichten. Die Energiegemeinschaft könne auch selbst Anlagen bauen. „Was finanziell herausschaut, wissen wir noch nicht. Fakt ist, der Gesetzgeber will mit dem Dekret die Energiewende voranbringen. Die Grundüberlegung ist jene, dass sich alle an der Energiewende beteiligen sollen bzw. können“, so Wunderer.
„Wollen keine Luftschlösser bauen“
„Wir wollen keine Luftschlösser bauen. Es ist nicht so, dass wir nun Goldgräberstimmung aufkommen lassen wollen. Keiner wird reich mit der Energiegemeinschaft“, hielt Pinggera die Erwartungen tief. Vielmehr sei es ein wichtiger „Baustein, um die Energiewende zu schaffen“. In Zeiten des Klimawandels werde es immer wichtiger, auf erneuerbare Energien zu setzen. Auch ideologische Gründe wurden von den Energieakteuren angeführt, denn man wolle unabhängig von „Global Playern“ werden. Regionale Kreisläufe seien die Zukunft. „Wenn unterm Strich auch nur 50 Euro jährlich pro Mitglied rausschauen würden, dann ist das auch etwas“, rechnete Alexander Telser vor. Pro Megawattstunde werde nämlich ein Beitrag von etwa rund 120 Euro ausbezahlt. Dies werde dann für alle aufgeteilt. Es müssen schließlich die aufwändigen Verwaltungskosten bezahlt werden. „Wir müssen schauen, die Kosten der Energiegemeinschaft so gering wie möglich zu halten. Damit am Ende möglichst viel übrig bleibt. Wenn wir am Ende ein Konstrukt mit hohen Kosten schaffen, dann hätten wir das Ziel klar verfehlt. Aber wenn wir imstande sind, den Menschen ein bisschen etwas vom Strom, der hier lokal produziert wird, zurückzugeben, dann hätten wir das Ziel erreicht“, erklärte Telser.
Reines Zusatzangebot
Das Thema für die Bürgerinnen und Bürger sei komplex, gestand Telser. Auch er versicherte: „Alles, was bisher entstand, das bleibt auch so wie es bisher war. Was nun mit der Energiegemeinschaft kommt, ist ein reiner Zusatz“. Es sei nötig, um in den Genuss der Beiträge zu kommen. Idealerweise können sich die Mitglieder der neuen Energiegemeinschaft auch an die bestehenden lokalen Energieanbieter bezüglich Infos oder Antragstellung wenden. Das VEK, welches unter dem Markennamen VION den Strom verteilt, kam für die Genossenschaftsgründung nicht in Frage, da es bereits als Stromproduzent tätig ist. „Es muss sich um eine neue Körperschaft in diesem Bereich handeln“, so Telser. Laut Gesetz müsse die Energiegemeinschaft zu mindestens 55 Prozent aus Kleinhaushalten bestehen. Damit wolle der Gesetzgeber verhindern, dass es ein Geschäft zwischen wenigen Unternehmen wird. Es gelte somit möglichst viele Privathaushalte in der Energiegemeinschaft zu haben, „aber natürlich auch große Player“, so Pinggera.
Nicht nur Fotovoltaik
Geht es zwar vorerst in erster Linie, auch aufgrund der eben vielen noch zu regelnden Details, um Fotovoltaikanlagen, kommen für die Energiegemeinschaft auch weitere erneuerbare Energieträger in Frage, insbesondere Wasserkraft und Holz. Wind spiele – wenn überhaupt – nur eine sehr bescheidene Rolle. Weitere Themenbereiche, die in den Bereich der Förderungen von vier Millionen Euro fallen, seien Schnellladesäulen und intelligente Stromnetzapplikationen für eine verbesserte Energiedatengrundlage der lokalen Netzbetreiber. In Bezug auf den sparsamen Umgang mit der Ressource Wasser sei die Einrichtung eines Antennen-Netzes vorgesehen, das mit Hilfe der LoRaWAN-Technologie Daten über die Nutzung und den Bedarf an Wasser auf den Feldern im gesamten Tal überwacht.
Definitiver Name steht noch nicht fest
Nun gehe es darum, mit allen beteiligten Akteuren eine gemeinsame Strategie zu finden. Man wolle auch auf Bürgerinnen und Bürger zugehen und mittels Bürgerversammlungen sensibilisieren. Noch sei es dafür aber zu früh, zu viele Details gebe es noch zu klären, zu vieles liege noch im Unklaren, was Abwicklung und Möglichkeiten betreffe. Es gelte, mit den bestehenden Energieakturen zusammenzuarbeiten, wie etwa Fernheizwerken und Co. Das Ziel seien zwei- bis dreitausend Mitglieder, so Pinggera. Wie die Energiegemeinschaft dann genau heißen solle, dies werde erst noch beschlossen. Vorschläge seien willkommen.