Auf der Melager Alm
Markus Joos und Elisabeth Haid im Gespräch mit Jakob Prantl von der Gampe Thaya in Sölden.
Bei der Verkostung
Auf der Kaproner Alm in Langtaufers; das Titelbild zeigt die Melager Alm; Fotos: Elisabeth Haid
Die Almen mit dem Prädikat „sehr gut“.

Alte & neue Sorgen

Der Klimawandel, der Wolf und weitere Probleme stellen die Almwirtschaft im Vinschgau und im ganzen Land vor neue Herausforderungen.

Publiziert in 18 / 2022 - Erschienen am 11. Oktober 2022

Vinschgau - Am 1. Oktober wurden in der Fürstenburg die besten Südtiroler Alpkäse prämiert (siehe eigenen Bericht). der Vinschger nahm die 11. Südtiroler Alpkäsebeurteilung zum Anlass, um mit Markus Joos, dem Direktor des Bezirksamtes für Landwirtschaft West, über den derzeitigen Stand der Dinge auf den Almen sowie über neue Herausforderungen zu sprechen.

der Vinschger: Wie viele Gemeinschafts-Milchviehalmen gibt es im Vinschgau und wie hoch war der Auftrieb in diesem Jahr?

Markus Joos: Es gibt im Vinschgau zwischen Graun und Schnals 26 Gemeinschaftsviehalmen mit durchschnittlich 54 Kühen. 1.415 Kühe wurden heuer auf diese Almen aufgetrieben, wobei 17 Prozent dieser Alpkühe von außerhalb des Vinschgaus kommen. Durchschnittlich bringt jeder Betrieb 2,2 Kühe auf die Alm, was eine sehr große Streuung der Alpbestoßung bedeutet.

Ist in Zukunft mit der Auflassung von Kuhalmen zu rechnen?

Die Almgebäude und deren Verarbeitungsräume sind großteils in einem guten baulichen Zustand. Zu verdanken ist das neben der Aufgeschlossenheit der jeweiligen Alpverantwortlichen auch den öffentlichen Finanzierungen und den großen Anstrengungen vieler Akteure in den letzten 30 Jahren.  

Mit welchen Problemen haben Gemeinschaftsalmen zu kämpfen?

Die touristische Nebennutzung ist steuerrechtlich, lizenzrechtlich, arbeitsrechtlich und urbanistisch stets ein Problembereich. Auch der ständige Anpassungsbedarf an die sanitär-hygienischen Vorschriften bei der Milchverarbeitung, die fehlenden Arbeitskräfte bei der Weidepflege und der häufige Personalwechsel bereiten den Verantwortlichen Sorgen.

Wie manifestiert sich die Erderwärmung auf den Almen?

Die steigenden Temperaturen können beispielsweise die Käselagerung auf der Alm erschweren. Eine dadurch bedingte zu schnelle Reifung oder das „Fettschwitzen“ des Käses können zu Qualitätseinbußen führen. Fehlende Niederschläge führen zu Trockenheit auf der Weide, es muss früher und mehr zugefüttert werden, die teilweise Wasserknappheit führt zu Problemen bei der Stromerzeugung oder bei der Milchkühlung, so wie es auch der heurige Sommer mancherorts gezeigt hat. Kurzzeitige und intensive Niederschlagsereignisse bringen vielfach mehr Probleme - Stichwort Unwetterereignisse - als die Lösung in der Wasserversorgung vor Ort.

Wie stark bedroht das Großraubwild die Almwirtschaft und glauben Sie an ein wolfsfreies Südtirol?

Auf Jungvieh- und Kleinviehalmen sind Wolf und Bär ein großes Problem. Es müssen dringend Managementpläne und Entnahmekriterien eingefordert und konsequent umgesetzt werden. Trotzdem ist es eine Illusion zu glauben, dass Südtirol auf absehbare Zeit wieder wolfsfrei wird. Fallweise dürfte es auch noch ein Optimierungspotential bei der Behirtung der Tiere geben.

Welche wirtschaftliche Rolle spielen die Milchviehalmen im Land?

In Südtirol werden auf diesen Almen rund 150 saisonale Arbeitskräfte beschäftigt und rund 200 Tonnen Alpprodukte im Wert von über 2,5 Millionen Euro hergestellt. Die gesamte verarbeitete Almmilchmenge beträgt ca. 2 Millionen kg pro Almsommer, was nicht einmal 1 Prozent der jährlichen Gesamtmilchliefermenge an die Sennereien entspricht. Letztlich handelt es sich um Perlen in der alpinen Kulturlandschaft. Die Gesamtproduktion auf den Vinschgauer Almen belief sich heuer auf über 121.000 kg Käse und knapp 15.000 kg Butter. Das sind durchschnittlich 89 kg Käse und 11 kg Butter pro Alpkuh und Alpsommer. 

Lässt sich die Qualität der Almprodukte noch steigern?

Ziel muss es sein, auf möglichst vielen Almen eine möglichst hohe Qualität der erzeugten Alpprodukte zu erreichen und zu halten. Eine möglichst konstant hohe Qualität während der Alpsaison und auch im Laufe der Jahre sind besser als einmalige Spitzenergebnisse. Dazu braucht es auch die laufende Aus- und Weiterbildung des Almpersonals, und dazu gehört neben dem Senn bzw. der Sennerin auch eine gute Behirtung und Betreuung der Tiere. Die Fachschulen für Landwirtschaft und der Sennereiverband Südtirol spielen dabei eine wichtige Rolle.

