Literarische Knospen

Publiziert in 10 / 2008 - Erschienen am 19. März 2008
Schlanders – Bereits zum fünften Mal schrieben die ­Schlanderser Oberschulen ­einen Schulen übergreifenden, literarischen Wettbewerb aus. Am 8. März wurden sechs Sieger des unter dem Motto „ich – du – wir – sie“ stehenden Wettbewerbes von der Jury, bestehend aus Claudia Theiner, Erich Daniel und Sepp Mall, verkündet. Es war Zufall, dass am Inter­nationalen Tag der Frau nur ein männlicher Schüler unter den insgesamt sechs Preisträgern war. Lyrische Texte und Prosa: die jungen Schreiber ­trumpften auf. Pia Susanna Pedross, Anna Pohl und Matteo ­Bodini erhielten jeweils 100 Euro für ihre Geschichten, Stefanie Telser, Leatizia Perger und Verena Platzgummer erhielten die gleiche materielle Anerkennung für ihre Lyrik. Eine andere Form der Anerkennung zollten die Zuhörer: Die Mitschüler lauschten mucks­mäuschenstill, das Publikum zeigte sich begeistert. In der Tat war die Veranstaltung, moderiert von Vize-Direktor und Schulbibliothekar Martin Trafoier, durchaus sympathisch. Gustav Tschenett, der Direktor des ­Realgymnasiums Schlanders, traf seltene Töne, die begeisterten: „Im Grunde ist das ganz einfach. Die Schule sollte auch ein Ort der Muße sein, wo Schüler zu selbstständigen und kritisch denkenden Menschen erzogen werden.“ Es könne nicht sein, dass sie nur gedrillt würden, so Tschenett, damit sie Lebensnöte verwalten lernten, „um es mit Nietzsche zu sagen.“ Oasen solle man schaffen, die zum klassischen Bildungsbegriff zurückführten, statt nur bürokratischen Kopfgeburten nachzulaufen, die rein wirtschaftlich ausgerichtet seien. Er selbst, so Tschenett später, habe die vorgelesenen Texte emotional und sou­verän vorgetragen erlebt. Der 40-Jähr­ige, selbst Liebhaber philosophischer sowie kybernetischer Betrachtungen, und eingefleischter Brecht-Fan, unterstützt die Schreibfreudigkeit seiner Schüler. Zum guten Schreiben, so Juror Sepp Mall, gehöre aber auch das Lesen. Gerade dies honoriert die Oberschule: Lesefreudigkeit wird unterstützt. So fuhren diejenigen Schüler, die besonders viel aus der Schulbibliothek oder der Bibliothek der Schlandersburg ausgeliehen haben, zur diesjährigen Leipziger Buchmesse. Tschenett sieht in den 72 eingereichten Arbeiten auch die Beliebtheit des Wettbewerbes. Der Mensch im Mittelpunkt jener Geschichten, die Claudia Theiner, Erich Daniel und Sepp Mall bereits im zweiten Jahr in dieser Besetzung bewerteten. „Sehr schön“, so der Autor und Lyriker Mall, „dass die Texte hier im Mittelpunkt stehen“. Nicht immer sei die Jury einig, aber sie könne zu allen der ausgewählten Texte stehen. Vorrangig ging es bei der Bewertung um die persönliche Sprache der Schreibenden sowie darum, sich mit Themen beschäftigt zu haben, die der Zeit entsprechen. Ganz persönliche Worte fand Mall zum Abschied seiner kurzen Ansprache: „Es freut mich, heute dabei gewesen zu sein, weil meine Karriere genau so anfing: Ich hatte als Schüler einen Schreibwettbewerb gewonnen.“ Überreicht wurden die Preise von Barbara Pobitzer Stampfl, Direktorin der LWT/HOB, sowie Georg Flora, Direktor der Fachschule für Land- und Forstwirtschaft Fürstenburg. Die Direktorin Pobitzer war begeistert: „Es ist gelungen, der Sprache ein junges Gesicht zu verleihen.“ Dass die jungen Leute schreiben wollen und schreiben können, hörte man. Dass sie gefördert werden, nimmt man den ­Lehrenden ab: Englischlehrer und Vize-Direktor Trafoier hat ein echtes ­Faible für Literatur, das aus seinen Augen blitzt, wenn er von Toni Morrison, William Faulkner oder T.C. Boyle, um nur einige zu nennen, spricht. Mit einer Begeisterung, die ansteckend wirkt.
Katharina Hohenstein
Katharina Hohenstein