Yosef Zobeidi als junger Profi-Fußballer im Iran.

„Alles was ich will, ist Arbeit“

Publiziert in 4 / 2015 - Erschienen am 4. Februar 2015
Yosef Zobeidi wurde als Flüchtling durch halb Europa „gebeutelt“. Integration bedeutet für ihn Nehmen und Geben. Allitz - Die Zahl der Menschen, die weltweit auf der Flucht sind, hat im Vorjahr den höchsten Stand seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges erreicht. Nach Angaben der Vereinten Nationen waren zum Jahresende 2013 über 51 Millionen Männer, Frauen und Kinder vor Gewalt und Unter­drückung auf der Flucht. Mittlerweile dürfte die Zahl weiter gestiegen sein. Auch wenn es sich um Millionen von Menschen handelt, verbirgt sich hinter jedem einzelnen Flüchtlingsgesicht ein eigenes, ganz persönliches Schicksal. Es sind alles Leideswege. Einen solchen hat auch Yosef Zobeidi aus dem Iran hinter sich, der 2013 nach Südtirol gekommen ist. Er hat nach langem Suchen eine Wohnung in Allitz gefunden. Wonach er zurzeit dringend Ausschau hält, ist Arbeit. Flucht im eigenen Land Schon allein die Lebensgeschichte von Yosef Zobeidi in seinem Heimatland böte aus­reichend Stoff, um darüber ein Buch zu schreiben. Geboren wurde Yosef am 18. April 1978 in Abadan im Südwesten des Iran. Die Geschichte dieser Stadt, in der unterschiedlichste Kulturen, Religionen und Ethnien beheimatet sind, ist eng mit der iranischen Ölindustrie verknüpft. Einen schweren Einschnitt für Abadan brachte der Erste Golfkrieg, sprich der Krieg zwischen dem Irak und dem Iran von 1980 bis 1988. Yosef war ein Kind, als er zusammen mit seiner Familie und zigtausenden Menschen vor der irakischen Armee flüchten musste. Seine Familie ließ sich in Täbris im Norden des Iran nieder. „Wir fühlten uns dort wie fremde Menschen im eigenen Land“, erinnert sich Yosef. Keine Gnade mit Regierungsgegnern Die Härte der iranischen Regierung haben nicht nur Yosefs Vater und sein Großvater zu spüren bekommen. Yosefs Bruder Hadi, der ein Anhänger kommunis­tischer Ideen war, wurde im Alter von 17 Jahren hingerichtet. Er war nur eines von unzähligen Opfern des Regimes. Yosef hat als Schuldkind selbst oft mit angesehen, wie Regierungsgegner öffentlich hingerichtet wurden. Das hinterließ natürlich schwerwiegende und bleibende seelische Folgen. Als Jugendlicher erlernte Yosef das Schweißerhandwerk und spielte außerdem Fußball, unter anderem auch als Profi in iranischen Jugendmannschaften, sodass er bald einen bestimmten Grad an öffentlicher Bekanntheit erreichte. Als neugieriger, welt­offener und wissensdurstiger junger Mann war er aber auch den Ideen von regierungskritischen Bewegungen und Parteien nicht abhold. Wegen verbotener Bücher im Gefängnis Am eigenen Leib zu spüren bekam Yosef die tyrannische Regierung, als man bei ihm zwei verbotene Bücher fand, darunter das streng untersagte Werk „23 Jahre: Die Karriere des Propheten Muhammad“ des Gelehrten, Journalisten und Mitgliedes der Edalat-Partei Ali Dashti. Im Gefängnis wurde Yosef mehrfach schwer geschlagen. „Man wollte von mir nur eines wissen, und zwar von wem ich die Bücher erhalten hatte“, erzählt er. Wenngleich man ihm eines Tages mitgeteilt habe, dass er am Morgen des nächsten Tages hingerichtet würde, verriet er nicht, wer ihm die Bücher gegeben hatte. Was Todesangst ist, braucht ihm keiner zu erzählen. 