Wird es in Zukunft noch ausreichend Almpersonal geben?

Wir stellen eine große Fluktuation des Personals fest. Auf über einem Drittel der Milchviehalmen im Vinschgau findet jährlich ein Personalwechsel statt. Das stellt große Anforderungen sowohl an die Almbewirtschafter und Alpverantwortlichen als auch an das Alppersonal, welches die alpspezifischen Besonderheiten erst wieder kennenlernen muss. Den lokalen Älpler, der einen Großteil seines Arbeitslebens im Sommer auf der Alm verbrachte, gibt es immer weniger. Viele Arbeitskräfte kommen heute auch von außerhalb des Landes, der Frauenanteil ist stärker als früher, und für viele ist es auch eine persönliche Herausforderung. Das alles bekräftigt die wichtige Rolle und Notwendigkeit einer ständigen Aus- und Weiterbildung.

Wie zufrieden waren Sie mit dem Abschneiden der Vinschger Kuhalmen bei der diesjährigen Alpkäseprämierung in der Fürstenburg?

Die oben angedeuteten Probleme mit der Trockenheit und fallweise hohen Temperaturen im heurigen Alpsommer haben auch bei der Qualität der Alpprodukte zumindest teilweise leichte Spuren hinterlassen. Unabhängig davon kann sich das Ergebnis von 11 ausgezeichneten Alpkäsen aus dem Vinschgau - 2 Mal die Wertung „ausgezeichnet“ und 9 Mal die Wertung „sehr gut“ - durchaus sehen lassen. Die aktive Teilnahme der angrenzenden Terra-Raetica-Regionen an dieser Veranstaltung ist für uns jedenfalls eine Bereicherung und letztlich gilt wohl auch hier das Motto: Konkurrenz belebt das Geschäft.

Hervorragende Alpkäse

Mit einem wahren Medaillenregen sind 24 Südtiroler Almen kürzlich von der diesjährigen internationalen Almkäseolympiade im Nordtiroler Galtür zurückgekehrt. Eine Woche später schien es, als hätten sich die Tiroler im Vinschgau einige Siege zurückgeholt. Am 1. Oktober fand in der Fürstenburg in Burgeis nach 2 Jahren coronabedingter Pause die 11. Südtiroler Alpkäsebeurteilung in gewohnter Form statt. Dabei wurde die Faulbrunnalm in Galtür von der Jury zum Tagessieger erklärt wurde; den Publikumspreis holte sich die Gampe Thaya in Sölden. Anhand eines Punkte-Systems hat die 12-köpfige Jury die äußere und innere Beschaffenheit, die Laibform und Rinde, die Textur, Farbe und das Schnittbild, die Elastizität und Konsistenz des Teiges sowie den Geschmack und Geruch bewertet. Der Jury gehörten Brigitte Wellenzohn, Sieglinde Nischler, Frieda Eliscases, Julia Daniel, Bruno Beerli, Rudolf Amrain, Christian Peer, Ludwig Tschurtschentaler, Markus Plankl, Hubert Köllemann, Matthias Ziernhöld und Hannes Knollseisen an. - Nach der Bewertung durch die Jury kam das Publikum an die Reihe. 33 Kuhkäse und 3 Ziegenkäse von 21 Vinschger Almen, von sieben Südtiroler Almen außerhalb des Vinschgaus sowie von fünf Almen aus den benachbarten Terra-Raetica- Regionen Imst und Landeck konnten von den zahlreichen Besuchern verkostet und beurteilt werden. Vor der Prämierung betonte das Jurymitglied Christian Peer das Streben nach einer möglichst hohen und konstanten Qualität bei den Almprodukten als Ziel und laufende Herausforderung für die Milchviehalmen. Dies sei auch in diesem Jahr gelungen, daher habe es sich die Jury nicht leicht gemacht, die hervorragenden Alpkäse zu beurteilen. Die Alpkäseverkostung sei auch nur eine Momentaufnahme, betonte Markus Joos vom Bezirksamt für Landwirtschaft, der eine kurze Übersicht über das Alpungswesen gab (siehe Interview).
Die Note „ausgezeichnet“ erhielten die Faulbrunnalm in Galtür, die Brugger Alm/Burgeis, die Alpe Gamperthun/See/Paznaun, die Kreuzwiesenalm in Lüsen und die Mitteralm/Taufers. Die Bewertung „sehr gut“ vergab die Jury an die Aussere Schwemmalm in Ulten, die Melager Alm/Langtaufers, die Gonda Alm/Matsch, die Rableid Alm/Schnals, die Matscher Kuhalm, die Gampe Thaya in Sölden, die Kortscher Alm, die Kaproner Alm/Langtaufers, die Adler Alm Kasern/Prettau, die Lyfi Alm/Martell, die Planeiler Alm, die Schliniger Alm/Planbell, die Alpe Visnitz/Kappl, die Spitzner Alm/Ultental und die Falkauns Alm am Kaunerberg. In der Kategorie Ziegenkäse erhielten die drei Alm Ochsenberg, Stilfser Alm und Faulbrunnalm die Note „sehr gut“.

Ingeborg Rainalter Rechenmacher

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