6 Monate und 2 Wochen Nach 6 Monaten und 2 Wochen wurde Yosef freigelassen. Die Narben der Misshandlungen im Gefängnis trägt der jetzt 36-Jährige noch immer mit sich herum. Nicht zu vergessen sind auch die „Wunden“ im Kopf und im Herzen. Weil man im Kreis der Verwandten, Bekannten und Freunde nicht wusste, warum Yosef im Gefängnis gewesen war, machten sich Misstrauen und Verdacht breit. Im Gespräch mit Freunden, die im Ausland weilten, wurde Yosef zum Verlassen des Iran ermuntert. Er setzte sich nach Syrien ab und stellte in Damaskus einen Asylantrag, der genehmigt wurde. Er fand in Syrien zwar Arbeit in einem Schiffshafen, doch der Lohn war so gering und die Zukunftsaussichten derart schlecht, dass sich Yosef entschloss, mit einem Schiff unter philippinischer Flagge nach Europa zu flüchten. Er peilte zunächst Spanien an, ging dann aber in Bari vom Schiff. Odyssee durch halb Europa Seit nunmehr 15 Jahren hält die Odyssee von Yosef durch Europa an. Ausgehend von Bari schickte ihn die Polizei zunächst nach Rom. Dort wurde er nach Mailand verwiesen und sodann nach Como, wo er in einem Containerlager vorübergehend ein Stockbett fand. „Nur wer es selbst erlebt hat, weiß, was es bedeutet, wenn man in ein fremdes Land kommt, kein Geld in der Tasche hat, der Sprache nicht mächtig ist und niemanden kennt“, sagt Yosef. Dank der Hilfe eines türkischen Kurden und weiterer hilfsbereiter Menschen ist es ihm nach einem ersten misslungenen Versuch gelungen, in einem zweiten Anlauf in die Schweiz zu gelangen. Er stellte auch dort einen Asylantrag und erhielt eine zunächst zeitlich beschränkte Aufenthaltsge­nehmigung. Er arbeitete zuerst als Schweißer, belegte einen Weiterbildungskurs in diesem Bereich, musste den Job dann aber infolge einer Augenverletzung, die er sich bei der Arbeit zugezogen hatte, aufgeben. Später arbeitete er als gelernter Service-Mitarbeiter bei Mövenpick und später im In-Lokal „Trattoria & Soul“ in Zürich, wo viel Prominenz ein- und ausging, so etwa George Clooney oder Udo Jürgens. Zu dieser Zeit hat Yosef geheiratet. Die Ehe hielt aber nicht lange. Im März 2006 verließ er die Schweiz und zog nach Skandinavien. Er war dort bei mehreren Unternehmen tätig, etwa als Monteur bei Volvo. Nach einigen Jahren wollte er wieder zurück in die Schweiz, nachdem es in Norwegen zu Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Aufenthaltsgenehmigung gekommen war. Kampf für die Rechte von Flüchtlingen Nach einem zeitweiligen Aufenthalt in der Schweiz musste Yosef wieder nach Norwegen zurückkehren. Dort drohte ihm die Abschiebung in den Iran. Von 2008 bis 2013 setzte sich Yosef zusammen mit Gleichgesinnten in Norwegen für die Rechte von Flüchtlingen ein. Es gab Demonstrationen, Fußmärsche und öffentliche Auftritte. Auch auf das traurige Schicksal vieler Iraner, die in ihre alte Heimat abgeschoben worden waren, wiesen Yosef und seine Mitstreiter hin. Am Ende stellten die norwegischen Behörden Yosef ein Ultimatum: wenn er Norwegen nicht freiwillig verlässt, wird er zwangsabgeschoben, und zwar in den Iran. Yosef setzte sich im letzten Moment nach Italien ab. Er kam nach Südtirol und fand zunächst eine Flüchtlingsunterkunft in Meran. Er stellte erneut einen Asylantrag. Nachher fand er eine Stelle in der Küche eines Gastbetriebes in Laas. Zunächst fuhr er täglich mit dem Zug von Meran nach Laas und zurück. Später fand er eine kleine Wohnung in Allitz. Den Weg zur Arbeit legte er täglich zu Fuß zurück. Derzeit hat Yosef, der über alle notwendigen Papiere und Dokumente verfügt, nur einen großen Wunsch: „Ich will arbeiten.“ Ein Job im Gastgewerbe wäre ihm ebenso recht wie eine Stelle als Logistik-Mitarbeiter, eine Tätigkeit im Pflegebereich, eine Arbeit in einer Genossenschaft oder in einer Fabrik. Yosef spricht übrigens Deutsch, Persisch, Arabisch, Englisch und Norwegisch. Außerdem hat er gute Referenzen seiner bisherigen Tätigkeiten vorzuweisen. „Geben und Nehmen“ Zu den Lebensweisheiten, die sich Yosef im Laufe seines bewegten Daseins angeeignet hat, gehört die Einsicht, dass Reli­gion strikt vom Staat zu trennen ist: „Religion ist für Zuhause, der Glaube ist privat.“ Zum Thema Integration hält er fest, dass eine solche nur dann funktionieren kann, „wenn es ein gegenseitiges Geben und Nehmen gibt.“ Man könne nicht nur nehmen, „und man muss auch imstande zu sein, Danke zu sagen.“ Sepp
Josef Laner

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